Konflikt Serbien-Kosovo durch Provokation mit einem Zug
Seit 1999 die Nato im Kosovo-Krieg militärisch intervenierte und dann ununterbrochen mit der KFOR-Mission präsent war, blieb der Konflikt bestehen und droht jetzt, wieder in Gewalt umzuschlagen
Es gibt nicht nur Afghanistan, den Irak, Libyen oder Syrien, wo nach militärischen Interventionen weiterhin Kriege oder zumindest Unruhe herrschen. Über den Erfolg von militärischen Interventionen, die nach dem Kalten Krieg gerne auch als humanitäre Missionen bezeichnet wurde, könnte man auch noch zu einer älteren Nato-Intervention zurückgehen, zum Kosovo-Krieg im Jahr 1999.
Der geschah mit der ersten Beteiligung von deutschen Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg in einem völkerrechtswidrigen "humanitären" Krieg durch die Entscheidung der damaligen rot-grünen Regierungskoalition. Man wolle ein zweites Auschwitz verhindern, war etwa die Losung des amtierenden Außenministers Joschka Fischer, der sich an die Seite der Amerikaner und der Koalition der Willigen stellte und damit auch Russlands Bemühungen um eine friedliche Lösung brüskierte. Schon 1998 wurden Luftschläge von den Nato-Alliierten geplant, man ging vom Scheitern der Gespräch in Rambouillet aus.
Zusammen mit Verteidigungsminister Rudolf Scharping behauptete Fischer, das damalige Jugoslawien unter Slobodan Milosevic bereite eine ethnische Säuberung des Kosovo vor und sprachen von einem Hufeisenplan, der ebenso wenig bewiesen werden konnte wie das Massaker in Račak. Erst mit Beginn des Krieges und den Bombardierungen setzte eine Massenflucht bzw. -vertreibung ein.
Die Nato unterstütze die albanische UCK-Miliz, die als Terrorgruppe Mitte der neunziger Jahre begonnen hatte, für die Unabhängigkeit des Kosovo zu kämpfen. Die UCK stellte die Bodentruppe dar, die in anderen Kriegen auch immer wieder gesucht wird, um den Luftkrieg am Boden zu sichern. Die Kämpfe zwischen der UCK, die bereits Teile des Kosovo erobert hatte, und der jugoslawischen Armee gingen der Nato-Intervention vorher. Die UCK hatte bereits seit 1998 viele Serben gewaltsam vertrieben und Massaker ausgeübt, erst nach dem Krieg wurden die Nato-"Guten" kritischer gesehen, vor dem Internationalen Strafgerichtshof wurden ab 2000 Verfahren eingeleitet.
Nach dem Ende des Krieges und dem Einsatzbeginn der KFOR-Truppen wurde die UCK offiziell entwaffnet und aufgelöst, UCK-Kämpfer wechselten jedoch in die Sicherheitskräfte oder in die Polizei, andere nahmen Machtpositionen ein oder wurden wie Ex-Ministerpräsident Ramush Haradinaj oder der heutige Präsident Hashim Thaçi, Vorsitzender der Demokratischen Partei, auch Politiker. Thaci wird verdächtigt, Verbindungen zur organisierten Kriminalität zu haben bzw. gehabt zu haben und am Waffen-, Drogen- und Organhandel beteiligt gewesen zu sein. Thaci muss rechnen, dass ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgericht eingeleitet wird, er steht zudem im Kosovo unter Druck, weil er eine Aussöhnung mit Serbien anstrebte, kosovarische Nationalisten der Opposition aber gegen mehr Autonomie für die im Kosovo lebenden Serben sind.
Auch nach siebzehnjähriger Stationierung von Nato-Truppen und der Lösung des Kosovo von Serbien mit der Gründung eines neuen Staats im Jahr 2008, ist trotz der permanenten Stationierung von Nato-Truppen im Rahmen von KFOR in der Region noch keine wirkliche Ruhe zwischen der Mehrheit der Kosovo-Albaner und der vorwiegend im Norden lebenden Minderheit der Kosovo-Serben eingekehrt. KFOR soll nach der UN-Resolution dafür sorgen, dass das Land stabil wird und die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleistet werden, zudem soll die "Entwicklung eines stabilen, demokratischen, multiethnischen und friedlichen Kosovo" unterstützt werden. Zur Mandatsverlängerung erklärte die Bundesregierung letztes Jahr: "Die Lage in der Republik Kosovo ist grundsätzlich stabil." 2016 wurde der Einsatz der Bundeswehr mit Mandatsobergrenze von 1.350 Soldaten um ein Jahr verlängert, die Kosten wurden auf 46,2 Millionen Euro beziffert.
