Kriminalstatistik 2023: Experte warnt vor voreiligen Schlüssen

Handschellen von Cover der Statistik

Titelbild der PKS 2023.

Anstieg der Kriminalität in vielen Bereichen. Politische Debatte über notwendige Konsequenzen. Was die Statistik aussagt – und was nicht.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2023 hat zu Beginn der Woche für Furore gesorgt: Nach der Datenerhebung haben Delikte vordergründig bei Jugendlichen und Ausländern zugenommen. Die Erkenntnisse sorgten für ein politisches Erdbeben in der Bundes- und Landespolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte am Dienstagabend die These auf, die Integration und Aufnahmefähigkeit Deutschlands sei offenbar an eine Grenze gekommen.

Laut der neuen PKS hat Deutschland im vergangenen Jahr einen Anstieg der Zahl ausländischer Tatverdächtiger um 13,5 Prozent verzeichnet. Dieser Wert berücksichtigt nicht Delikte, die ausschließlich von Personen ohne deutschen Pass begangen werden können, wie Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht.

Im Vergleich dazu stieg die Zahl der deutschen Tatverdächtigen laut Kriminalstatistik des Bundesinnenministeriums nur um ein Prozent.

Die Statistik wurde am Dienstag von Faeser und dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, vorgestellt. André Schulz, Kriminalwissenschaftler an der Northern Business School (NBS), warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen und Missinterpretationen der Daten.

Die Aussagekraft der Kriminalstatistik

Laut Schulz wird die Aussagekraft der PKS regelmäßig überbewertet. Er betont, dass die Statistik lediglich einen Arbeitsnachweis der Polizei darstellt und nichts über die Qualität der Kriminalität aussagt. Zudem weist er auf zahlreiche Verzerrungsfaktoren hin, die die Aussagekraft der Statistik beeinflussen.

So kann die PKS nicht aufzeigen, ob jemand tatsächlich schuldhaft eine Tat begangen hat, noch ob das Verfahren später eingestellt wurde oder die Person nachweislich unschuldig war.

Ist Deutschland unsicherer geworden?

Ob Deutschland unsicherer geworden ist, sei nicht seriös zu beantworten, so Schulz. Die Kriminalstatistik sei kein getreues Spiegelbild der Kriminalitätswirklichkeit, sondern lediglich eine Annäherung an die Realität. Die Zahlen der PKS müssten immer im Kontext bewertet und von Experten interpretiert werden.

Zudem weist er darauf hin, dass die PKS nur das Hellfeld erfasst, also jene Straftaten, die entweder bei der Polizei angezeigt wurden oder der Polizei durch eigene Ermittlungen bekannt geworden sind. Das Dunkelfeld, also die Straftaten, die der Polizei nicht bekannt geworden sind, bleibt unberücksichtigt.

Zunahme der Tatverdächtigen unter Kindern und Jugendlichen

Die Statistik zeigt eine Zunahme der Tatverdächtigen unter Kindern und Jugendlichen. Schulz erklärt jedoch, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in ihrer Kindheit oder Jugendzeit zumindest einmal strafrechtlich auffällig wird, ohne dass dies langfristige Auswirkungen hat.

Er betont, dass kriminelles Verhalten im Altersverlauf normal ist und die meisten Menschen derartige Verhaltensweisen spätestens mit dem Übergang in das Erwachsenenalter aufgeben.

Anstieg bei den Gewaltdelikten und Messerangriffen

Die PKS verzeichnet für das vergangene Jahr einen deutlichen Anstieg bei den Gewaltdelikten. Auch die Fälle der registrierten Messerangriffe sind 2023 wieder gestiegen. Schulz warnt jedoch davor, diese Zahlen ohne Kontext zu interpretieren.

Der Kriminalist betonte zudem, es gebe keine empirischen Nachweise für eine Verrohung der Gesellschaft oder eine Zunahme der Brutalität. Die Zunahme der Taten bei der Gewaltkriminalität könne aus einer gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilisierung und entsprechend mehr Anzeigen resultieren.

Zunahme der nichtdeutschen Tatverdächtigen

Die PKS 2023 zeigt einen Anstieg der nichtdeutschen Tatverdächtigen um 17,8 Prozent. Schulz weist jedoch darauf hin, dass bestimmte Straftaten, wie die unerlaubte Einreise oder Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz, nur von Ausländern begangen werden können.

Werden diese herausgerechnet, beträgt der Anstieg immer noch 13,5 Prozent. Schulz betont jedoch, dass Herkunft, Ethnie oder Religion nichts damit zu tun haben, ob ein Mensch kriminell wird oder nicht. Die getrennte Erfassung von deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen sei "sinnlos und unheilvoll", da sie nur "Rassismus und Ausländerfeindlichkeit" bediene.

Telepolis hat die zentralen Erkenntnisse der Studie für Sie zusammengefasst: