Kritik an Haushaltsentwurf: Neuverschuldung deutlich höher als angegeben
Finanzminister stellt Entwurf für den Etat 2024. Lindner will Schuldenbremse einhalten, aber die Neuverschuldung ist deutlich höher als ausgewiesen. Das sind die Hintergründe.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat am Dienstag den Entwurf für den Haushalt 2024 in den Bundestag eingebracht. Und es war nicht anders zu erwarten: Es hagelte Kritik. Die Ministerien sollen sparen, der Sozialstaat wird geschliffen - nur um die Schuldenbremse einzuhalten.
Offiziell sollen im kommenden Jahr nur rund 16,6 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden. Das wären rund 30 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Doch diese Zahlen täuschen über das Wesentliche hinweg: Der Bund hat einen Großteil der Schulden in sogenannte Sondervermögen ausgelagert.
Der Bundesrechnungshof hat dieses Vorgehen der Bundesregierung mit deutlichen Worten kritisiert. So gibt es derzeit allein beim Bund 29 Sondervermögen. Die ältesten stammen noch aus den 1950er-Jahren, die jüngsten wurden erst im vergangenen Jahr gegründet.
Zu letzteren gehört etwa das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr. Auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Abfederung der Energiekrise gehört dazu. Er umfasst rund 200 Milliarden Euro.
Sondervermögen haben in der Haushaltswirtschaft des Bundes eine erhebliche Bedeutung. Ihr finanzieller Umfang beträgt insgesamt rund 869 Mrd. Euro – alleine für die aktuell bestehenden größeren Sondervermögen.
Bundesrechnungshof
Nur etwa ein Zehntel der großen Sondervermögen sind laut Bundesrechnungshof werthaltig. Der weitaus größte Teil sei kreditfinanziert. Ende 2022 werde der Schuldenstand der Sondervermögen bei rund 522 Milliarden Euro liegen. "Das ist das rund Fünffache der im Finanzplanungszeitraum 2023 bis 2027 ausgewiesenen Kreditaufnahme."
Im diesjährigen Bundeshaushalt würden 45,6 Milliarden Euro neue Schulden ausgewiesen. Einschließlich der Sondervermögen habe der Bund 192,8 Milliarden Euro an neuen Krediten aufgenommen.
Der frühere Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), der nun Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bundestages ist, griff dies in der aktuellen Debatte auf. Es seien einfach zu viele neue Schulden, sagte er im Deutschlandfunk. "Christian Lindner sagt immer die richtigen Worte zur Schuldenbremse, aber lebt sie nicht", so Braun.
Ähnlich argumentierte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. In den "Schattenhaushalten" seien weitere Schulden und milliardenschwere Ausgabenprogramme versteckt. "Statt immer neue Subventionen zu beschließen, muss die Ampel ein umfangreiches Aktionsprogramm bieten, das solide Perspektiven für den Staatshaushalt sowie Betriebe und Bürger aufzeigt", sagte er. Es sei der falsche Weg, immer neue Wege zu suchen, um die Schuldenbremse zu umgehen.
Der Bund will im kommenden Jahr 445,7 Milliarden Euro ausgeben, was knapp 30 Milliarden Euro weniger sind als in diesem Jahr. Mit rund 40 Milliarden Euro entfällt fast ein Zehntel des Budgets auf den Schuldendienst.
Alle Ministerien sind gezwungen, zu sparen – bis auf das Verteidigungsministerium. Das Ziel der Nato, dass jedes Land zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Rüstung ausgeben soll, muss nach Ansicht des Finanzministers weiterhin angestrebt werden. Auch üppige Hilfen für die Ukraine sind fest im Haushalt eingeplant, hatte Lindner nach seinem Besuch in Kiew betont.
Gespart wird dagegen etwa im Bereich des Sozialen. Der Sozialverband Arbeiterwohlfahrt (AWO) verlangt nach Angaben von tagesschau.de, dass der Haushaltsentwurf grundlegend geändert werden müsse. Anderenfalls werde es im Sozialstaat wortwörtlich "zappenduster", so AWO-Präsident Michael Groß.
Das Deutsche Kinderhilfswerk äußerte sich ähnlich. Die Einsparungen beim Familienministerium würden "zu harten Einschnitten vor allem in der Kinder- und Jugendhilfe führen", so Verbandspräsident Thomas Krüger laut tagesschau.de.