Konkurrenz der Systeme

Seite 4: Grafik, Sound, Video

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Mit Office verwandt sind die verschiedenen Multimedia-Applikationen. Malprogramme gibt es unter Linux wie Sand am Meer, und viele davon liefern, geschickt gehandhabt, sehr eindrucksvolle Ergebnisse, die sich meist in allen gängigen Ausgabeformaten speichern lassen. Für Vektorgrafik gibt es außerdem mittlerweile den W3-Standard SVG, der eine sehr gute Portierung dieser Dateien erlaubt, für Bitmap-Grafik etabliert sich mehr und mehr PNG als Standard. Das Photoshop-ähnliche Pixelgrafik-Programm GIMP ist eines der ältesten und mächtigsten Projekte, für Fotobearbeitung gibt es unter Linux kaum etwas Besseres - das Programm verfügt über zahlreiche Effektfilter und Plugins, Zeichen- und Ebenenfunktionen, unbegrenztes Undo, Transparenz-Unterstützung usw. usf. Weiterhin ist GIMP beliebig programmierbar. Kritik erntet allerdings die etwas unübersichtliche Oberfläche, die für Windows-Nutzer nicht leicht zu erlernen sein dürfte (PhotoShop hat natürlich auch seine Tücken). Wenn man bedenkt, dass PhotoShop, eines der wohl am meisten raubkopierten Programme, in der Vollversion ca. 1.100 Euro2 kostet, ist der kostenlose GIMP allerdings enorm beeindruckend.

KDE liefert mit KOffice das Vektormalprogramm Kontour, das mit Kommerzgrößen wie Corel Draw und Adobe Illustrator konkurriert, sich derzeit im Funktionsumfang aber noch vergleichsweise bescheiden ausnimmt. Ähnliches gilt für den GIMP-Mitbewerber Krayon. Beide Pakete haben noch eine lange Entwicklungsphase vor sich. Das GNOME-SVG-Zeichenprogramm Sodipodi, das vor allem mit Transparenz sehr gut umgehen kann, steckt ebenfalls in der Beta-Phase. Einen guten Überblick dieser und weiterer freier Zeichenprogramme hat das Magazin Linux User veröffentlicht. Auch Corel Draw 9 existiert mittlerweile in einer Linux-Version, und das Corel-Pixelmalprogramm Photo Paint kann man derzeit kostenlos downloaden.

Auch aus Sicht des typischen Users ungewöhnlichere Grafikprogramme wie Fraktalgeneratoren und Raytracer existieren natürlich in großer Zahl, bei letzteren ist besonders POV-Ray zu nennen, der eine Art Programmiersprache für 3D-Objekte verwendet. Die damit produzierten Ergebnisse sind teilweise äußerst beeindruckend, insbesondere, wenn man weiß, dass sie teils nur unter Verwendung mathematischer Formeln zustande kamen (mit in großer Zahl vorhandenen Modellern kann man die 3D-Objekte auch grafisch erstellen). Blender (Freeware) und OpenFX (Open Source) verdienen als integrierte Pakete ebenfalls Erwähnung. Mit solchen Programmen erzeugte 3D-Kunst kann man sich z.B. in der Internet Raytracing-Competition anschauen, die monatlich stattfindet: Viele der Siegerbilder wurden mit POV-Ray gerendert.

Was kommerzielle 3D-Software angeht, muss sich Linux nicht verstecken. Hollywood verwendet das OS zunehmend für die Berechnung komplexer 3D-Animationen, so wurde zum Beispiel die Dreamworks-3D-Komödie "Shrek" auf einem Cluster von über 1.000 Linux-Rechnern gerendert. Besonders High-End-3D-Tools wie Maya und Houdini existieren auf Drängen der Filmindustrie mittlerweile auch in Linux-Versionen. So konnte Salon im November 2001 titeln: Linux goes to the movies.

Ist die Soundkarte richtig eingerichtet, sollte man keine Probleme haben, sie mit Arbeit zu versorgen. Vom Winamp-ähnlichen MP3-Player mit schönen Grafikeffekten über den Soundtracker im Amiga-Stil bis hin zum Analog-Synthesizer fehlt fast nichts.

Anders sieht es im Video-Bereich aus. Gängige Dateiformate werden zwar problemlos wiedergegeben, und auch den Real Player für Internet-Videos gibt es in einer Linux-Version. Mit ein wenig Hackarbeit kann man dank mplayer sogar Windows-Codecs verwenden. Auch der zum Tauschen von kompletten Filmen über das Internet verwendete "DivX ;-)"-Codec (90 Minuten in VHS-Qualität = ca. 1 CD-ROM) wurde nach Linux portiert. Apple weigert sich dagegen standhaft, eine Linux-Version von QuickTime zu veröffentlichen - QuickTime-Filme kann man trotzdem mit CrossOver abspielen, das die entsprechenden Windows-Plugins verwendet.

