Kulturkampf USA: Konservative Hysterie an Schulen

"Die Geburt der Venus" (Sandro Botticelli). Bild: Uffizi Gallery/Wikimedia

US-Wahlkampf: Konservative und Liberale schlagen absurde Volten, auch vor Schultoiletten. Auffallend häufiges Ziel der rechten Stimmungsmache und der Politik mit benachteiligender Gesetzgebung sind Transpersonen.

Die Republikanische Partei und ihre konservativen Unterstützer bereiten sich auf den Wahlkampf vor, dabei setzen sie weiterhin auf kulturkämpferische Themen. Besonderen Fokus scheint die Partei auf die gesetzliche Einschränkung der Rechte von Transpersonen zu legen.

Die gut koordinierten rechtlichen Bemühungen der Republikaner zeigen, dass es konservativen Regierungen auf Bundesstaatenebene relativ leicht fällt, für Transpersonen negative Gesetze auf den Weg zu bringen. Dieser politische Kurs ermöglicht es, der Oppositionspartei ihrer Wählerschaft schon vor den kommenden Präsidentschaftswahlen "Ergebnisse" zu präsentieren, wenn auch nur in diesem einen Bereich.

Es ist allerdings sehr fraglich, ob sich eine Mehrheit der US-Wählerschaft überhaupt für das Thema interessiert. Dass trotzdem so viele Republikaner glauben, mit diskriminierenden Gesetzen und der dazugehörigen Rhetorik Wahlkampf machen zu können, liegt auch an der überzogenen Berichterstattung der US-Medien. Die Folgen dieser effektheischenden Wahlkampfstrategie tragen diejenigen, die wirklich von den neuen Gesetzen betroffen sind: die Transpersonen in weiten Teilen der USA.

Der US-Wahlkampf rückt näher, der Kulturkampf zwischen Konservativen und Liberalen heizt sich immer weit auf. Kaum eine Woche in den USA vergeht ohne Berichte in den Medien über den einen oder anderen Grabenkrieg an Schulen – der Lieblingskampfzone empörter Konservativer.

Einerseits geht es in dem Ringen um kulturelle Hegemonie, um die sexuelle Erziehung von Kindern und das Recht der Eltern, diese zu beeinflussen. Ein andermal zielen neue Gesetze und Richtlinien ganz offen darauf ab, die Schülerschaft aus Transpersonen zu diskriminieren.

Einige Eltern in den USA haben eine beängstigende Macht auf die Erziehung ihrer Kinder an Schulen und üben diese auch regelmäßig aus. Wie sehr Schulpersonal von der Gunst der Elternschaft abhängig sein kann, zeigte jüngst ein Zwischenfall an der Tallahassee Classical School, in Zuge dessen sogar die Direktorin zurücktreten musste.

Der Eklat ereignete sich, nachdem sich Eltern einer sechsten Klasse darüber beschwert hatten, dass den Schülerinnen und Schülern ohne vorherige Ankündigung Michelangelos "David"-Statue, sein Fresko "Die Erschaffung Adams" und das legendäre Gemälde "Die Geburt der Venus" des Frührenaissance-Genies Botticelli gezeigt worden waren.

Wahrscheinlich empörte sich die Elternschaft besonders über die scherzhafte Aufforderung der Kunstlehrenden an die Kinder, ihren Eltern nichts über die im Unterricht präsentierte Nacktheit zu erzählen. Der Vorsitzende der Schulbehörde, Barney Bishop III, fühlte sich jedenfalls bemüßigt zu betonen, dass Eltern das Recht hätten, darüber zu entscheiden, ob bestimmte Themen für ihre Kinder angemessen seien. "David" dürfte jedoch im Lehrplan verbleiben.

Bei so viel Kompromissbereitschaft steht der klassischen Bildung in Tallahassee dann wohl nichts mehr im Wege. Die Angelegenheit verdeutlicht die aufgeheizte Stimmung an US-Schulen. Aber nicht nur Lehrende werden zu Opfern der neuen konservativen Hysterie, auch die Schülerschaft ist betroffen. Im Besonderen werden zunehmend Gesetzte verabschiedet, welche die Rechte von jugendlichen Transpersonen direkt angreifen.

