Kommt jetzt die firmeneigene KI in jedem Unternehmen?
Manch Führungskraft fehlt es an Tech-Nähe – ein Risiko. Da kommt Rat zur KI-Strategie gelegen. Wird künftig jedes Unternehmen seine eigene KI entwickeln?
Menschen können eine emotionale Verbindung zu Programmen mit Künstlicher Intelligenz (KI) aufbauen– davon ist Google-Chef Sundar Pichai überzeugt. Einige Anwender werden eine "tiefe Beziehung zu KI-Assistenten" entwickeln. Darauf müsse man sich vorbereiten und mögliche negative Folgen der Technologie mildern.
Engen Kontakt zu neuer Technik scheinen viele Manager nicht zu haben. Das zeigen Handlungsempfehlungen von Experten. "Was Führungskräfte 2024 über KI wissen sollten", beschreiben Barbara Stöttinger und Martin Giesswein von der Wiener WU Executive Academy.
Der KI-Einsatz sei wichtig, da gerade Wissensarbeiter Arbeitszeit sparen können, "insbesondere beim Generieren, Optimieren und Übersetzen von Texten mit DeepL und ChatGPT". Dem Digitalverband Bitkom zufolge gehen 78 Prozent der deutschen Industrieunternehmen davon aus, dass KI entscheidend für ihre Wettbewerbsfähigkeit sein wird.
Die beiden Autoren geben Managern deshalb Tipps. Im ersten Schritt fordern sie zum Ausprobieren auf und empfehlen den Chefs dabei, zur eigenen Firma zu recherchieren: Durch Arbeit mit KI sollen die Unternehmensentscheider ermitteln, was die KI von "Ihrem Unternehmen gespeichert und weiterverarbeitet" hat. Dies könne "Augenöffner und Grundlage für eine strategische Einordnung zugleich sein".
KI-Strategie statt Hype-Euphorie gefordert
Daraus ergebe sich die logische Schlussfolgerung: "Ich will meine eigene KI". Denn das Management müsse klären, wie eine KI-Strategie aussehen soll. Was normales strategisches Planen eines jeden Unternehmens sein sollte, wird von den Wiener Experten bei KI besonders betont: Statt einem Hype nachzustreben, sollen übergeordnete Ziele der KI-Anwendungen festlegt werden. Eine kostengünstige Nutzung von KI sei riskant, betonen Stöttinger und Giesswein.
Kritik üben sie an einem KI-Einsatz ohne unternehmenseinheitliche Vorgaben, der derzeit in vielen Betrieben üblich sei. Aus finanziellen Gründen werden offen angebotene Varianten über das Internet genutzt. Die Folgen sind gravierend: "Täglich werden dank schlecht geschulter Mitarbeiter Unmengen von vertraulichen Firmen- und Kundendaten Teil eines fremden KI-Modells", warnen sie.
Die Erfahrungen der Firma Samsung zeigen die Risiken auf. Durch Arbeit mit ChatGPT haben Ingenieure unternehmensinterne Daten und wichtige Codes nach außen gegeben, ohne an die Folgen zu denken.
Lösungen werden jedoch teuer, denn aus Sicht der Forscher kann nur ein firmeneigenes KI-System die passende Gegenmaßnahme sein. Eine maßgeschneiderte Technik in Form einer "CompanyGPT" hat jedoch enorme Kosten zur Folge. Es muss entwickelt werden und setzt Spezialistenteams im eigenen Haus voraus, die das Trainieren und Nutzen des eigenen Modells voranbringen.
Eine Bitkom-Befragung zeigt, dass knapp die Hälfte (48 Prozent) der Unternehmen von Problemen bei der Digitalisierung berichtet, 2023 waren es nur 39 Prozent. Ein Grund ist fehlendes Know-how, IT-Fachkräfte für den KI-Bereich sind immer noch selten und teuer.
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"Wir sehen in vielen Unternehmen verstärkte Bemühungen, die Digitalisierung voranzutreiben. Zu oft bleiben sie aber bei Diskussionen stehen und kommen noch nicht in die Umsetzung. Erfolgreiche Digitalisierung braucht Wissen und Werkzeuge", sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. "Jedes einzelne Unternehmen benötigt jetzt eine Kraftanstrengung, um bei der Digitalisierung von der Planung in die Umsetzung zu kommen".
