Korallenbleiche: Australien bangt wegen Klimawandel um Touristenmagnet

Nur 0,2 Prozent der Korallenriffe gelten laut einer britischen Studie als sicher vor dem Absterben durch den Klimawandel. Foto: Copyright © 2004 Richard Ling / CC-BY-SA-2.5

In den Weltmeeren hat sich die Zahl der Hitzetage zwischen 1982 und 2016 verdoppelt. Das sorgt bereits jetzt für das Absterben der Nesseltiere. Besonders betroffen ist das australische Great Barrier Reef

Das ist mal ein Wahlversprechen: Scott Morrison, der konservative Premierminister Australiens, will eine Milliarde Australische Dollar (rund 630 Millionen Euro) in den Schutz des Great Barrier Reefs investieren, sollte er im Mai wieder gewählt werden.

Das Korallenriff zählt zu den Hotspots der Artenvielfalt, über 600 verschiedenen Stein- und Weichkorallen wurden in dem Ökosystem, das sich 2.300 Kilometer vor der Ostküste Australiens entlang zieht, nachgewiesen. Jetzt ist die Bedrohung des wichtigen Touristenmagnets im australischen Wahlkampf angekommen: Am 21. Mai wählen die Australier ein neues Parlament.

Allerdings wird das versprochene Geld dem Great Barrier Reef nichts mehr nützen: Es ist dem Untergang geweiht. Nach einer Untersuchung von Schweizer Wissenschaftlern hat sich die Zahl der Hitzetage in den Weltmeeren zwischen 1982 und 2016 verdoppelt. Hitze ist aber Gift für die Korallen. Sind die Wassertemperaturen lange zu hoch, stoßen die koloniebildenden Nesseltiere jene Algen ab, von denen sie sich ernähren.

Als "Korallenbleiche" wird dieser Schutzmechanismus bezeichnet, weil es die Algen sind, die den Korallen ihre Farbenpracht verleihen. Allerdings bedeutet "Bleiche" nichts anderes als Tod: Ohne die Symbiose mit den photosynthetisch aktiven Algen sterben die Steinkorallen-Stöcke ab.

Wenn sie ein Erinnerungsvermögen hätten und kommunizieren könnten, würden uns Korallen von den Dinosauriern erzählen: Ihre Riffe gibt es seit mehr als 225 Millionen Jahren, die Dinosaurier starben erst am Ende der Kreidezeit aus, also vor etwa 65 Millionen Jahren. Perfekt haben sich Korallen, die Bewohner der Unterwasserwelten, an alle Veränderungen seitdem in der Erdgeschichte angepasst.

Machtlos ausgeliefert aber sind sie den Hitzewellen, die es als Folge des menschengemachten Treibhauseffekts auch in den Ozeanen immer häufiger gibt: Tage mit unnormal hoher Wassertemperatur. Deren Häufigkeit hat in den letzten hundert Jahren global um 34 Prozent zugenommen, ihre Dauer um 17 Prozent, wie britische Forscher jetzt ermittelten.

Erholung setzt größere Abstände zwischen Hitzewellen voraus

Ab einer Klimaerhitzung von global 1,5 Grad sind demnach nur 0,2 Prozent der Korallenriffe vor dem Absterben sicher. Denn nur wenn es größere Abstände zwischen den Hitzewellen gibt, könnten sich die Korallen wieder erholen.

Die Tauchgründe vor den Seychellen, die exotischen Riffe vor Sansibar oder die besonders artenreichen rund um Bali – solche tropischen Korallenriffe sind der Studie zu Folge bereits heute nicht mehr zu retten, sie werden vollständig absterben.

Um die Korallen zu schützen, wäre es demnach nötig, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auf deutlich weniger als die im Pariser Abkommen vereinbarten 1,5 Grad zu begrenzen. Wir sind aber global schon bei 1,1 Grad Erwärmung. Und haben durch die Kippelemente weitere drei bis vier Zehntel Temperaturanstieg ausgelöst.

