Krieg auf dem Acker
Massiver Pestizideinsatz bei transgenen Nutzpflanzen bedroht die Artenvielfalt weltweit. Nutzpflanzen, Unkräuter wie auch Wildkräuter werden zunehmend resistent gegen Pflanzenschutzmittel
Eine "Dreiländer"-Studie untersucht die Auswirkungen von herbizidresistenten genmodifizierten Pflanzen auf die Umwelt. Analysiert wurden vor allem die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Das Ergebnis: Auf Äckern mit GVO-Pflanzen (GVO sind gentechnisch veränderte Organismen), die mit Pestiziden gespritzt werden, schwindet die Artenvielfalt.
Die vom Bundesamt für Naturschutz Deutschland (BfN), dem österreichischen Umweltbundesamt und dem schweizerische Bundesamt für Umwelt veröffentlichte Studie kritisiert den flächendeckenden Anbau herbizidresistenter Gen-Pflanzen. Dieser hat zur Folge, dass verstärkt Breitbandherbizide zum Einsatz kommen, die innerhalb eines immer größeren Zeitrahmens ausgebracht werden und damit nicht nur natürlich vorkommende Mikroorganismen schädigen.
Die Gifte, die in großen Mengen in die Böden gelangen, haben einen unaufhaltsamen Verlust an Biodiversität in Flora und Fauna zur Folge: Die artenreiche Ackerbegleitflora geht zurück. Das Verschwinden der Vielfalt an Gräsern und Kräutern beeinträchtigt die Lebensräume für Gliederfüßer, Bodenorganismen und viele Vogelarten.
Den Rückgang der Artenvielfalt in Gewässern bestätigt auch eine jüngere Studie des Umweltforschungszentrums (UFZ) Leipzig-Halle. Demzufolge ging sie auf stark kontaminierten Standorten in Europa um 42 Prozent, in Australien um 27 Prozent zurück. Betroffen sind vor allem Wirbellose wie Libellen und einige Fliegenarten. Besonders alarmierend ist, dass die Gifte bereits in kleinsten Konzentrationen wirksam sind, die laut Gesetz als unbedenklich gelten.
Folgeschäden der Gentechnik in Südamerika
Insbesondere die Bauern in Südamerika ließen sich von den Versprechungen der Agroindustrie, Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter effektiv kontrollieren zu können, dazu verleiten, transgene Nutzpflanzen anzubauen und immer mehr Pestizide auszubringen. Was die Gentechnik kombiniert mit massivem Herbizid-Einsatz Beispiel in Brasilien anrichtet, erklärt der Agrarexperte Antonio Andriôli. In dem Land mit dem höchsten Pestizidverbrauch der Welt seien die Ernteerträge gesunken, die Produktionskosten hingegen gestiegen. Im Land würden derzeit 18 Bt-Mais-, fünf Sojasorten und elf Bt-Baumwollsorten kultiviert.
Die Unkräuter, die eigentlich bekämpft werden sollen, werden gegenüber den Herbiziden resistent, oft sogar gegenüber mehreren Chemikalien. Glaubt man einer Untersuchung des UFZ aus dem Jahr 2005 geht der Trend bereits seit Jahren zu multiplen Resistenzen gegenüber Herbiziden. So verkraften einige Kräuter die bis zu 19fache Dosis einer normalen Herbizidanwendung.
In Argentinien und Brasilien, wo fast nur noch transgene Pflanzen angebaut werden, gibt es immer mehr Glyphosat resistente Unkräuter wie das Kanadische Berufkraut, das Johnson-Gras oder die Bechertragende Wolfsmilch. Auch in Europa entwickeln sich Resistenzen bei Wildkräutern.
In Spanien zum Beispiel breiten sich trotz Spritzungen das Kanadische, behaarte und Sumatra-Berufkraut sowie das Weidelgras ungehindert auf den Äckern aus. In Australien verträgt das Weidelgras nach 15 bis 20 Jahren Glyphosat-Anwendungen inzwischen die zehnfache Dosis. Ähnlich verläuft die Entwicklung in Chile und in Malaysia, wo seit zehn Jahren mehrmals im Jahr Glyphosat gespritzt wird.
