Krise in Bolivien: Putsch gescheitert
Putsch-General verhaftet. Armee auf Seite der Regierung. Kommandos der Teilstreitkräfte neu besetzt. Land verfügt über massiven Lithiumschatz.
Ein Putschversuch in Bolivien ist nach kurzer Zeit niedergeschlagen worden. Präsident Luis Arce rief die Bevölkerung am Mittwoch auf, "sich zu organisieren und zu protestieren", um die Demokratie zu verteidigen. Zuvor hatten Soldaten mit gepanzerten Militärfahrzeugen den Präsidentenpalast in La Paz angegriffen.
Der Vorfall weckte nicht nur in Bolivien, sondern in ganz Lateinamerika Ängste vor einer Rückkehr der Staatsstreiche. Der Angriff auf einen Präsidentenpalast erinnert viele an den von den USA unterstützten blutigen Putsch in Chile 1973 und die darauffolgende Diktatur, die zu den brutalsten Gewaltherrschaften Lateinamerikas zählt.
In Bolivien gab es seit Beginn der republikanischen Geschichte im Jahr 1828 mindestens 17 Staatsstreiche, zuletzt gegen Präsident Evo Morales, der der gleichen Partei wie der amtierende Präsident angehört.
In seiner Ansprache aus der Präsidentenresidenz Casa Grande wandte sich Arce am Mittwoch an die Bevölkerung. Man dürfe nicht zulassen, dass Putschversuche erneut das Leben der Bolivianer gefährdeten, sagte er.
In den sozialen Netzwerken kursierten unterdessen Bilder von Soldaten auf der Plaza Murillo, dem Sitz der nationalen Exekutive und Legislative. Gepanzerte Fahrzeuge rammten die Tore des Regierungspalastes.
Boliviens Ex-Präsident Evo Morales sprach auf X von einem bevorstehenden Staatsstreich. Sowohl Morales als auch Arce gehören der bolivianischen Partei Movimiento al Socialismo (MAS) an, sind aber zerstritten, was zur politischen Krise des Landes beigetragen hat.
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Der bolivianische Verteidigungsminister Edmundo Novillo versicherte auf einer Pressekonferenz, dass die Regierung nun die "absolute Kontrolle" über die Streitkräfte habe. Eine Untersuchung des "bedauerlichen und beschämenden Vorfalls" sei angeordnet worden. Novillo forderte die Bevölkerung auf, zur Normalität zurückzukehren und ihre Aktivitäten "mit vollem Vertrauen und Garantien" fortzusetzen.
An der Spitze der Militärs, die Casa Grande erreichten, stand Juan José Zúñiga, der am Vortag entlassene Ex-Chef des Heeres. Zúñiga musste nach der Niederschlagung des Putschversuchs mit Gewalt in ein Polizeifahrzeug gebracht werden, berichten lokale Medien.
Die politischen Hinrergründe
Vor seiner Festnahme hatte er erklärt, das Militär wolle die Zukunft der Kinder und das Wohlergehen des Volkes schützen und "alle politischen Gefangenen" freilassen, darunter auch die ehemalige Präsidentin Jeanine Añez.
Añez befindet sich aufgrund von Anschuldigungen im Kontext ihres Amtsantrittes 2019 in Haft. Nach dem Rücktritt des damaligen Präsidenten Evo Morales übernahm die rechtsgerichtete Politikerin ohne demokratische Legitimation das Präsidentenamt, was von ihren Gegnern als Staatsstreich bezeichnet wurde. Ihr Fall ist Gegenstand heftiger politischer Kontroversen in Bolivien.
Armee stellt sich hinter Regierung
Die Lage beruhigte sich am Mittwoch, als der neue Armeechef, General José Sánchez, den Soldaten befahl, zu ihren Einheiten zurückzukehren. Auch für die Marine und die Luftwaffe ernannte die Regierung neue Chefs. Der US-Nachrichtensender CNN mutmaßte deshalb, es könne sich bei dem Putsch um einen inszenierten Akt handeln, um die Armee zu säubern.
Innenminister Eduardo del Castillo erklärte, neben Zúñiga und Vizeadmiral Juan Arnez Salvador werde gegen mehrere Personen ermittelt, die den Putsch geplant hätten. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Strafverfahren gegen Zúñiga ein und kündigte Ermittlungen gegen alle anderen Beteiligten an.
Politische Spannungen in Bolivien
Der Putschversuch muss im Kontext politischer Spannungen gesehen werden. Morales will 2025 als Gegenkandidat zu Arce antreten. Nach den umstrittenen Wahlen 2019 war Morales zurückgetreten, offenbar unter Zwang.
Internationale und regionale Führer, darunter die Präsidenten von Paraguay, Santiago Peña, und Mexiko, sowie die Europäische Union verurteilten den Putschversuch. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, betonte, das Militär müsse sich der legitim gewählten zivilen Macht unterordnen.
Massive Lithiumvorkommen
Bolivien spielt eine zentrale Rolle im globalen Lithiumhandel aufgrund seiner riesigen Lithiumreserven, die sich vor allem im Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt, befinden.
Das Land verfügt über schätzungsweise 21 Millionen Tonnen Lithium, was etwa ein Viertel der weltweiten Reserven ausmacht. Diese Ressource ist von entscheidender Bedeutung für die IT-Branche, da Lithium ein wesentlicher Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien ist, die in einer Vielzahl von Technologien verwendet werden, darunter Smartphones, Laptops und Elektrofahrzeuge.
Boliviens strategische Position könnte das Land zu einem Schlüsselakteur in der globalen Wertschöpfungskette für Batterien machen, was wiederum die IT-Industrie beeinflusst.
Die bolivianische Regierung strebt eine stärkere Kontrolle und Wertschöpfung im eigenen Land an, was Herausforderungen und Chancen für internationale Investoren und Technologieunternehmen mit sich bringt. Die Entwicklung nachhaltiger Abbaumethoden ist ebenfalls ein zentrales Anliegen, um ökologische und soziale Auswirkungen zu minimieren.