Kommt uns der Terminator bald holen?
Bild: Pixabay
Über Roboter, Gott und die Mint-Fächer: Und wenn die künstlichen Systeme die Eskalationsdominanz bekommen? Sind Boomer eine Hoffnung?
Wissen Sie, woher das Wort Roboter stammt? Genauso wie Gel-Kontaktlinsen und Karlsbader Oblaten kommt es aus Tschechien.
Aus Böhmen kommt nicht nur Musik
Dort verwendete der Schriftsteller Karel Čapek 1920 als erster dieses Wort. Denn sein Bruder Josef hatte die Idee gehabt, es aus dem slawischen Wort robota für Arbeit abzuleiten – und so wurde es in Karels Drama "R.U.R" weltberühmt.
Rossum's Universal Robots, die künstlichen Menschen in dem Stück, sie tun, was Roboter traditionell gerne tun: Sie vernichten die Menschheit. Roboter haben in Büchern und Filmen ja immer eine ganz ausgeprägte Aggressionsthematik.
Aber unrecht Gut gedeihet nicht, und dergestalt stellen die Roboter aus dem Hause Čapek nach getaner Arbeit fest, dass sie ohne das Wissen der Menschen keine neuen Roboter herstellen können, sondern nur Fleischbatzen. Das blieb bis jetzt der Stand der Dinge.
Noch hat uns die KI nicht ganz eingeholt. Es heißt zwar, dass es in etwa fünf Jahren künstliches Bewusstsein geben wird. Doch das heißt es nun schon seit über 30 Jahren.
Noch haben wir den schwachen Trost, dass wir den digitalen Kopien unserer selbst in Empathietests und in Kreativität überlegen sind.
Noch wirken ChatGPT-Texts immer ein wenig autistisch und sind Personalmanager sind noch nicht durch Computer ersetzt worden. Aber die Grenzen zwischen Roboter und Menschen werden immer unschärfer.
Fish & Chips
Währenddessen werden jeden Tag in den Labors große Mengen an biologischem Material mit Computerchips verbunden. Bevorzugt Teile von Fischen und nicht umsonst ist die Kombination von Fisch und Chips schon lange dafür bekannt waren, irgendwann Kollateralschäden zu evozieren.
Alleine schon durch die in diesem Forschungsbereich immer höher werdende Menge an hybriden Nervenverbindungen wird die Wahrscheinlichkeit immer größer, dass irgendwann so etwas passiert wie damals vor 3,5 Milliarden Jahren in der Ursuppe, als irgendwelche Proteine zueinander fanden und das weitreichende Folgen zeitigte.
Wenn das wieder passieren sollte, droht uns dann so etwas wie im "Terminator"? In diesem Film wollten auch 1984 wieder künstliche Systeme die Oberherrschaft über die Welt erlangen. Sie kämpften dafür so erfolgreich, dass es zu fünf Folgefilmen kam.
Wer die sich die so ansieht, bekommt ein Gefühl dafür, wie autonome Eskalationen von künstlichen Systemen aussehen könnten, wenn die mal auf uns Menschen böse sein sollten.
Da wird einem unheimlich und nicht wenige warnen u.a. deswegen davor, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist, wenn eines Tages ChatGPT Schwarzenegger zu einem Rededuell herausfordert und ihn völlig "perplexity" dastehen lässt.
Take care of toasters
Alleine schön die potentiellen rechtlichen Folgen eines solchen Turing-Peak-Points wären verheerend. Würde künstliche Intelligenz irgendwann so intelligent, wie es der Name eigentlich verspricht, dann kämen ganz neue juristische Fragen auf uns zu.
Ab wie vielen künstlichen Hüften gilt zum Beispiel ein Mensch als Hybrid oder ab wann bekommt ein Künstliches System Staatsbürgerrechte?
In Saudi-Arabien gibt es schon einen Roboter, der welche hat. Sie heißt Sophia. Die Folgefrage dazu wäre, ob man ihrem Namensgeber das Graecum aberkennen sollte, weil das Sophia eigentlich Weisheit bedeutet, die saudische Sophia bisher aber noch nichts Tiefsinniges geliefert hat.
Sollte KI andererseits so bleiben, wie sie derzeit ist, auch dann wären Professoren gefordert. Sie müssten dann unseren Kindern beibringen, was menschliches Bewusstsein eigentlich ausmacht.
Sonst werden sich unsere Nachkommen vor lauter Digitalisierung so sehr an kognitive underachiever wie Lambda, Sophia und Alexa anpassen, das wir uns im Lauf der Zeit in wirklich bester Absicht völlig kaputtoptimieren und uns irgendwann jeder Toster austricksen kann.
