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Kommerzialisierung des Weltraums

Der Multidome: Konzept einer Mondstation. Bild: ESA

Beim zweiten Preis der X-Prize Foundation geht es um eine Mondlandung und letztlich auch um ein interplanetares Schürfrecht auf Weltbesitz

Der zweite Preis der X-Prize Foundation, der Google Lunar X-Prize [1], geht in die entscheidende Phase. Der von Google finanzierte Preis in Höhe von 30 Millionen Dollar stellt folgende Aufgaben: Bis Ende 2017 muss das teilnehmende Team in privater Mission einen Rover zum Mond schießen und landen, der von dort HD-Videos zur Erde überträgt und mindestens fünfhundert Meter weit gefahren sein muss.

Siebzehn Teams aus der ganzen Welt haben sich dafür beworben, nicht alle mit einer echten Erfolgschance. Mit dabei im Wettrennen zum Mond: die PT Scientists [2], ein inzwischen von Audi mit Geld und Knowhow aufgepumptes Unternehmen. Gerade hat das Team seine Startbuchung mit der Spaceflight Inc. [3] für Ende 2017 offiziell bekannt gegeben. Die Reportage des Wissenschaftssenders Hyperraum.tv [4] stellt das Unternehmen, den Preis und einige Mitbewerber vor.

"Der Schuss zum Mond" über den Google Lunar X-Prize und die beteiligten Teams von Hyperraum.tv

Mit dem X-Prize beginnt das Zeitalter der Kommerzialisierung des planetaren Raums. Das wirft sofort eine weltraumrechtliche Frage auf: Vor rund einem halben Jahrhundert haben die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in Zeiten des Kalten Krieges das sogenannte "Outer Space Treaty" [5] unterzeichnet.

In Artikel 1 ist festgehalten, dass es im Weltraum keinen Eigentumsanspruch gibt, sondern Planeten sozusagen der Menschheit als Gesamtheit "gehören". Mit Satellitendiensten und der Privatisierung von Trägerraketen hat die Kommerzialisierung im Weltraum inzwischen längst begonnen. Vorläufig ist sie noch auf den erdnahen Raum beschränkt. Doch es zeichnet sich ab, dass der Kommerz bald die Sphäre der Erde verlassen und zu einer interplanetaren Dimension heranwachsen wird: der Mond, bald achter Kontinent der Erde!

Unterzeichnung des Outer Space Treaty der Vereinten Nationen 1967. Bild: United Nations

Nun debattieren Juristen noch reichlich ratlos darüber, wie die in den Weltraum hinaus wachsende Kommerzialisierung der Erdenbewohner mit diesem "Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" aus dem Jahr 1967 in Einklang gebracht werden kann; wie und wo man beispielsweise auf dem Mond Unterkünfte oder auch Bergwerke errichten darf, ohne dass es einen Eigentümer des Bodens gibt, der ja allen Menschen der Erde gehört. Es geht also um eine Art interplanetares Schürfrecht auf Weltbesitz.

Bei all der juristischen Planlosigkeit haben die USA inzwischen nationale Fakten geschaffen. Ende 2015 haben sie sich schon mal prophylaktisch per US-Gesetz und vorbei an der gesamten restlichen Welt zum globalen "Verwalter" solcher Schürfrechte erklärt. Spricht man mit Weltraumrechtlern, dann versuchen sie das Thema öffentlich noch möglichst abzuwiegeln, denn es gibt derzeit keine vernünftige, will heißen: global durchsetzbare Alternative zum amerikanischen Alleingang. Da hält man sich lieber bedeckt.

Die Lizenz jedenfalls, die das Unternehmen Moon Express [6] - eine der Wettbewerber um den X-Prize - im August 2016 von der amerikanischen Behörde FAA vor kurzem erhalten hat, hätte nichts mit der kommerziellen Erschließung des Mondes zu tun, hört man von Weltraumrechtlern der Vereinten Nationen. Das ist irgendwie richtig - und doch auch falsch: Denn erstmals ist damit in den USA eine Startlizenz an ein Unternehmen vergeben worden, das eine derartige Kommerzialisierung des Mondes zentral als Unternehmenszweck im eigenen Geschäftsplan stehen hat - und auf dem Papier schon vorrechnet, wie man auf dem Mond mit dem Abbau von Wasser und Rohstoffen künftig Geld verdienen kann.