Zunehmende Mehrfachresistenzen - gigantische Mengen an Unkrautvernichter
Transgene Nutzpflanzen wie Soja, Mais, Baumwolle und Raps sind in der Regel gegen Herbizide und Insektizide resistent. Meist sind sie mehrfach gentechnisch verändert. So ist der kürzlich in der EU zugelassene Mais SmartStax nicht nur gegen zwei Herbizide resistent, er produziert auch sechs Insektengifte. (vgl. Unser täglich Gift gib uns heute) Inzwischen wurde der Mais mit einer weiteren Pflanze (DAS 40278-9) kombiniert, die gegen zwei Herbizide resistent ist.
Laut einer aktuellen Bestandsaufnahme der Grünen zur Gentechnik produziert das neue Produkt SmartStax + sechs Insektengifte und ist resistent gegenüber vier Herbiziden. Ein anderes Gen-Konstrukt von Syngenta wurde aus sechs gentechnisch veränderten Pflanzen entwickelt. Es ist resistent gegen Glyphosat und Glufosinat und produziert vier Insektizide, eines davon ist synthetisch hergestellt. Zu zwei der eingebauten Toxine gab es bisher kaum Risikountersuchungen. Dem entsprechend hoch sind die Risiken für Umwelt und Gesundheit. Syngenta kümmert das wenig. Die Super-Pflanze ist bereits zur Zulassung angemeldet.
Wie schnell sich Mehrfachresistenzen unter Gen-Pflanzen ausbreiten, zeigt eine Beobachtung im Jahr 1997 in Kanada, wo auf drei benachbarten Flächen drei herbizidresistente Rapssorten angebaut worden waren: eine war resistent gegen Glufosinat, eine andere gegen Glyphosat. Die dritte - nichttransgene - Sorte gegen ein Imidazolinon. Im Jahr darauf wuchs auf dem mit glufosinatresistentem Raps bestellte Acker Raps durch, dem Glyphosat nichts mehr anhaben konnte. Festgestellt wurden Zwei- bis Dreifachresistenzen - gegen Glyphosat, Glufosinat sowie Imazethapyr (Imidazolinon). Glufosinat wird seit rund 30 Jahren als Breitbandherbizid im Ackerbau eingesetzt.
Mit dem Anbau resistenter Gen-Pflanzen steigen die ausgebrachten Herbizidmengen stetig an. Folgerichtig fand man kürzlich die ersten gegen Glufosinat resistenten Unkräuter: Klettenlabkraut in Malaysia und Welsches Weidelgras in Oregon. Doch Glyphosat und Glufosinat sind nicht die einzigen Gifte, hinzu kommen zahllose weitere Chemikalien. Welche gigantischen Mengen an Giften die Böden schlucken müssen, damit das Unkraut dennoch vernichtet wird, lässt sich nur erahnen.
Resistenzen gegen Bt-Toxine
Auch Insekten, die permanent in Kontakt mit Insektiziden kommen, bilden früher oder später Resistenzen aus. So produziert das Bodenbakterium Bacillus thuringiensis, das in die Gen-Pflanzen eingebaut wird, einige hundert Gifte - so genannte Bt-Toxine, von denen jedes über einen speziellen Wirkmechanismus verfügt. Die DNA dieser Giftstoffe wird vor ihrem Einbau in die Pflanzen erheblich verändert. Eigentlich müsste jedes Bt-Toxin auf seine Giftigkeit gegenüber Mensch und Umwelt untersucht werden. In der Praxis passiert das nicht.