Ein Team um Adele Dixon von der University of Leeds nutzte für ihre im Fachblatt nature erschienene Studie die neuesten Klimamodelle des Weltklimarats IPCC. Diese kombinierten sie mit hochauflösenden Satellitenmessungen, bei denen weltweit mit einer Genauigkeit von einem Kilometer die Oberflächentemperatur der Ozeane bestimmt wird.

"Thermische Refugien" gehen verloren

Das Hauptaugenmerk legten die Forscher auf sogenannte "thermische Refugien": Meeresgebiete, die trotz global steigender Temperaturen immer noch gute Bedingungen für Korallen bieten, beispielsweise weil kälteres Wasser aus der Tiefe nachströmt.

Im Durchschnitt dauert es nach einer maritimen Hitzewelle nämlich mindestens zehn Jahre, bis sich die Korallengemeinschaften wieder erholen, "thermische Refugien" sind Gebiete, in denen solche tödlichen Hitzewellen künftig seltener als einmal in zehn Jahren auftreten. Aktuell liegen 84 Prozent aller Korallenriffe in solch thermischen Refugien. Steigt globalen Temperaturen jedoch um durchschnittlich 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, liegen nur noch 0,2 Prozent der Korallenriffe in solchen Refugien.

Neu ist zwar die Arbeit der Wissenschaftler. Nicht aber die Erkenntnis: Der Weltklimarat IPCC erwartet, dass bereits bei einem Anstieg der globalen Temperatur um 1,5 Grad Celsius zwischen 70 bis 90 Prozent aller Korallenriffe verloren gehen, bei zwei Grad sogar 99 Prozent. Und das nicht erst im Jahr 2070. Machen wir so weiter wie derzeit, werden die 1,5 Grad mehr schon Mitte des Jahrhunderts erreicht.

Dramatisch ist die Lage der Weltmeere unter anderem deshalb, weil sie laut IPCC 93 Prozent der Wärmeenergie absorbiert haben, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt zusätzlich auf der Erde geblieben ist. Bis 2019, ermittelte ein Forscherteam um den Atmosphärenphysiker Lijing Cheng, haben die Ozeane die unvorstellbare Menge von 228 Zettajoule Energie aufgenommen.

Die Vorsilbe "Zetta" steht für eine 1 mit 21 Nullen. Um diese Energiemenge anschaulich zu machen, verglich das Team um Cheng diese Energiemenge mit jener der Hiroshima-Bombe: "Über die letzten 25 Jahre haben wir den Meeren die Wärme von 3,6 Milliarden Hiroshima-Atombomben zugeführt", so Cheng. Das entspricht etwa vier Hiroshima-Bomben pro Sekunde. Ein Vierteljahrhundert lang.

Ignoranz könnte Grund für sinkende Umfragewerte sein

Die Südhalbkugel erlebt derzeit einen neuerlichen Hitzesommer, Australien meldete zuletzt an der Westküste mit 50,7 Grad Celsius einen neuen Temperaturrekord. Beim Great Barrier Reef kündigt sich bereits die fünfte Bleiche in nur sieben Jahren an.

David Wachenfeld ist Chefwissenschaftler der Great Barrier Marine Park Authority, der australischen Zeitung The Age sagte er: "Zwei Drittel des Sommers haben wir hinter uns, es gibt eine ziemlich große Anhäufung von Hitzestress da draußen, die nächsten vier Wochen sind absolut kritisch." Aktuell seien die Wassertemperaturen im größten Teil des Riffs zwischen 0,5 und 1,5 Grad höher als normal. "Was das Riff jetzt braucht, sind weltweit strengere Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase".

Aber genau das will Premierminister Scott Morrison nicht: Die jetzt versprochene Milliarde soll investiert werden, um die Verschmutzung des Riffs durch Abwässer aus der Landwirtschaft zu mindern. Australien ist einer der größten Kohleförderer der Welt, Premierminister Morrison hat immer wieder klar gemacht, dass mit ihm Australien seinen Status als führender Kohleexporteur ausbauen wird.

Klimaschutz? Kommt bei Morrison nicht vor. Vielleicht ist er auch deshalb in den Umfragen klar hinter seinen Herausforderer Anthony Albanese von der Labor-Partei zurückgefallen.

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