Konjunktur: Wirtschaft in Euro-Zone wächst, in Deutschland hinkt sie hinterher
Die Meinung der Ökonomen geht bei der konjunkturellen Entwicklung auseinander. Es gibt Anzeichen für einen Aufwärtstrend, aber auch für das Gegenteil. Was ein Pessimist befürchtet.
Wächst die deutsche Wirtschaft oder schrumpft sie – in dieser Frage gehen die Meinungen der Ökonomen auseinander. Führende Wirtschaftsinstitute hatten zuletzt ein leichtes Wachstum vorausgesagt, dem widerspricht nun das Handelsblatt Research Institute (HRI), das von einem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung ausgeht.
Die Bundesregierung zeigte sich am Mittwoch optimistisch, und ihren Optimismus unterfüttert sie mit aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Dieses teilte am Mittwoch mit, dass die deutsche Industrie wieder deutlich mehr Aufträge erhält. Demnach wurde im Februar ein Zuwachs von 4,8 Prozent im Vergleich zum Januar festgestellt. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) spricht bereits vom stärksten Anstieg seit anderthalb Jahren.
In diesen Zahlen machen sich vermutlich auch der Krieg in der Ukraine und die propagierte Aufrüstung der Bundeswehr bemerkbar. Die positive Entwicklung sei maßgeblich durch Großaufträge im sonstigen Fahrzeugbau beeinflusst, heißt es beim Statistischen Bundesamt. Saison- und kalenderbereinigt seien die Aufträge in diesem Sektor um 55,9 Prozent gewachsen. Zu ihm zählen der Bau von Schiffen, Schienenfahrzeugen, Flugzeugen sowie von Militärfahrzeugen.
Das Bundeswirtschaftsministerium erkennt darin bereits eine konjunkturelle Erholung. "Die Auftragseingänge befinden sich in vielen Branchen der deutschen Industrie weiter auf Erholungskurs", heißt es weiter in der Stellungnahme des Ministeriums.
Bankanalysten zeigten sich überrascht von der Entwicklung. Auch ohne die Großaufträge sei immer noch ein ordentliches Ergebnis zu verzeichnen gewesen, erklärte ein Analyst von der Landesbank Baden-Württemberg gegenüber dpa.
Positiv überrascht zeigte sich demnach auch ein Analyst der Commerzbank, über die weitere Entwicklung zeigte er sich allerdings skeptisch. Es sei noch zu früh, von einer Wende nach oben zu sprechen. Das gestiegene Auftragsvolumen "dürfte kaum der Beginn einer längerfristigen Belebung der Konjunktur sein".
Einen "echten Aufschwung" erwartet auch HRI-Präsident Bert Rürup nicht. Seiner Meinung nach wie die deutsche Wirtschaftsleistung am Ende des Jahres in etwa so hoch sein wie zum Ende des dritten Quartals 2022. Und "damit auf dem Niveau von vor dem Ausbruch der Coronapandemie Anfang 2020", schreibt Rürup in der aktuellen Ausgabe des Handelsblatts.
Für das kommende Jahr 2024 sieht das HRI nur eine leichte Erholung, lediglich um 0,9 Prozent dürfte die Wirtschaft demnach wachsen – und wäre damit Schlusslicht im Euro-Raum. Spaniens Wirtschaft dürfte demnach um zwei Prozent wachsen, Frankreichs um 1,4 Prozent und Italiens um ein Prozent. Für die gesamte Euro-Zone erwartet die EU-Kommission demnach ein Wachstum von 1,5 Prozent.
Den Grund dafür, dass Deutschland in der wirtschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt, sieht Rürup in den Folgen des Kriegs in der Ukraine und der antirussischen Sanktionen. Er schreibt:
Deutschland mit seinem hohen Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung leidet laut HRI besonders stark unter den Energiepreissteigerungen infolge des Ukrainekriegs und den Sanktionen gegen Russland. Alle Branchen sind von höheren Transport- und Herstellungskosten betroffen. Die Folge: Energieintensive Teile der Produktion sind unrentabel geworden und dürften ins Ausland verlagert werden.
Handelsblatt, 06.04.2023
Hinzu komme, dass die Inflation nur langsam zurückgehen werde, was zu einem Wohlstandsverlust der Deutschen führen werde. Trotz hoher Lohnforderungen der Gewerkschaften in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen könnten die Reallohnverluste der zurückliegenden drei Jahre kaum rasch ausgeglichen werden.
Durch sinkende Konsummöglichkeiten wirkt sich diese Entwicklung schließlich auch negativ auf die Entwicklung der Wirtschaft aus.
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