Komprimierter Wasserstoff – ein exotisches Flüssigmetall

Das leichteste chemische Element kann unter hohem Druck supraleitend oder supraflüssig werden

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Wasserstoff, der für Wasserstofffahrzeuge in Metallschwämmen gespeichert werden soll, das kennt man. Dass Wasserstoff, das leichteste Gas, selbst zum Metall mit ungewöhnlichen Eigenschaften werden kann, ist weniger bekannt.

Fester Wasserstoff ist normalerweise ein Isolator, komprimiert unter extrem hohem Druck von deutlich über einer Million Bar hat er in der flüssigen Phase jedoch metallische Eigenschaften, insbesondere eine hohe elektrische Leitfähigkeit – die Elektronen sind dann nicht mehr fest an ein Atom oder Molekül gebunden. Das wirkt sich wiederum im Phasendiagramm auf die Schmelzkurve aus, also auf die vom Druck abhängige Schmelztemperatur. Metallischer Wasserstoff soll Theorien zu Folge sogar bei Raumtemperatur supraleitend werden.

Die theoretisch berechnete Schmelzkurve gibt die Schmelztemperatur als Funktion des Drucks an, das ist die lange, rote Kurve. Ungewöhnlich ist das Auftreten eines Maximums der Schmelzkurve, hier bei 82 GPa Druck. Die kurze, grüne Theoriekurve markiert den Übergang zwischen den beiden flüssigen Phasen von molekular zu atomar dissoziiert. Die blauen Datenpunkte und die Quadrate unterhalb von 50 GPa sind Messungen, die anderen Datensätze sind berechnet. Unter konstant 200 GPa Druck ist der Wasserstoff bei tiefer Temperatur noch in molekularer Form erstarrt, er schmilzt bei rund 600 K und dissoziiert bei 900 K. Bei einer Temperatur von 400 K und einem Druck von 300 GPa laufen beide Kurven zu einem Tripelpunkt zusammen, das heißt, alle drei Phasen kommen bei diesen Werten zugleich vor. Über 300 GPa schmilzt molekularer, fester Wasserstoff zu einem Flüssigmetall. (Bild: S. A. Bonev, LLNL)

Zwei amerikanische Arbeitsgruppen haben Phasenübergänge des Wasserstoffs unter extremen Drücken theoretisch untersucht und supraleitende und supraflüssige Phasen vorausgesagt. Die an der Cornell Universität im Bundesstaat New York und dem Lawrence Livermore Labor, einer Großforschungseinrichtung im kalifornischen Livermore, ansässigen Arbeitsgruppen berichten ihre Ergebnisse der Ausgabe vom 7. Oktober 2004 der Zeitschrift Nature in Band 431 auf Seite 666 beziehungsweise 669.

Die Wissenschaftler aus Cornell sagen für eine flüssigmetallische Phase unter 400 Gigapascal Druck die Bildung von Cooper-Paaren sowohl zwischen Elektronen als auch zwischen Protonen voraus, was wiederum zu Supraleitung und Suprafluidität führt.

Supraleiter und Supraflüssigkeit in einem

Die Forscher aus Livermore berechneten die Schmelzkurve des festen Wasserstoffs, also die Schmelztemperatur als Funktion des Drucks in einem Bereich von null bis über 200 Gigapascal hinaus. Der Atmosphärendruck von 1,0 bar ist gleich 0,1 Megapascal. Subtile Änderungen der Kraft zwischen den Protonen führen zu einem Maximum der Schmelzkurve bei 82 Gigapascal, welches noch experimentell zu überprüfen wäre. Mehr und mehr frei bewegliche Elektronen schirmen die Kraft, die die Protonen aufeinander ausüben, teilweise ab und ändern so das Potential, somit wird die von den Elektronen vermittelte Atombindung des Wasserstoffmoleküls schwächer. Mit dem Verschieben der Elektronen bei hohem Druck erklären die Autoren nicht nur den ungewöhnlichen Verlauf der Schmelzkurve, sondern auch die flüssigmetallische Phase – eine Quantenflüssigkeit, die supraflüssig oder supraleitend sein kann.

Abschließend bleibt noch die Frage nach etwaigen Anwendungen. Über bei Raumtemperatur einsetzbare Hochtemperatursupraleiter zu spekulieren, erscheint verfrüht, eine indirekte Anwendung könnte die Kernfusionsforschung sein. Das Zündkriterium der Inertialfusion mittels extrem intensiven Laserlichts ließe sich umso leichter erreichen, je dichter der Wasserstoff komprimiert ist. Bei 320 Gigapascal Druck steigert sich die Dichte auf das Zwölffache des üblichen Werts.