Künstliche Intelligenz nimmt Steuersünder ins Visier

Zwei Figuren im Kampf mit Künstlicher Intelligenz gegen Steuersünder

(Bild: Alexa, Pixabay)

Behörden nutzen KI, um Steuersünder aufzuspüren. Überwachung sozialer Medien, Analyse von Hochzeitsfotos. Wird Griechenland zum Vorbild für Deutschland?

Die griechischen Steuerfahnder setzen auf KI-Techniken, um die Steuerhinterziehung im Land in den Griff zu bekommen. Am 19. Dezember 2023 nutzte Giorgos Pitsilis, Chef der griechischen Unabhängigen Behörde für öffentliche Einnahmen (kurz: AADE), das Podium der 5. Steuerrechtstagung, um die Bedeutung von künstlicher Intelligenz hervorzuheben.

Pitsilis’ Vision: KI im Einsatz der Steuerfahnder

Sie sei wichtig für die Steuerfahndung, also für die Aufdeckung "falscher oder unvollständiger Steuererklärungen", so Pitsilis. Und nur wenige Tage später wurde ein solcher Fall bekannt. Eine komplette Hochzeitsgesellschaft, vom Blumenlieferanten über den "Wedding Planner" bis zum Brautpaar, wurde mittels KI der Steuerhinterziehung überführt.

KI kontrolliert Online-Verkäufe und Werbeaktionen. Sie überprüft das Kaufverhalten, Reisen, Immobilien und den Lebensstil der Steuerzahler, indem sie auch die sozialen Medien scannt. Durch die automatisierte Kontrolle von Vermögenswerten, Kapitalverwendung, Einzahlungen und Steuererklärungen kann eine mögliche Steuerhinterziehung in kürzester Zeit aufgedeckt werden.

Die Implementierung von KI in die Software der Steuerfahnder wurde mit 100 Millionen Euro aus dem EU-Fonds für regionale Entwicklung finanziert. Pitsilis betonte, dass die AADE "durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Lage sein wird, steuerpflichtiges Material aufzudecken".

Data-Mining: Kern der KI-Strategie

Diese KI basiert auf Data-Mining. Durch eine umfassende Analyse von Datensätzen aus Banktransaktionen, digitalen öffentlichen Plattformen sowie sozialen Medien wird ein Profil aller steuerpflichtigen Personen erstellt. Alle Geldtransfers und insbesondere Kreditkartenzahlungen an steuerlich nicht korrekt registrierte Verkäufer können das Fahndungssystem in Gang setzen. Auch Finanzaktivitäten über Plattformen der sogenannten Sharing Economy werden durchleuchtet.

Ziel der KI ist es, Diskrepanzen im Einkommen oder Lebensstil von Bürgern sowie ein Missverhältnis zwischen Einnahmequellen und Ausgabeverhalten von Unternehmen rechtssicher zu dokumentieren. Durch die fortschreitende Digitalisierung ist dies buchstäblich für alle Steuerpflichtigen in einem bisher nicht gekannten Umfang möglich. Eine entsprechende Ausschreibung für KI war bereits im März Thema in der Fachpresse für Steuerberater.

Soziale Medien: Ein Fenster für Steuerfahnder

Hochzeiten von Prominenten oder wohlhabenden Personen sind eine wahre Fundgrube für die KI der AADE. Denn es gilt als sicher, dass Bilder von einem solchen Ereignis in den sozialen Medien oder in Publikationen der Klatschpresse veröffentlicht werden.

Ein solches Beispiel wurde vor wenigen Tagen, am 24. Januar, bekannt. "Wir überwachen alles in den sozialen Medien, wir haben spezielle digitale Werkzeuge", kommentierte Pitsilis, der der Öffentlichkeit das Paradebeispiel für die Effizienz seiner neuen Arbeitsinstrumente präsentierte.

Er fügte hinzu: "[…] mein allgemeiner Kommentar ist, dass die Fotos in den sozialen Medien, Fotos von Luxus, nicht mit dem Steuerimage, mit sehr niedrigen deklarierten Einkommen oder großen deklarierten Verlusten übereinstimmen".