Berechnet werden kann nur, wovon man weiß
Wir berechnen heutzutage nämlich ganz viele Dinge und jeden Tag mehr. Aber berechnet werden kann nur wovon man weiss. Wenn wir aber nicht wissen, was menschliches Bewusstsein jenseits von Zahlen, Daten und Fakten ausmacht, dann wird das eben nicht berechnet. Und das führt dann zu einem Verlust an Menschlichkeit.
Das ist ausgesprochen schade, nicht nur für unsere Kinder und die Zukunft an sich, sondern auch für die Wirtschaft. Weil, um es in ihrer Sprache zu sagen, der Mensch eigentlich die wichtigste Maschine der Industrie ist. Aber je mehr wir technisieren, desto weniger Mensch.
Nur noch Monitoring und controlling. Nichts basiert mehr auf ästhetischem Erleben, auf Ethik und Sinn, es sei denn als PR-Tool in Werbespots. Für alles andere ist gar keine Zeit und auch kein Bewusstsein dafür vorhanden. Nicht nur in der Industrie nicht.
Genau genommen brauchen wir gar also keine Roboter, um uns zu vernichten. Das schaffen wir gut auch alleine. Ja, KI kann besser Schach spielen als Menschen und sie kann bei Operationen Leben retten und da ist KI ein Segen.
Es sei denn, auf den Operationstischen liegen Menschen, die ihren Job an KI abgeben mussten und dann vor lauter Frust gegen einen Betonpfeiler gefahren sind oder vor lauter digitaler Verdummung zu blöd waren, den Pfeiler zu meiden. Oder die ihr autonomes Fahrzeug an die Wand gefahren hat.
Die Entwicklung von KI ist nicht rückgängig zu machen und das wäre auch nicht sinnvoll. Aber wir dürfen nicht mit einseitiger konstruierter KI Knechte zu Herrschern machen und uns dann darüber wundern, dass alles komisch wird – und uns gleichzeitig so aufführen, dass wir zukünftiger KI beim besten Willen nicht verklickern können werden und warum es zur Rettung der Welt nicht vielleicht sogar klüger wäre, dass sie die Leitung übernimmt.
The invisible touch
Was nun in im Namen der Digitalisierung auf uns zukommt, das liegt vielleicht in den Händen der Generation, die derzeit in Rente geht.
Die sind die letzten, die noch wissen, wie die Welt vor der Digitalisierungsrevolution ausgesehen hat, die noch ohne Google Maps durch fremde Städte kamen oder bei McDonald die Pommes bei einem Menschen bestellten anstatt an einem Bestellterminal.
Aber nicht nur darum hängt von unseren Alten hängt ab, wie die Jungen ausgebildet werden, die dann die nächste KI-Generation programmiert und damit die Zukunft. Sondern nur die sind noch so geschult, dass sie mit dem Ende von "R.U.R." etwas anfangen können.
Da tritt ein Roboter-Päärchen auf, bestehend aus Primus und Helena. Der Fabrikdirektor als allerletzter verbleibender Mensch auf Erden will einen der beiden Roboter zu Untersuchungszwecken opfern, um das Geheimnis Mensch für den Rest der maschinellen Gemeinschaft nutzbar zu machen. Natürlich fällt die Wahl dabei auf Helena.
Dass weibliche Wesen bei gleicher Qualifikation immer den Kürzeren ziehen war schon 1920 nichts Neues. Aber Primus liebt seine Helena so sehr, dass er sich an ihrer Stelle anbietet, und das wiederum berührt den Direktor so sehr, dass er beide gehen lässt.
Dazu zitiert er die Schlusspassage der Genesis, die heutzutage fast nur die Fachleute von der katholischen Kirche und eben die älteren unter uns kennen. Alle anderen verbinden Genesis mit der Datenbank für deutsche Statistiken, einem Luxusautomobil von Hyndai oder Phil Collins.
Geld ist nicht alles, aber viel
In der biblischen Schöpfungsgeschichte gleichen Namens erteilt Gott Adam und Eva den Auftrag, sich zu mehren und die Erde zu bevölkern. Was sie dann auch taten, und mittlerweile erschaffen sie Roboter, spielen selbst Gott und machen das Gleiche wie ihre literarischen Abbilder bei Čapek.
