Krise im Wohnungsbau: Weniger Wohnungen, steigender Bedarf, enorme Kosten
Unternehmen stoppen Neubauprojekte. Grund: Baukosten würden Kaltmieten auf unbezahlbares Niveau steigen lassen. Politik reagiert mit Unverständnis und populistischen Forderungen.
Die Lage der deutschen Bauwirtschaft wird immer krisenhafter. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) warnte am Mittwoch: Die Baukonjunktur werde zunehmend besorgniserregend. Grund dafür seien die Preise für Baumaterialien, die im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen seien.
Der ZDB berief sich dabei auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die ebenfalls am Mittwoch vorgelegt wurden. Danach war Stahl um bis zu 40 Prozent teurer als im Vorjahr. Flachglas verteuerte sich im Jahresdurchschnitt sogar um 49,3 Prozent gegenüber 2021. Preistreiber waren hauptsächlich die gestiegenen Energiepreise.
Für den Wohnungsbau in deutschen Städten und Gemeinden wird dies zunehmend zum Problem. Die Unternehmen müssten die immensen Preissteigerungen an die Bauherren weitergeben, heißt es beim ZDB, was das Bauen verteuere.
Im Jahresdurchschnitt 2022 stiegen die Preise für den Neubau von Wohngebäuden demnach um 16,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das sei der höchste Preisanstieg seit Beginn der Erhebung im Jahr 1958.
Dies bleibt nicht ohne Folgen für den Wohnungsbau: Die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohn- und Nichtwohngebäude sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,7 Prozent auf rund 322.000. Für das laufende Jahr rechnet der Verband mit einem weiteren Rückgang.
Deutlich wird dies bei den großen Immobilienkonzernen. Das Handelsblatt berichtete am Mittwoch, dass Deutschlands größter Vermieter Vonovia alle bis 2023 geplanten Neubauprojekte stoppt. Auch LEG Immobilien hatte zuvor einen Neubaustopp angekündigt.
Begründet wurde der Stopp primär mit gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten. "Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, müssten wir jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5.000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen", wird Vonovia-Vorstand Daniel Riedl zitiert.
Solche Mieten könne man vielleicht in den Zentren von München oder Frankfurt verlangen, so Riedl weiter, aber in weiten Teilen Deutschlands seien solche Mieten "völlig unrealistisch".
Auch in Berlin hat Vonovia den Baubeginn einiger Projekte verschoben. Betroffen sei der Bau von rund 1.500 Wohnungen, berichtete die Berliner Zeitung am Mittwoch. Man wolle warten, bis sich die Rahmenbedingungen wieder verbessert hätten. Bis dahin wolle man die Projekte aber weiterentwickeln und möglichst zur Baureife bringen.
In der Politik stößt die Entscheidung der Immobilienkonzerne auf Unverständnis. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium Cansel Kiziltepe (SPD) erhob gegenüber dem Handelsblatt die populistische Forderung: "Vonovia sollte Dividendenzahlungen einstellen und das Geld zur Absicherung des Neubaus verwenden". Das Unternehmen könne sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen.
Janine Wissler, Co-Chefin der Partei Die Linke, erklärte gegenüber der Berliner Zeitung: Wer Bauland brach liegen lasse, weil die erwartete Rendite zu niedrig sei, könne kein verlässlicher Partner für die Wohnungspolitik sein. Durch Aufkäufe, Luxussanierungen und Mieterhöhungen vernichten die privaten Immobilienkonzerne bezahlbaren Wohnraum, statt ihn zu schaffen.
Die Bauwirtschaft fordert dagegen von der Politik bessere Rahmenbedingungen. Bauen in Deutschland müsse einfacher werden, betonte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Sein Forderungskatalog ist lang.
Was davon umgesetzt wird, ist noch unklar. Mit populistischen Forderungen dürfte das Problem aber nicht zu lösen sein. Anfang der Woche hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) angekündigt, dass das Ziel von 400.000 neu gebauten Wohnungen auch in diesem Jahr nicht erreicht werde.
Der Bedarf ist allerdings höher: "Eigentlich brauchen wir wahrscheinlich sogar 500.000 bis 600.000 Wohnungen im Jahr, weil die Flüchtlinge aus der Ukraine hinzugekommen sind", sagte Geywitz der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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