Die Republikanische Gouverneurin von Iowa, Kim Reynolds, hat ein Gesetz unterzeichnet, das es Transpersonen unter der Schülerschaft verwehrt, eine Toilette zu benutzen, die ihrer staatlich festgelegten Geschlechtsidentität entspricht. Weiterhin erfordert das neue Gesetz die Zustimmung der Eltern, wenn es um "besondere Nutzung" einer "Toilette für Lehrkräfte" oder einer Einzeltoilette geht.

Laut eigenen Angaben reagieren die Gesetzgeber mit diesen Maßnahmen angeblich auf Bürgerbeschwerden, die ansonsten zu Klagen bei Staatsanwaltschaft werden könnten. In Oklahoma wird derzeit darüber nachgedacht, wie man Schulen dazu zwingen könnte, Transpersonen bei ihrem "toten Namen", also ihrem abgelegten Namen, zu nennen.

Beide Gesetze sind nicht nur diskriminierend, sondern schlicht gefährlich, weil sie Jugendliche als trans outen, die eventuell nicht für diesen Schritt bereit sind, Angst vor Diskriminierung oder schlicht keine Lust haben, ständig auf ihre Geschlechtsidentität angesprochen zu werden.

Ein weiteres in Iowa verabschiedete Gesetz verbietet die geschlechtsangleichende medizinische Behandlung bei Patientinnen und Patienten unter achtzehn Jahren und gibt behandelnden Ärzten nur sechs Monate Zeit, laufende geschlechtsangleichende Behandlungen abzubrechen. LGBT*Q-Gruppen, Bürgerrechtsorganisationen und die Lehrergewerkschaft des Bundesstaates haben beide neuen Gesetze bereits öffentlich missbilligt. Iowa und Oklahoma stehen nicht allein, die neuen Gesetzgebungen sind Teil einer landesweiten Welle transfeindlicher Legislation.

Die Zahl der Gesetzentwürfe, die darauf abzielen, Transpersonen den Zugang zu medizinischer Grundversorgung, rechtlicher Anerkennung, Bildung, Toiletten, Sport und das Recht auf Existenz in öffentlichen Schulen zu verweigern, ist in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen.

2021 wurden in 37 Bundesstaaten 144 und ein Jahr später 174 Gesetzesentwürfe eingebracht. 26 dieser transfeindlichen Gesetze wurden 2022 verabschiedet, darunter Verbote der geschlechtsangleichenden Behandlung und eines Teilnehmerverbots für Transschülerinnen – und schüler am Sport. Seit Anfang des Jahres setzen sich diese Trends fort.

Die neusten Versuche, Rechte für Transpersonen einzuschränken, gehen jedoch entschieden weiter und schlagen vor, das Verbot der geschlechtsangleichenden Pflege bis ins Erwachsenenalter auszudehnen. In anderen Gesetzesentwürfen ist davon die Rede, geschlechtsangleichende Behandlung und Nachpflege als Kindesmissbrauch einzustufen. Es gibt auch schon Entwürfe zu "Drag-Verboten" und es zirkulieren bereits Vorschläge zu landesweit gültigen Anti-Trans-Gesetzen.

Die Kampagne: 489 Gesetzesentwürfe

Der aktuelle Stand: Derzeit existieren in siebenundvierzig Bundesstaaten 489 Gesetzesentwürfe, von denen fünfundzwanzig bereits verabschiedet und dreiundvierzig abgelehnt wurden. Eine solche Masse an neuen Gesetzesvorschlägen weist auf eine koordinierte landesweite Kampagne hin.

Auch berichtete die New York Times, dass viele der eingebrachten Gesetzgebungs-Entwürfe identische Formulierungen beinhalten würden. Ein Umstand, der auf eine gemeinsame Vorlage schließen lässt.

Die Welle von Gesetzen ist Teil einer langfristigen Kampagne konservativer, der GOP-naher Gruppen, die glauben, mit ihrem Vorgehen gegen Rechte von Transpersonen Wahlkampf machen zu können; obgleich die jüngsten Zwischenwahlen kaum Beweise für die Wirkungsmacht dieser Strategie geliefert haben.