Ein Paradebeispiel: Die Hochzeit von Lemonidis und Elechi

Kurz darauf enthüllte die Presse die Namen des Brautpaares und anderer Beteiligter. Am 9. Dezember heiratete der Arzt Nektarios Lemonidis die Influencerin und Reality-TV-Darstellerin Elisabeth Elechi. Das Paar hatte sich nach eigenen Angaben einige Monate zuvor im Internet kennengelernt.

Fernsehen und Presse wurden bereitwillig mit Bildern und Geschichten versorgt. Die Braut sei im Ferrari zur Kirche gefahren, die Hochzeit habe "mehr als 50.000 Euro gekostet", zitierten einschlägige Medienberichte das Paar. Viel Prominenz war anwesend, der Schlagersänger Triantafyllos sorgte für die musikalische Untermalung der rauschenden Hochzeitsfeier. Elechi freute sich, dass die Visagistin Naomi Campell sie für die Feier schminkte.

Die Hochzeit sorgte noch Tage später für Schlagzeilen, als sich das Paar zu den Hochzeitsgeschenken äußerte. "Das krasseste Geschenk war ein Wecker ohne Batterien. Das schönste war von Herrn (Konstantinos) Plevris und Tzortzia Siakavara. Es war eine sehr gute Summe, also wow!", freute sich die Braut im griechischen Fernsehen.

Konstantinos Plevris ist ein Anwalt, der sich selbst als Nazi bezeichnet und kürzlich seine Anwaltslizenz verlor, weil er vor Gericht wiederholt den Hitlergruß gezeigt hatte. Der 84-Jährige und seine mehr als drei Jahrzehnte jüngere Lebensgefährtin sind ein weiteres beliebtes Paar in der Boulevardpresse.

Heute will das Hochzeitspaar von den damaligen Aussagen nichts mehr wissen und lässt über seinen Anwalt verkünden, dass bei den Aussagen zu den Kosten übertrieben worden sei. Es könne ja sein, dass einige Lieferanten keine Quittungen ausgestellt hätten, sondern es sich bei diesen Geschenken um Gegenleistungen für die Werbung bei der Hochzeit gehandelt habe, heißt es.

Die Konsequenzen des Luxus

Die Ausrede dürfte nicht viel nützen, denn nach dem griechischen Steuerrecht müssen Geschenke bei der nächsten Einkommenssteuererklärung angegeben werden. Aber das ist noch die geringste Sorge, mit der sich fast alle Beteiligten des Festes herumschlagen müssen.

Die Braut, die selbst einen Kosmetiksalon betreibt, wurde bereits einer Steuerprüfung unterzogen, bei der es nach eigenen Angaben keine Probleme gab. Bei allen anderen aber, von der Blumenverkäuferin bis zum DJ, spuckte die KI eine ganze Latte von Steuervergehen aus. Die entsprechenden nüchternen Berichte der AADE lesen sich wie eine Checkliste der an einer Hochzeit beteiligten Branchen.

KI-Enthüllungen: Eine Checkliste für Steuerdelikte

Der bekannte Sänger, der bei der Hochzeitsfeier auftrat, stellte für diesen Auftritt nicht wie vorgeschrieben eine elektronische Rechnung über das myDATA-System aus. Ferner wurde festgestellt, dass er in den Vorjahren Einkünfte in Höhe von rund 10.000 Euro angegeben hatte, während auf seiner persönlichen Facebook-Seite zahlreiche Auftritte in Nachtclubs in ganz Griechenland zu finden waren.

Der Hochzeitsplaner, der sich in sozialen Medien als Hochzeitsplaner für Prominente bezeichnet, ist an einem Unternehmen beteiligt, das Hochzeitsempfänge und Taufen organisiert, ohne steuerlich registriert zu sein oder sein Einkommen zu versteuern. Die Rechnungen für die Tätigkeit als Hochzeitsplaner werden von einer verwandten Person ausgestellt, die selbst ein Jahresbruttoeinkommen von 20.000 Euro angibt. Für die fragliche Hochzeit von Elechi lag keine Rechnung vor.