EU-Gesetz bedeutsam
Dabei ist die EU-Verordnung zu KI bedeutsam, die auch "EU-KI-Gesetz" genannt wird. Betreiber ist danach jede natürliche oder juristische Person, die ein KI-System unter ihrer Aufsicht zu unternehmerischen Zwecken einsetzt.
Die Verordnung definiert den Begriff "KI":
Ein KI-System ist nach Art. 3 Nr. 1 ein maschinengestütztes System, das mit unterschiedlichem Grad an Autonomie betrieben werden und nach der Bereitstellung Anpassungsfähigkeit zeigen kann und das für explizite oder implizite Ziele aus den Eingaben, die es erhält, ableitet, wie es Ergebnisse wie Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen erzeugen kann, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können.
Das Gesetz gilt für alle Unternehmen mit Sitz in der EU. Nach dem Marktortsprinzip gilt es aber auch unabhängig vom Standort des Betreibers, solange der Einsatz des KI-Systems für Nutzer in der EU erfolgt.
KI-Systeme, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KI-Gesetzes im Jahr 2026 eingeführt wurden, müssen bei wesentlichen Änderungen an die neuen Vorschriften angepasst werden. Erheblicher Beratungsbedarf dürfte sich ergeben, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wenn Firmen eigene KI-Modelle einsetzen wollen.
Wer schreibt die bessere Bewerbung: Mensch oder Maschine?
Während sich Manager beim KI-Einsatz offensichtlich noch schwertun, lassen immer mehr Bewerber Texte maschinell erstellen. Programme des US-Unternehmens Teal berechnen, wie gut der eigene Lebenslauf auf eine Stellenanzeige passt. Sie formulieren Lebenslauf und Anschreiben zielgerichtet.
Wie verbreitet KI inzwischen im Bewerbungsprozess ist, zeigt eine Umfrage der Personalberatung PageGroup unter 3.344 Personen. Danach hat fast die Hälfte der Befragten in Deutschland KI schon mal bei der Jobsuche oder im Bewerbungsprozess genutzt, wie die WirtschaftsWoche berichtet. "Das Potenzial von KI ist riesig – sicher auch, wenn es darum geht, ein Anschreiben zu generieren oder das perfekte Bewerbungsfoto zu erstellen", sagt Goran Barić, Deutschlandchef der PageGroup.
Auch bei Bewerbungen sollte der von KI erstellte Text jedoch genau geprüft werden. Oft gingen offensichtlich KI-generierte Unterlagen, die zeigen, dass "sich Bewerber kaum mit uns als Unternehmen, der Stelle und/oder sich selbst beschäftigt haben", bemängelt Otto Vazquez Dominguez, verantwortlich für Personalbeschaffung beim Dax-Konzern Sartorius.
KI kann aber auch die Kreativität fördern, sind sich Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sicher. Dabei ist virtuelle Realität bedeutsam. Virtual Reality (VR) wird die Darstellung einer scheinbaren Wirklichkeit genannt, indem in einer interaktiven virtuellen Umgebung Menschen aktiv werden können.
"Eine besonders faszinierende Innovation ist der Einsatz KI-gestützter, virtueller Assistenten in Kreativworkshops", meldet Paul-Christian Gerlach, Fraunhofer IAO Stuttgart. Diese Neuerung soll Teilnehmenden helfen, ihre kreativen Potenziale auf "ein bisher unerreichtes Niveau" zu heben.
Mit dem Projekt "INSTANCE" will das Institut einen virtuellen Assistenten als multifunktionales Werkzeug entwickeln, der moderieren, protokollieren und Ideen visualisieren kann. Dabei ist auch KI wichtig, denn deren Stärke liegt in der "Effektivität bei der Ideenfindung. Insbesondere in der frühen Phase der Ideenfindung können Menschen in ihrer Kreativität durch den Einsatz von großen Sprachmodellen unterstützt werden", erläutert Gerlach.