Kommunikation oder Arbeit...?
Seite 6: Lösungen
Lösungen gibt es, sie sind längst schon angesprochen - in Wahrheit weiß man längst, wie es "ungefähr" gehen könnte, das Problem ist nur die Umsetzung. Im wesentlichen wären drei große Veränderungen notwendig. Die eine betrifft die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeiten, die zweite den Übergang von erwerbsarbeitsgebundenen Alters- und Existenzsicherungsformen auf allgemeine, steuerlich finanzierte Grundsicherungssysteme und die dritte wäre ein Umbau des Steuersystems in die von globalen Umweltschutzerfordernissen her notwendige Ökowirtschaft und sozial verträgliche "Kommunikationstechnologie"-Gesellschaft (Äh, ich denke dieses Wort trifft den Sachverhalt besser, als der vielstrapazierte Ausdruck: Informationsgesellschaft).
Arbeitszeitverkürzungen
Eine der eleganten Lösungen um mehr Arbeitsplätze, um mehr an Erwerbsarbeitsmöglichkeiten zu schaffen, ist die rechtlich durchgesetzte Arbeitszeitverkürzung bei menschlicher Erwerbsarbeit. Natürlich, so etwas ginge in geschützten Volkswirtschaften an sich relativ unproblematisch, wenn alle Beteiligten (oder zumindest Mehrheiten) dies auch wollen. In so halboffen und halbabgeschotteten künstlichen Gebilden, wie dies die Europäische Union ist und vermutlich noch längere Zeit bleiben wird, ist das allerdings weitaus schwieriger. "Protektionismus" - ist da, Gott behüte, keine der gangbaren pragmatischen Möglichkeiten. Außer ganz mächtige industrielle (am besten: agroindustrielle) Interessensgruppen haben hier schon die entsprechenden Weichen gestellt (Stichwort: EU-Bananen). Wo es nicht um Industrieinteressen geht, da bleiben dann WTO- und andere Freihandelsverständnisse außen vor. Von diesen skeptischen Erfahrungen her, darf man auf die Umsetzung der Absichten Frankreichs und Italiens, wo es derzeit um Arbeitszeitverkürzungen (35 Stunden Woche) in Hinblick auf eine bessere Verteilung des Volumens von Erwerbsarbeit geht, gespannt sein.
Umbau in der Alterssicherung und Grundversorgung
Auf die Notwendigkeit eines Umbaus der Systeme der Altersversorgung bzw. überhaupt einer Grundsicherung braucht ebenfalls nur hingewiesen werden. Angefangen von der "negative income-tax" bis hin zu einem "Bürgergeld" oder "Grundeinkommen" wurden seit den 60er Jahren diese strukturellen Veränderungen hinreichend diskutiert und für den Alltag nicht berücksichtigt. Es dreht sich darum, die Altersversorgung von den herkömmlichen, auf die Erwerbsarbeit aufsetzenden Systemen (herkömmliche Pensionsversicherung) auf eine steuerliche Finanzierung umzustellen, dabei aber auch eine menschliche Grundversorgung einzuführen, die als Bürgerrecht und nicht als Fürsorgeleistung definiert ist. Am sinnvollsten wäre dabei eine Dreiteilung, die auch die bewährten Systeme der Pensionsversicherung langfristig erhalten würde. Basis bildet dabei eine über Steuermittel finanzierte Grundversorgung (Grundeinkommen) für jeden Bürger, auf der eine aus erwerbsarbeitsbezogenen Ansprüchen gebildete Arbeitspension (Umlagensysteme aus allgemeiner Sozialversicherungspflicht) aufbaut. Erst in der dritten Stufe, dort wo aus individuellem Einkommen und Dafürhalten zusätzliche private Altersversorgungen (Rentenlebensversicherungen) gesucht würden, sollte der Markt ergänzen. Im Prinzip ist hier alles wesentliche ausdiskutiert und die Einwände, die hierbei ebenfalls geboten werden, hängen bloß von eingeschnürten und ideologisch verzerrten Randbedingungen ab. Daß das System im Prinzip möglich und vernünftig ist, zeigt sich am Beispiel der Schweiz, wo es in ersten Ansätzen verwirklicht ist.
Umbau in Richtung Öko- und Bitsteuern
Die Einführung eines ökologisch orientierten Steuersystems geht an sich problemlos, wie immer wieder nachgewiesen wurde, - es liegt nur am fehlenden politischen Willen und an abgeblendeten langfristigen Zielen. Darum wird eine solche Strukturveränderung auch immer wieder verschoben: vom Nationalstaat weg auf EU-Ebene und zurück. Auch hierzu muß nicht mehr viel gesagt werden. Jedoch eines ist notwendig, - eine Ökologisierung des Steuersystems allein genügt nicht, es ist auch zu berücksichtigen, daß sich die Gesellschaften mit den Neuen Kommunikationstechnologien verändern, daß Vertriebs- und Handelsformen anders werden.
Neben einer Ökologisierung des Steuersystems ist seine "Informatisierung" ebenfalls notwendig, Stichworte: Tobin-Steuer und Bitsteuer . Wenn Texte, Bilder und ganze Softwarepakete über das Internet distribuiert und in Zukunft möglicherweise auch mit virtuellem Geld bezahlt werden, ist eine bspw. distributionsmengenabhängige Steuer für solche Transaktionen plausibel (die Tobin-Steuer auf Finanztransaktionen ist dabei praktisch nur ein Sonderfall). Derartige Umbauformen sind, im Vergleich zu Ökosteuern, noch wenig diskutiert - technisch realisierbar wären sie jedenfalls.
Fehlender Transitions-Push
Ausgehend von einer Ausdünnung der Mitte in einer Reihe von wirtschaftlichen Bereichen sind wir - mit groben Skizzenstrichen - zu mittelfristigen, plausiblen Lösungsformen von gesellschaftlichen Problemen gekommen. Immer wieder wurde dabei die Schwierigkeit der Umsetzung sichtbar. Dies hat ebenfalls mit einer Art von Ausdünnung der Mitte zu tun: Nachdem in den modernen Konsumgesellschaften die großen Ziele und Visionen von zufriedenstellenden Lebensformen weggekippt sind , sind nunmehr offenbar auch die Mittel-Lösungen, die mittelfristigen politischen Ziele, erodiert. Wer langfristige Ziele hat, beschäftigt sich zwangsläufig auch mit den Wegen und den Zwischenstadien dahin, - die aber zerbrechen mit den verlorenen Utopien ebenfalls.
Eine ähnliche Ausdünnung scheint sich nun auch in den Bevölkerungen abzuzeichnen: jene Gruppen, die als politische Menschen an Veränderungen arbeiten und dies auch im Alltagsleben mehr oder weniger schlüssig tun, werden weniger. Es ist, als verkleinerte sich diese Gruppe zwischen den "Satten" und den "Desillusionierten" (bzw. scheinbar Loyalen) zusehends. Das ist insofern tragisch, als Desillusionismus tendentiell zur Reaktion neigt, und dort ist wenig an vernünftigen Lösungen zu erwarten. Ohne solche politisch aktive "Push-Gruppen" bleibt es beim Leerlauf bzw. bei der Position des Rückwärtsgangs. Zwar sehen das die Kommunitarier mit weit weniger Skepsis, da die postmarktwirtschaftliche Gesellschaft die Menschen sozusagen zwingend in den Selbsthilfebereich drängt, wobei von hierher gesellschaftlicher "Push" kommen soll, aber wirklich überzeugend ist dies nicht.