"Moon Express" und der Blick auf den blauen Planeten. Bild: Moon Express

"Moon Express" ist - natürlich, möchte man sagen - ein amerikanisches Unternehmen, das erstmals in der Geschichte in Zahlen gießt, wie sich in Zukunft mit dem Abbau von Wasser und anderen Rohstoffen auf unserem Trabanten Gewinne erwirtschaften lassen. Dessen Initiator Bob Richards hat mit Naveen Jain, der selbst im Board des X-Prize sitzt, nicht nur einen milliardenschweren Mitgründer aus Silicon Valley gefunden, sondern bringt die Botschaft auch selbst höchst eloquent zum staunenden Publikum, wie auf meinem Video zu hören ist.

Manche glauben dennoch, dass Richards vor allem und vielleicht auch "nur" ein guter Verkäufer solcher Ideen ist, das Unternehmen jedoch technologisch eine reine Luftnummer bleibt. Aus meiner Sicht verdient das Konzept von "Moon Express" dennoch Beachtung, nicht so sehr, weil es so perfekt zum klassischen Bild des amerikanischen Enterpreneurs passt, sondern wegen des jetzt vollzogenen Strategiewechsels kurz vor Torschluss. Doch davon später.

Das Wettrennen zum Mond

Das Wettrennen zum Mond tritt bald öffentlichkeitswirksam in seine entscheidende Phase, denn Ende 2017 gibt es durch die Statuten der Preisausschreibung eine harte Deadline. Und die Führungsnation des bemannten Wettfluges zum Mond, da kann man ziemlich sicher sein, will auch dieses Mal die Nase vorn haben. Die Weltmacht Google gibt dabei den Takt vor - und Silicon Valley wird sich zweifellos wieder einmal so richtig selbst feiern wollen. Dass dieses Wettrennen zum Mond zumindest ein amerikanisches Unternehmen erfolgreich abschließen muss, steht für die Raumfahrtnation USA natürlich schon heute fest. Alles andere wäre in der Tat reichlich blamabel.

Könnten es auch andere der 17 angemeldeten Teilnehmer schaffen? Dem israelischen Team Spaceil [7] werden nach Insider- Einschätzung große Chancen zugesprochen, das Ziel zu erreichen - auch dank starker staatlicher Förderung. Allerdings hat es vor kurzem seinen schon gebuchten Startplatz bei Spaceflight Inc. weiter verkauft. Ausstieg? Oder nur Umstieg? Man wird sehen. Das deutsche Team der PT Scientists [8] glaubt ebenfalls an eine reelle Chance, den Flug zum Mond Ende nächsten Jahres realisieren zu können. Das inzwischen als GmbH firmierende Unternehmen hat am 29. November seine feste Flugbuchung bei Spaceflight Inc. bekannt gegeben, jener Service Provider, der für die PT Scientists den Start des Landers mit dem Namen Alina komplett managen wird.

Der große Traum: Alina has landed! Bild: PT Scientists

Die Voraussetzungen für die PT Scientists geben Hoffnung. Die Tatsache, dass es bei den von Google während der Projektphase mit insgesamt sechs Millionen Dollar zusätzlich vergebenen Milestone-Preisen 2015 bereits erfolgreich war - mit einem Preisgeld von insgesamt 750.000 Dollar in zwei von drei ausgelobten Kategorien -, macht PT Scientists auf jeden Fall zu einem ernsthaften Mit-Anwärter auf den Preis.

Und auch das Umfeld ist vielversprechend, ist doch die Nobelmarke Audi seit 2015 offiziell mit an Bord; die vier Ringe möchten den "Vorsprung durch Technik" auf die außerirdischen Sphären ausdehnen und das autonome Fahren auf dem sonst verkehrstechnisch noch kaum erschlossenen Erdtrabanten - wenn man erst mal oben ist - ziemlich risikolos erproben.

Lunar Quattro auf autonomer Erkundungsfahrt. Bild: Audi

Ob eine weiche Landung aber tatsächlich gelingen kann? Wie schwierig das Unterfangen ist, einen Rover auf einem fremden Himmelskörper erstmals sicher abzusetzen, hat uns die ESA erst vor wenigen Wochen mit ihrem Voll-Crash von Schiaparelli eindrucksvoll, wenn auch ziemlich schmerzhaft bewiesen. Trotzdem: Für mich haben die PT Scientists immerhin eine echte Chance, das Ziel heil zu erreichen - Fifty-Fifty sagen wir mal.