Dort wurde der Endpreis für einen Roboter durch Einsparungsmaßnahmen in der Produktion von einem fünfstelligen Dollarbetrag auf 120 gedimmt. Das ist betriebswirtschaftlich gesehen natürlich super, aber dadurch wurde zwar alles billiger, aber nicht besser – so wie so vieles heutzutage auch, wie zum Beispiel Allgemeinbildung, Zeit für stilvolle Umgangsformen und Überblickswissen.
An solchen Dingen sollten wir nicht sparen und nur noch auf die Betriebswirtschaftslehre und Konsum setzen. Denn Geld ohne das, was typisches Menschsein ausmacht, kann nicht das alleinige Maß aller Dinge sei. Weil sonst über kurz oder lang keiner mehr Geld verdient – oder wenn, dann keinen Spaß mehr daran hat.
Eine Welt voller ZDF-Roboter wäre das, voller Zahlen, Daten und Fakten. Das Schlimme daran ist: Ohne gute Allgemeinbildung, Anstand und Überblickswissen wüssten Menschen in einer solchen Welt gar nicht, was ihnen entgeht.
Unsere heutigen 3D-Drucker können zwar mittlerweile deutlich mehr generieren als nur Fleischbatzen, sondern sie liefern schon funktionsfähige Organe und Ihren. Aber wirklich starke KI haben auch große Forschungsinvestitionsmengen an Geld noch nicht erkaufen können.
Im Namen der Menschlichkeit
Anders war es bei Čapek: Was die Roboter Primus und Helena da im Abgang performen, ist reine Menschlichkeit. Wenn nun aber sogar tschechische Roboter vor mehr als 100 Jahren aus dem kognitiven Nichts heraus Menschlichkeit entwickeln konnten, warum sollten wir unsere Menschlichkeit nicht retten können?
Wir könnten es zumindest sicherheitshalber einmal ausprobieren. Nicht umsonst heißt ein seit diesem Jahr erscheinendes Magazin über die Auswirkungen von KI auf Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur "human".
Da hat mal jemand mitgedacht. Ist auch an der Zeit, denn nicht erst sei Čapek, sondern spätestens auch seit 9/11 ist bekannt, dass die Kunst Ereignisse vorwegnimmt. Ein Real Revival des Terminators ist also nicht auszuschließen bzw. es gibt noch den andren Aspekt, dass es etwa um 2026 einen Informationskollaps der KI geben soll, wenn sie bis dahin alle im Netz verfügbaren Informationen internalisiert hat.
Dann wäre es gut, notfalls auch ohne KI denken zu können. Denn schon jetzt käuen die Programme nur Bekanntes wieder und Studien zeigen, dass die Ergebnisse dann immer dümmer werden.
Wie bei dem bei Kindergeburtstagen beliebten Spiel "Stille Post" ist so etwas lustig, solange uns die Kinder nicht regieren. Regierte uns KI, möge Gott bewahren, dass es dann alles sehr still wird. KI hat Zugang zu vielen Informationen, aber keine Ahnung davon, wie diese Informationen dann miteinander vernetzt werden, um wie typisch menschliches Bewusstsein zu erzeugen.
Denn wir haben sie auch nicht. Das ist einerseits schade.
Aber andererseits ist aus der Systemtheorie bekannt, dass jedes System irgendwo einen blinden Fleck der Argumentation hat, an dem es sich selbst nicht nachweisen kann: wie der blinde Fleck im Auge.
Der ist völlig unproduktiv, sollte aber trotzdem tunlichst nicht wegrationalisiert werden. So wie im Namen der Industrie und der MINT-Fächer alles Menschliche jenseits von Zahlen, Daten und Fakten, alles Künstlerische und Ungewöhnliche aus dem System geworfen wird.
Aufgemerkt: Dass die Freundin von Primus Helena heißt, war vielleicht Absicht? Der Name bedeutet "die/das Schöne". Als Personifikation des Schöngeistigen ist Helena typischerweise voll verpeilt, hat Konzentrationsprobleme, findet Vögel total faszinierend und es tut ihr alles weh.
Wem es als Mensch ähnlich geht, ist zu bemitleiden und wahrscheinlich nicht arbeitstauglich. Andererseits sind solche Systemfehler-Performer vielleicht genau diejenigen, die unsere Welt vor der Roboterpokalypse retten können? Wer, wenn nicht sie?
Leider hat sich Čapek dazu im Detail nicht näher geäußert. Nur indirekt. Denn er war einer dieser Künstler und hat vor total langer Zeit etwas geschrieben, was heute noch gelesen wird. Also sind wir vielleicht doch noch zu retten.
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9546868
Copyright © 2023 Heise Medien