Gerade spitzt sich aber der Konflikt zwischen Serben und Kosovo-Albanern wieder gefährlich in dem kleinen Land mit 1,0 Millionen Einwohnern zu, das wirtschaftlich kaum in der Lage ist, sich selbst zu erhalten und deswegen noch lange am Tropf internationaler Hilfe hängen wird. Sichtbares Zeichen dafür waren die vielen Migranten, die vor der "Flüchtlingswelle" im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen waren und für Unmut sorgten. Hier wurden schon politisch die Weichen für die ausländerfeindliche Stimmung gelegt, die 2015 dann tonangebend wurde.
"Kosovo ist Serbien"
Angefangen hat es mit einem in Russland hergestellten Zug, der am Sonntag provokativ von Belgrad nach Kosovska Mitrovica losgefahren war, das überwiegend von Kosovo-Serben bewohnt wird. Damit sollte die seit 18 Jahre unterbrochene Zugverbindung wieder aufgenommen werden. Abgemacht war dies mit dem Kosovo nicht, aber es wurde von serbischer Seite erklärt, dass es seit Jahren Busverbindungen gebe, da könne Pristina auch nichts gegen einen Zug haben. Serbien ließ dazu einen Zug in den serbischen Nationalfarben und mit der Aufschrift "Kosovo ist Serbien" in vielen Sprachen gestalten. Zusätzlich waren in den Waggons zahlreiche Bilder aus der serbischen Klosterkultur in Kosovo angebracht worden. Serbien und die meisten der der Kosovo-Serben erkennen die Unabhängigkeit Kosovos weiter nicht an. Die kosovarische Regierung bezeichnete die Aktion als provokativ und lehnte überhaupt die Wiederaufnahme der Zugverbindung ab, weil sich Serbien damit einmischen wolle.
Nach heftigen Protesten und Drohungen ließ der serbische Regierungschef Alexsandar Vucic den Zug kurz vor der Grenze stoppen. Zuvor hatte Präsident Thaci angeordnet, dass der Zug um jeden Preis angehalten werden solle, die Einfahrt ins Land verletzte die Verfassung. An der Grenze war Polizei aufmarschiert, angeblich waren auf den Gleisen Sprengfallen befestigt worden, was aber die kosovorarische Polizei bestreitet. Vucic erklärte, dank serbischer Weisheit seien Opfer und ein Konflikt vermieden worden. Serben hätten verlangt, dass der "ganz normale Zug" weitergefahren wäre. Man hätte dies auch machen können, aber dann wäre Blut geflossen.
Nach dem albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama müsse sich die Bevölkerung keine Sorgen "wegen Zügen und Flugzeugen" machen. Am Sonntag sagte er, Serben würden nur als Touristen ins Land gelassen. Serbien leide noch immer unter dem "Albtraum der Vergangenheit", erst wenn es den Kosovo als unabhängigen Staat anerkenne, werde es sich davon befreien.
Der kosovarische Ministerpräsident Isa Mustafa bedankte sich bei den USA und der EU für die Unterstützung gegen Serbien. Der US-Botschafter in Pristina hat der Regierung versichert, dass sie die Grenzen sichern könne. Der serbische Arbeitsminister Aleksandar Vulin warf daraufhin der Botschaft gestern vor, sie würde Ankündigungen von Gewalt legitimieren. An der Grenze seien Spezialeinheiten der Polizei stationiert worden, die einen Konflikt mit Serbien provozieren wollten, der zu Blutvergießen geführt hätte, wenn der serbische Regierungschef nicht so zurückhaltend reagiert hätte.
Am Sonntag hatte der serbische Präsident Tomislav Nikolic die Lage zugespitzt und gewarnt, dass jeder weitere von Pristina ausgehende Konflikt, "schlecht enden" werde. Sollten Serben ums Leben kommen, werde man die serbische Armee schicken, man werde aber niemals einen Konflikt provozieren. Man greife niemanden an, aber man habe die Pflicht, Serben auch im Kosovo zu schützen.
Er sieht wie andere Serben auch den Kosovo als abhängig von den USA und der Nato, der Kosovo sei nach internationalem Recht ein Teil Serbiens. Pristina habe nach den Anweisungen der scheidenden US-Regierung gehandelt, man müsse in den Gesprächen zwischen Belgrad und Pristina auf den Zug und auf die damit verbundene Bewegungsfreiheit eingehen, die ein wichtiges Thema der EU sei. Die Provokationen seien im Einverständnis mit dem Westen ausgeführt worden, um Serbien vor die Wahl zu stellen: "Entweder akzeptiert ihr alles, was wir fordern, oder ihr zieht in den Krieg." Er sei aber der Präsident, "der nicht alles akzeptiert, was sie verlangen". Der serbische Vorsitzende der Oppositionspartei DS Dragan Sutanovac kritisierte die kriegstreiberischen Äußerungen.