Kommt jetzt die Verkehrswende von unten?

Straßenbahnwaggons statt Pkw? Noch ist es Wunschdenken, aber Beschäftigte im Werk sind dafür offen. Foto: ANF

Der Bundesverkehrsminister blockiert den Wandel nach Kräften. Dafür kooperieren Gewerkschaften und Betriebsräte zum Teil mit der Klimabewegung. Sie wollen Teil der Transformation sein.

Aus dem Wolfsburger VW-Werk wird eine Straßenbahn ausgeliefert. Jedenfalls sieht es so aus, als ob. Nein, das ist nicht etwa ein erster Erfolg grüner Wirtschaftspolitik. Es waren Aktivisten der Aktion Autofrei, die am Dienstag Wolfsburg einen aus dem Werk kommenden Autotransport toppten. Eine Stunde und 50 Minuten stand der Transport still –so lange wurden die Autos von einem großen Transparent mit aufgemalter Straßenbahn verdeckt.

"Schon jetzt gibt es verheerende Auswirkungen der Klimaaerhitzung, von Überschwemmungen bis zu Dürren und Hitzewellen in allen Regionen der Welt. Wir wollen nicht hinnehmen, dass durch weitere Produktion von Autos, egal ob mit konventionellem oder Elektro-Antrieb, weiter das Klima geschädigt wird. Straßenbahnen sind viel umweltfreundlicher und zudem noch sozial gerechter", kommentiert eine Verkehrswende-Aktivistin die Aktion. Unterstützung kam von Bahnkunden, aber auch vom VW-Betriebsrat im Werk Braunschweig, Lars Hirsekorn.

Er hat sich in den letzten Jahren zum entschiedenen Befürworter einer Verkehrswende entwickelt. 2022 verfasste er einen Beitrag für das Buch "Spurwechsel. Studien zu Mobilitätsindustrien, Beschäftigungspotenzialen und alternativer Produktion, das im letzten Jahr im VSA-Verlag erschienen ist. Er steht damit auch in der VW-Belegschaft nicht allein. So gibt es dort Überlegungen, die Autoproduktion durch die Herstellung von Fahrrädern zu ersetzen.

Gegen das Feindbild Klimaaktivismus

Dass ausgerechnet innerhalb der Belegschaft in der Autostadt Wolfsburg Klimaaktivisten nicht mehr generell zum Feindbild taugen, ist ein großer Erfolg. Er macht es Rechtspopulisten der AfD oder der rechten Pseudo-Gewerkschaft Zentrum Automobil in schwerer, Anhänger unter Beschäftigten der fossilen Industrie zu finden. Ihre Strategie ist es, die Klimabewegung und die Grünen – egal, ob sie nun wirklich grüne Politik machen, oder nicht – bei den Automobilarbeitern zum Feindbild aufzubauen.

Aber Politiker wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) könnten sich nicht mehr als Interessenvertreter der Automobilarbeiter inszenieren, wenn es der Klimabewegung flächendeckend gelänge, gemeinsam mit Gewerkschaften und Betriebsräten auch aus dieser Branche eine Vorstellung von der Verkehrswende zu verbreiten.

Wissing jedenfalls ist für die Verkehrswende ein Totalausfall – das zeigt nicht zuletzt seine Verlautbarung, dass der Taktfahrplan bei der Deutschen Bahn, der die Planungen einer Zugfahrt vereinfachen soll, erst 2070 eingeführt werden soll. Somit soll das Auto weiterhin bevorzugt werden.

Auch Wissings Blockade einer EU-Entscheidung für ein Ende der Neuzulassung von Autors mit Verbrennungsmotor im Jahr 2035, die sogar Wirtschaftsliberale in anderen EU-Ländern erzürnt, zeigt deutlich, dass das Ministerium wie ein Automobillobbyist agiert. Das macht es umso wichtiger, dass ihm aktive Beschäftigte widersprechen.

Dass mit der Blockadeaktion in Wolfsburg eine erfolgreiche Kooperation zwischen Klima- und Gewerkschaftsbewegung möglich war, lässt auf eine von unten forcierte Verkehrswende hoffen. Diese Kooperation kam zustande, obwohl es auf den ersten Blick nicht im Interesse gelernter Automobilarbeiter zu sein schien, dass Verkehrswende-Aktivisten im letzten Jahr in Wolfsburg den Bau einer weiteren VW-Fabrik verhinderten. Sie hatten jedoch von Anfang versucht, mit VW-Beschäftigten in Kontakt zu kommen.

Inspiriert hatte sie der Film "Lauter Frühling" von Johanna Schellhagen, der in der Klimabewegung viel diskutiert wird. Dort ist in einer animierten Szene zu sehen, wie Klimaaktivisten und VW-Arbeiter kooperieren.

Nun macht ein gestoppter Autozug noch keinen Streik, doch ein Anfang ist gemacht. Zumindest Teile der VW-Belegschaft befassen sich jetzt mit der Frage, wie sie mit ihrer Arbeitskraft und den vorhandenen Maschinen umweltverträgliche Verkehrsmittel produzieren können.

Die Klimabewegung sollte von Wolfsburg lernen

Hier könnte auch bei weiteren Aktionen in Wolfsburg angesetzt werden. Wichtig ist, dass die Klimaaktivisten betonen, dass sie sich nicht gegen die Belegschaften ausspielen lassen. Eine solche Strategie gemeinsam mit den Beschäftigten ist auch zukunftsweisender, als sich an der Fahrbahn festzukleben und damit vielleicht auch VW-Beschäftigte auf dem Weg zur Arbeit zu blockieren, ohne vorher die Kooperation gesucht zu haben.

Dass jetzt in Bayern zwei Klimaaktivisten wegen Blockaden von Straßen zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden, ist nur deshalb ohne größeren Aufschrei möglich, weil die Aktion auch von wesentlichen Teilen der betroffenen Bevölkerung abgelehnt werden. Daher sollte die Klimabewegung von Wolfsburg lernen, wie man es schaffen kann, mit und nicht gegen die Beschäftigten die Verkehrswende umzusetzen.

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