Künstliche Photosynthese: Chinesische Raumstation produziert Sauerstoff aus CO2

Marcel Kunzmann
Computerillustration von Chinas 2022 gestarteter Raumstation Tiangong

Computerillustration von Chinas 2022 gestarteter Raumstation Tiangong

(Bild: Axel Monse/Shutterstock.com)

Durchbruch im All: Taikonauten gelingt Photosynthese-Experiment. Neuer Weg zu Atemluft und Treibstoff eröffnet Perspektiven für Missionen zu Mond und Mars.

Chinesischen Wissenschaftlern ist an Bord der Raumstation Tiangong ein bedeutender Schritt für die künftige Erforschung des Weltraums gelungen.

Erstmals konnte im Orbit Sauerstoff sowie Grundstoffe für Raketentreibstoff aus Kohlendioxid und Wasser gewonnen werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur CCTV berichtet hat.

Der Crew der Mission Shenzhou-19 gelang damit die weltweit erste Demonstration künstlicher Photosynthese-Technologie im All. In insgesamt zwölf Experimenten setzten die Taikonauten Halbleiter-Katalysatoren ein, um Kohlendioxid und Wasser in einer schubladenförmigen Versuchsanordnung in Sauerstoff und Ethen umzuwandeln.

Ethen ist ein Kohlenwasserstoff, der zur Herstellung von Treibstoff für Raumfahrzeuge verwendet werden kann.

Sauerstoffgewinnung bei Raumtemperatur

Laut Angaben der chinesischen Raumfahrtbehörde CMSA lag der Fokus der Tests auf mehreren Technologien, die für die Produktion von Ressourcen und das Überleben des Menschen im Weltall als unverzichtbar gelten.

Dazu zählen die Umwandlung von Kohlendioxid bei Raumtemperatur, die präzise Steuerung von Gas- und Flüssigkeitsströmen in der Schwerelosigkeit sowie die Echtzeit-Erkennung der Reaktionsprodukte mit hoher Empfindlichkeit.

"Diese Technologie ahmt den natürlichen Photosyntheseprozess grüner Pflanzen durch spezielle physikalische und chemische Methoden nach", erklärte CCTV. Dabei würden Kohlendioxid-Ressourcen in abgeschlossenen Räumen oder extraterrestrischen Atmosphären genutzt, um Sauerstoff und Kohlenstoff-basierte Treibstoffe zu produzieren.

Die chinesischen Forscher erhoffen sich von dem Verfahren eine "entscheidende technische Unterstützung für das Überleben und die Erforschung des Weltraums durch den Menschen", wie CCTV weiter berichtete.

Die Idee zur Nutzung künstlicher Photosynthese im Weltraum war laut CMSA bereits 2015 von chinesischen Wissenschaftlern vorgeschlagen worden, mit dem Ziel, Ressourcen vor Ort außerhalb der Erde zu gewinnen. Durch Verwendung anderer Katalysatoren soll sich mit der Reaktion zudem auch Methan produzieren lassen können, das Raketenstreibstoff verwendet werden kann.

Vorteil gegenüber Elektrolyse

Bisher wird der lebensnotwendige Sauerstoff auf Raumstationen wie der ISS mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen, wofür Sonnenenergie eingesetzt wird. Experten sehen in dem Verfahren jedoch Nachteile für lange Raumflüge, da es sehr energieaufwendig ist.

Die künstliche Photosynthese hingegen benötigt für die Umwandlung von CO2 deutlich weniger Energie und funktioniert bei Raumtemperatur und Normaldruck, wie das Wissenschaftsmagazin Futurism erläuterte. Weitere Details zu den produzierten Mengen an Sauerstoff und Ethen nannte die chinesische Raumfahrtbehörde nicht.

Vorbereitung auf Mond- und Mars-Missionen

China treibt derzeit sein ambitioniertes Raumfahrtprogramm mit Hochdruck voran. Ziel ist unter anderem, noch vor 2030 Taikonauten auf den Mond zu bringen. Zudem wird längerfristig eine bemannte Mars-Mission angestrebt.

Eine autarke Versorgung mit Atemluft und Treibstoff gilt dafür als Grundvoraussetzung. Sollte es gelingen, das jetzt erfolgreich getestete Verfahren der künstlichen Photosynthese zur Anwendungsreife zu bringen, wäre man diesem Ziel ein großes Stück nähergekommen.

Wie die South China Morning Post berichtet, könnte die neue Technologie könne auch bei der Errichtung einer Mondbasis eine entscheidende Rolle spielen.