Doch wegen des Kopierschutzes von DVDs gibt es "offiziell" keine legale Wiedergabemöglichkeit für DVDs unter Linux (vgl. Streit der Kulturen). Hier hat der DMCA bereits Wirkung gezeigt. Noch ist in Deutschland die Verwendung von xine mit dem dazugehörigen DeCSS-Plugin legal, doch aufgrund der entsprechenden EU- und WIPO-Richtlinien müssen schon bald auch hier entsprechende Gesetze verabschiedet werden. Praktische Auswirkungen auf die Verbreitung der entsprechenden Tools im Internet wird das wohl kaum haben, doch für den Linux-Nutzer ist es ein zusätzliches Hindernis beim Abspielen von DVDs, da Distributoren die Software nicht mitliefern dürfen. Dabei könnte Linux hier Windows leicht in Sachen Usability übertrumpfen.

Trotz solcher Rückschläge ist auch im Multimedia-Bereich das Problem unter Linux eher, die richtige Software zu finden. Kostenlose Programme gibt es mittlerweile für fast jeden Verwendungszweck.

Akademisches

Mit Ghemical kann man Moleküle modellieren.

Linux etabliert sich zunehmend klar als bevorzugte Entwicklungsplattform im universitären Bereich. Viele innovative Projekte werden zuerst oder ausschließlich unter Linux und für andere freie Betriebssysteme entwickelt. Andere verwenden die kostenlos nutzbare plattformunabhängige Sprache Java. Eine detaillierte Diskussion würde zu weit führen - der Freshmeat-Katalog enthält in der Rubrik Wissenschaft/Ingenieurwesen über 600 Programme und Bibliotheken, viele weitere existieren. Dazu gehören Datenvisualierungs-Systeme, Echtzeit-Datenerfassungs-Software, Wörterbücher, virtuelle Planetarien, Molekül-Modeller, Roboter-Simulationen, wissenschaftliche Taschenrechner, Wetterdaten-Software, Mikroskop-Fernsteuerungs-Software, DNA-Datenbanken, Kernzerfall-Simulatoren und unzählige Programme, deren Verwendungszweck sich nur Eingeweihten erschließt. Für Forschung und Lehre ist Linux damit nicht nur ausgezeichnet geeignet, sondern vielleicht schon bald unverzichtbar.

Servereinsatz - Heimspiel für Linux

Im Servereinsatz lässt Linux keine Wünsche offen. Das Betriebssystem verfügt über Sever- oder "Dämon"-Programme für praktisch jeden Zweck. Dazu gehören Nameserver, Webserver, Proxy-Server, Datenbank-Server3, Email-Server, IRC-Server, News-Server, FTP-Server usw. usf. Linux lässt sich natürlich auch im heterogenen Netzwerk als Router, Firewall, File- und Printserver verwenden, was vor allem dem Samba-Projekt zu verdanken ist. Besonders erwähenswert sind natürlich auch der Webserver und "Microsoft-Killer" Apache und dessen systemnaher Konkurrent Tux, der alle Performance-Rekorde bricht. Apache mangelt es allenfalls an den Sicherheitslücken des Microsoft IIS, sonst aber an so gut wie nichts. Er lässt sich perfekt mit verschiedenen Programmiersprachen und Servern kombinieren. Und obwohl Apache extrem komplex ist, ist es relativ leicht, einen funktionierenden Webserver einzurichten (bei SuSE wird ein sofort lauffähiger Apache bei der Installation auf Wunsch gleich mitinstalliert).

Im Bereich der Datenbank-Server machen seit einiger Zeit die freien Server MySQL und PostgreSQL den teuren Kommerzlösungen von IBM, Microsoft und Oracle Konkurrenz. MySQL gilt dabei eher als Mini-Datenbank für nichtprofessionelle Anwendungen, wobei immerhin die Slashdot-Website mit Millionen von Hits weitgehend problemlos damit funktioniert. PostgreSQL verfügt dagegen über die meisten Funktionen professioneller Datenbank-Server (wozu insbesondere die Transaktionsverwaltung gehört, die entscheidend ist, damit aus Abstürzen oder unvorhergesehenen Programmsituationen keine falschen Daten resultieren). Mit dem extrem teuren Oracle-Server können beide noch nicht mithalten (insbesondere, wenn es um das Clustering von Datebank-Servern für Großanwendungen geht), aber sowohl Oracle als auch IBMs DB2 existieren auch in kommerziellen Linux-Versionen. Auch wer keine Website betreibt, kann mit einem kleinen Datenbank-Server wie MySQL (der übrigens über eine exzellente Dokumentation verfügt) einiges anfangen, z.B. zur Verwaltung von MP3s. Dabei lernt man ganz nebenbei die Datenbank-Abfragesprache SQL, was für viele IT-Jobs eine Einstellungsvoraussetzung ist.

Zahlreiche weitere kommerzielle Server wurden nach Linux portiert, unter anderem die kaufmännischen Lösungen von SAP und der bereits erwähnte Domino-Server von IBM.