Deutsche Ingenieure - auf dem Weg zum Mond also. Aber halt: War da nicht schon mal was?

Man stelle sich vor: Nach dem Wettrennen zum Mond im Kalten Krieg, das man hätte niemals ohne die deutsche Ingenieurskunst Wernher von Brauns und seiner ehemaligen Nazi-Mitstreiter gewinnen können, würden nun erneut die Deutschen, dieses Mal Autobauer aus dem niederbayerischen Nirgendwo, den Weg in die Zukunft der Raumfahrt 2.0 weisen! Weder Google noch die amerikanische Nation können daran ein Interesse haben.

"Da geht’s hin" - Wernher von Braun lässt sich von John F. Kennedy nur zu gern die Richtung zum Mond weisen. Bild: NASA

Zwei Teams aus Amerika sind beim X-Prize mit am Start. Astrobotic [9] und eben die aus Silicon Valley stammenden Mondexpressler , die zusammen mit den Riesen vor Ort lange geglaubt haben, dass sie die hochfliegende Aufgabe allein erledigen können. Die irdische Netzwelt der Bits und Bytes feiert sich in Silicon Valley am liebsten selbst - und hält sich sowieso für den kapitalträchtigen und allumfassenden Nabel der technologischen Welt. Aber offensichtlich hat man bei "Moon Express" die Lektion inzwischen gelernt. Das coole Silicon Valley hat auch seine Grenzen. Das Unternehmen hat vor einiger Zeit seinen Firmensitz samt ganzem Team von Silicon Valley ins biedere Florida verlegt.

Das "Weg vom Geld mit der schillernden Welt des Netzes und hin zum Know-how der klassischen Rocketeers" hat nicht nur mächtigen Symbolcharakter. Die jetzt gesuchte Nähe zur NASA bringt "Moon Express" die zweifellos dringend benötigte Weltraum-Expertise. Andererseits hat auch die NASA, also eigentlich die gesamte amerikanische Administration, großes Interesse, dass ein US-Gewinner beim Schuss zum Mond zu verzeichnen ist.

Jetzt ist "Moon Express" also dort sesshaft geworden - "back to the roots" - , wo man nicht nur digitale Bits und Bytes durchs Universum fliegen lässt, sondern schon seit vielen Jahrzehnten weiß, wie man nicht nur Maschinen, sondern sogar Menschen auf den Mond schießen kann.

Mondschuss, die erste: der Blick zur ersten Mondfähre "Eagle" von Apollo 11 im Jahr 1969. Bild: NASA

Der Schulterschluss könnte auf der Zielgerade noch retten, was für die große Weltraumnation schon als ausgemacht gilt: einen Gewinner des X-Prize aus dem Mutterland des Mondfluges. Übrigens ein Konzept, das Schule machen könnte - auch für andere Teams. Denn zwar ist in den Statuten des Preises festgelegt, dass der Mondschuss zu neunzig Prozent aus privaten Mitteln finanziert werden muss, aber nirgendwo steht ja so richtig geschrieben, dass sich dieses bei "Moon Express" so reichlich vorhandene private Kapital nicht auch bei einer behördlichen Instanz mit geeigneter Erfahrung Wissen umfänglich einkaufen darf …

Video Der Schuss zum Mond [10] von Hyperraum.tv. " Mondschuss, die zweite!" von Susanne Päch in ihrem Blog [11] bei Scilogs.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3521222

Links in diesem Artikel:
[1] http://lunar.xprize.org/
[2] http://blog.ptscientists.com/
[3] http://www.spaceflight.com/
[4] https://youtu.be/tEMkTGYav_Y
[5] http://legal.un.org/avl/ha/tos/tos.html
[6] http://www.moonexpress.com/
[7] http://www.spaceil.com/
[8] http://mission-to-the-moon.com/
[9] http://www.astrobotictech.com/
[10] http://hyperraum.tv/2016/08/21/der-schuss-zum-mond/
[11] http://scilogs.spektrum.de/hyperraumtv/