Kurdistan nach Unabhängigkeitsvotum: Gesprächsbereitschaft und Drohungen
Seite 2: Lässt der Tod Talabanis die zerstrittenen kurdischen Fraktionen zusammenrücken?
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- Lässt der Tod Talabanis die zerstrittenen kurdischen Fraktionen zusammenrücken?
- Vermittler im Kurdenkonflikt in der Türkei
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Mam Jalal (Onkel Celal) wurde er von der kurdischen Bevölkerung genannt. Der 1933 geborene Jalal Talabani war neben Masud Barzani einer der wichtigsten Clanchefs der irakischen Kurden. Schon im jungen Alter war er in der kurdischen Politik aktiv, als er in den 1950er Jahren die erste Studentenvereinigung Kurdistans gründete.
Damals sympathisierte er mit der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) von Mustafa Barzani, dem Vater des heutigen Vorsitzenden Masud Barzani. 1955 wurde er in deren Politbüro gewählt. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit dem Sozialismus und übersetzte die Schriften Mao Tse Tungs. Ende der 1950er Jahre beendete er sein Jurastudium in Bagdad.
In den 1960er Jahren beteiligte er sich bei den Peschmergas im Kampf um Autonomie. 1975 kam es zum Bruch zwischen ihm und Mustafa Barzani, als die Kurden den Kampf zunächst verloren - nicht zuletzt, weil der damalige US-Außenminister Henry Kissinger seine bisherigen kurdischen Verbündeten fallengelassen hatte. Mustafa Barzani floh in die USA, wo er kurz danach verstarb.
Gründung der PUK
Talabani gründete in dieser Zeit die sozialistisch orientierte PUK. Die PUK fand ihre Anhängerschaft überwiegend in der städtischen kurdischen Bevölkerung bei linken, demokratischen und sozialistischen Organisationen und bei Frauenorganisationen, während die KDP eher in der traditionell konservativen Landbevölkerung verankert war.
Ihr größtes Einflussgebiet hat die PUK bis heute rund um die Stadt Suleymania im südlichen Teil der kurdischen Autonomieregion. In den 1980er Jahren begann ein erbitterter, bewaffneter Kampf gegen die Zentralregierung in Bagdad. Zeitgleich tobte von 1980 bis 1988 der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran.
Konkurrenz mit Masud Barsani
Talabani unterstützte zuerst die irakische Zentralregierung im Kampf gegen seinen Konkurrenten Masud Barsani, um sich später mit Teheran gegen Bagdad zu verbünden. Barsani hatte damals die irakische und die türkische Armee gegen die PUK zur Hilfe geholt. Deshalb konnte sich Talabani damals nur dank iranischer Militärhilfe halten. Die Folgen dieser Allianz waren verheerend.
Der irakische Diktator Saddam Hussein startete einen Vernichtungsfeldzug gegen die Kurden im Nordirak und setzte bei Halabja chemische Waffen ein, in dessen Folge mehrere tausend Kurden und Kurdinnen ihr Leben verloren. Die PUK musste sich mit Jalal Talabani in die kurdischen Gebiete im Iran zurückziehen. Er lebte dann zeitweise in London und im Iran im Exil. Während des Golfkrieges zwischen Irak und Kuweit führte Talabani den Aufstand gegen Saddam Hussein.
Die USA erklärten zum Schutz der Kurden den Nordirak zur Flugverbotszone. 1991 kehrt Talabani in den Irak zurück. Die KDP und die PUK proklamierten daraufhin den Nordirak als kurdische Autonomieregion. 1992 wählten die Kurden und Kurdinnen ihr erstes Parlament unter gemeinsamer Leitung von Masud Barzanis KDP und Jalal Talabanis PUK. Doch der Frieden zwischen den beiden Clanchefs währte nicht lange.
Der "Bruderkrieg"
1994 kam es zu einem heftigen "Bruderkrieg", in dessen Folge wiederum tausende Menschen starben. Unter Vermittlung der USA wurde 1996 dieser Krieg beendet. In den Folgejahren schien der Bruderkrieg beendet, da es gelang, eine strategische Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsgebieten von Erbil (KDP) und Suleymania (PUK) zu installieren, aber unter der Oberfläche gärt es bis heute.
2005 wurde Talabani nach dem Sturz von Saddam Hussein als erster Kurde Staatspräsident des Irak. Ihm ist es zu verdanken, dass die Regierungskoalitionen von Schiiten, Sunniten und Kurden nach dem Sturz von Saddam Hussein nicht auseinanderbrachen. Talabani kritisierte zwar die USA für den Irak-Krieg, unterstützte aber trotzdem US-Präsident George W. Bush in Sachen nordirakische Autonomieregion.
Allerdings weigerte er sich, als Staatspräsident die Todesurteile gegen Saddam Hussein und den früheren irakischen Außenminister Tarik Aziz zu unterschreiben. Er sei schließlich Sozialist und prinzipiell gegen die Todesstrafe. Dies erledigte dann der irakische Premier Nuri al-Maliki in einem Eilverfahren.
Es ist offen, wie es mit der PUK nun weitergeht. Seit Talabanis Krankheit war die PUK geschwächt und hat hat viele Anhänger an die Protestpartei Gorran verloren. Talabanis Frau Hero Ibrahim Ehmed kümmerte sich in den vergangenen Jahren um die Partei. Sie genießt zwar großes Ansehen als selbstbewusste, moderne politische Frau, die in ihrer Jugend ebenfalls im Widerstand in den kurdischen Bergen lebte, allerdings fehlt ihr das integrierende Charisma ihres Ehemannes.