Auch für das Brautkleid fanden die Steuerfahnder keine Rechnung, dafür aber die Erkenntnis, dass das Brautmodenunternehmen seit 2018 Buchverluste von rund 160.000 Euro angibt, während in den sozialen Medien unzählige gelieferte Brautkleider auf teuren Hochzeiten präsentiert werden.

Das Unternehmen, das Besteck und Geschirr für den Empfang zur Verfügung stellte, hat keine Registrierkasse und keine Rechnung. Für das Jahr 2022 weist es einen Umsatz von weniger als 6.000 Euro und einen Verlust von rund 9.000 Euro aus, zeigt aber gleichzeitig auf seiner Social-Media-Präsenz, dass es bei zahlreichen großen Empfängen für die hochästhetische "art de la table" verantwortlich war.

Der Friseursalon, der die Braut geschmückt hat, verfügt über keine relevante steuerliche Registrierung, aber über zahlreiche Fotos von Hochzeitsfrisuren in den sozialen Medien. In den vergangenen drei Jahren wurden keine Einkünfte erklärt.

Die Visagistin der Braut scheint keine Quittung für ihre Dienste ausgestellt zu haben. Sie unterhält eine persönliche Website, die ein gänzlich anderes Bild von der tatsächlichen Höhe ihres Einkommens vermittelt, während auf ihrer Instagram-Seite zahlreiche Jobs zu sehen sind, die sie in der Vergangenheit ausgeführt hat.

Generell scheint sie sich ausschließlich auf Hochzeiten/Veranstaltungen mit hohem Budget zu konzentrieren, was in krassem Gegensatz zur Höhe ihres angegebenen Einkommens steht. Bezeichnenderweise wurde für das Jahr 2022 ein Bruttoeinkommen von knapp 8.000 Euro angegeben.

Der Juwelier, der laut eigenem Social-Media-Auftritt mit gebrauchten Rolex-Uhren handelt und den Ehering samt Brautschmuck lieferte, machte nach eigenen Angaben seit 2017 insgesamt nur 3.000 Euro Umsatz. Auch er stellte keine Rechnung aus. In der griechischen Presse wurde der Wert des Diamantrings von der Braut mit 13.000 Euro angegeben.

Der DJ der Veranstaltung ist steuerlich nicht registriert und lebt laut Steuererklärung von 2.000 bis 3.000 Euro im Jahr, spielt aber laut Fotos auf seinen Profilen in sozialen Medien auf unzähligen Veranstaltungen.

Der Fotograf, ebenfalls ohne Rechnung, hat eine hochprofessionelle Internetpräsenz, wurde für seine qualitativ hochwertige Arbeit bei Prominentenhochzeiten ausgezeichnet und konnte bei einem Bruttoumsatz zwischen 8.500 und 10.000 Euro pro Jahr eine Immobilie für 200.000 Euro erwerben.

Der überaus erfolgreiche Blumenhändler, der mit zehn Lastwagen die Blumen für teure Hochzeiten ausliefert, vergisst Rechnungen und schreibt tiefrote Zahlen. Ähnlich ergeht es den Wirten des Partylokals.

Die abschreckende Wirkung der KI

Die Darstellung dieses Extremfalles durch die griechischen Steuerfahnder soll, so die Intention der AADE, abschreckend wirken. Keines der aufgedeckten mutmaßlichen Steuervergehen hätten die Prüfer nicht auch in Handarbeit aufdecken können.

Allerdings hätte dies deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen als die knapp vier Arbeitswochen, unterbrochen durch Weihnachten und Neujahr. Laut Pitsilis wurden die Ergebnisse der KI von den Fahndern auf Plausibilität geprüft, bevor der Fall öffentlich gemacht wurde.

Seit Kurzem hat die griechische KI auch Zugang zu Internet-Bezahldiensten. Zusammen mit der Verpflichtung, Rechnungen und Kassenbelege in Echtzeit an das Finanzamt zu übermitteln, gibt es mithilfe der KI kaum noch Schlupflöcher für Steuerhinterziehung.

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