Seit 2005 wird in den USA Bt-Mais angebaut, der das Toxin Cry3Bb1 gegen den Maiswurzelbohrer freisetzt. Sechs Jahre später mehrten sich die Anzeichen dafür, dass resistente Wurzelbohrerlarven in Iowa, die im Maisanbau hohe Schäden verursachen, dreimal mehr Bt-Gift vertragen als vorher. Ein anderes Beispiel ist der Baumwollkapselbohrer im Südosten der USA, der bereits vor Jahren gegen die Toxine Cry1Ac und Cry2Ab resistent geworden ist. Resistenzen gegen Bt-Pflanzen treten auch in Puerto Rico, Australien und China auf.
Wissenschaftler an der University of Arizona fanden nach Auswertung etlicher Studien heraus, dass auch in Nordamerika, Indien und Südafrika bereits über die Hälfte der Insektenvölker resistent gegen Bt-Toxine sind.
Kaum untersucht ist, wie sich die Gifte auf Käfer, Nacktflügler oder Schmetterlinge auswirken. Die wenigen Studien allerdings belegen negative Auswirkungen auf einige Schmetterlingsarten, Regenwürmer und zahlreiche Insektenarten. So untersuchte die Biologin Martha Mertens Umweltauswirkungen transgener Nutzpflanzen. Ergebnis: Die unspezifischen Auswirkungen von Bt-Toxinen schädigen eine Reihe von Insekten wie Monarch und Schwalbenschwanz.
Auch die Florfliege kann indirekt Schaden nehmen, indem sie ein Insekt vertilgt, das sich vorher an einer Bt-Pflanze gütlich tat. Bt-Toxine werden über die Wurzeln an den Boden abgegeben, die Bindung an Bodenpartikel verlangsamt ihren Abbau. Das wiederum stabilisiert ihre Toxizität im Boden über Monate (BfN-Skript 217)
Unzureichende Tests von GVO-Pflanzen
Gen-Pflanzen werden in der Regel mit besonderen Eigenschaften wie Krankheits- und Stressresistenz, Salz-, Kälte und Hitzetoleranz, Wachstumseigenschaften und Sekundärstoffwechsel ausgestattet, manche produzieren sogar neue Inhaltsstoffe und Pharmazeutika. 2006 nahm ein auf Ökotoxikologie spezialisiertes Forscherteam die gängigen Testmethoden unter die Lupe, die im Rahmen von Zulassungsverfahren von GVO-Pflanzen angewendet werden (BfN-Skript 236).
Es wird bezweifelt, dass die Tests - ursprünglich für die Chemikalienprüfung entwickelt und standardisiert - ausreichen, um die Auswirkungen eines genveränderten Organismus auf die Umwelt umfassend zu überprüfen. In der Praxis würden bisher meist nur die mikrobiell hergestellten, gereinigten transgenen Produkte getestet. In einer Risikoprüfung sollte jedoch der gesamte gentechnisch veränderte Organismus untersucht werden.
Gentechnik außer Kontrolle?
Die Wechselwirkungen und Einwirkungen von GVO-Pflanzen auf Umwelt und Menschen sind derart komplex, dass sie kaum zu kontrollieren sind. So untersuchten Wissenschaftler ausgehend von den 795 Boden-Dauerbeobachtungsflächen (BDF) in Deutschland, inwiefern sich dieses System für Monitoring-Programm zur Überwachung der Umweltwirkungen von GVO nutzen lässt.
Ergebnis: Die Methode sei nur eingeschränkt nutzbar, weil sich die BDF eher auf physikalische und chemische Messgrößen konzentriert und nur wenige bodenbiologische Daten enthält. Diese aber seien nötig, um die Umwelteffekte von GVO-Pflanze zu analysieren. Beobachtet werde u. a. der Pollenflug beim Anbau von MON810 (BfN-Skript 369)
Mein Fazit: Unwägbarkeiten, Risiken und ungesunde Begleiterscheinungen stehen auf der einen Seite der Wunderwaffe Gentechnik, ein fraglicher Nutzen für Wenige auf der anderen. In der Summe gibt es keinen vernünftigen Grund, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen, viele Gründe hingegen, den Anbau transgener Pflanzen zu unterlassen und ihre Zulassung zu verhindern (Infos zur Gentechnik).