LNG-Freibier für alle durch Wegfall der Sanktionen gegen Russland?
Russland und die USA verhandeln wohl über Projekte in der Arktis. Fallen die Sanktionen weg, könnte günstiges russisches LNG Europa fluten. Doch was wären die Folgen?
Im Kontext der russisch-amerikanischen Gespräche in Riad war Medienberichten zufolge die Rede von gemeinsamen Projekten in der Arktis. Der Wegfall der Sanktionen gegen Russland stand laut Pressemitteilung des State Departments nicht auf der Agenda. Doch was würde passieren, wenn diese im Verhandlungsgang wegfallen?
Beim Flüssiggas (LNG) dürfte ein Preissturz Verbraucher überraschen, was nahezu an eine Freibier-Aktion erinnert. Der größte Verlierer dürfte die LNG-Industrie der USA sein. Mit russischen Niedrigpreisen konnte sie von jeher nicht mithalten.
LNG aus den USA ist teuer
So reduzierte Europa nach Angaben des Instituts für Energiewirtschaft und Finanzanalysen IEEFA die LNG-Importe aus den USA 2024 gegenüber 2023 um 18 Prozent auf 62,8 Milliarden Kubikmeter, während die russischen LNG-Lieferungen um zwölf Prozent auf 21,8 Milliarden Kubikmeter zulegten. Damit stieg Russland zum zweitgrößten LNG-Lieferanten auf und ließ Katar hinter sich.
Eine Preisübersicht zeigt, dass die EU-Länder für russisches LNG von Januar bis November 2024 im Schnitt 27,9 Euro je Megawattstunde zahlten. LNG aus Katar kostete mit 28,1 Euro je Megawattstunde nur leicht mehr. Am teuersten war wie in den Vorjahren LNG aus den USA. Im vergangenen Jahr waren es im Schnitt 34,4 Euro je Megawattstunde.
Fällt die Sanktionsbremse für die erste Produktionslinie vom Werk Arctic LNG 2 auf der nordsibirischen Halbinsel Gydan und sämtliche LNG-Tanker weg, flutet unschlagbar günstiges russisches LNG über unausgelastete Importterminals nach Europa. Das sorgt wiederum für eine Entspannung beim Angebot, sodass Energiepreise in Europa für Industrie und Haushalte sinken dürften. In dieser Sonderkonjunktur könnten einige so etwas wie Freibier für alle sehen.
Russland kommt aus der Klemme
Auch für Russland rechnet sich das Geschäft. Aktuell ächzt die Wirtschaft unter Inflation und hohen Zinsen. Am 14. Februar beließ die Bank Russlands den Rekordleitzins bei 21 Prozent. "Der Preisdruck bleibt erheblich. Die zugrunde liegenden Inflationsindikatoren überstiegen Ende 2024 die Marke von 10 Prozent", begründete die Zentralbankchefin Elvira Nabjullina diesen Beschluss. Hohe Budgetausgaben und Löhne infolge von Arbeitskräftemangel hätten dazu geführt. Das Preiswachstum habe sich im Januar und Februar zwar verlangsamt, aber es sei verfrüht, von einer Trendwende zu sprechen.
Zur Dynamik bei den Budgetausgaben für den Verteidigungssektor sagte Natalja Subarewitsch, Professorin an der Moskauer Staatlichen Universität, in einem Interview mit der Welt am 27. Februar, dass diese 2024 um 65 Prozent gestiegen seien. "Wenn sie 2025 um mehr als die veranschlagten 25 Prozent wachsen, dann bleibt die Situation, allen voran bei der Inflation wie 2024. Dann haben wir 2025 ein Déjà-vu."
Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wird sich laut mittelfristiger Prognose der Bank Russlands von 4,1 im vergangenen Jahr auf ein bis zwei Prozent in diesem Jahr abschwächen. Für Russland steht folglich die Lockerung der Sanktionsbremse ganz oben auf der Agenda, um frisches Geld in den Staatshaushalt zu spülen, zumal Rohstoff- und Exportwirtschaft den Druck der Sanktionen besonders spüren.
Europa zahlt für Abhängigkeit und Verteidigung drauf
Allerdings zahlt Europa drauf, wenn Russland die wachsenden Einnahmen in den Militärhaushalt steckt und sich für einen neuen Waffengang rüstet. Einer schwachen Ukraine und ihrer Rohstoffe habhaft zu werden, ist für Präsident Wladimir Putin nicht nur eine historische Mission, sondern auch ein lukratives Geschäft, um Europa den Zugang dorthin zu verwehren und mittels Rohstoffabhängigkeit zu erpressen.
Auch die Ausgaben zur Verteidigung von Sicherheitsinteressen bilden einen erheblichen Kostenblock, der wächst, je mehr Russland mit sprudelnden Öl- und Gaseinnahmen sich rüstet, Europa einzuhegen und das nötigenfalls mit Gewalt.
Trump-Putin-Pakt würgt Öl und Gas in Amerika ab
Mitte Februar erteilte das US-amerikanische Energieministerium eine der ersten Genehmigungen zum LNG-Export, die Vorgänger Joe Biden im vergangenen Jahr gestoppt hatte. Jetzt soll das Rad in Bewegung kommen.
"Sie werden unser LNG kaufen", sagte Trump prophetisch in Richtung China und Indien. Beide Länder sind gute Kunden von Russland. Auch Japan soll seine LNG-Importe aus Russland eindampfen. Bei Trumps Gesprächen mit Japans Premier Shigeru Ishiba ging es um das 44 Milliarden US-Dollar teure LNG-Alaska-Projekt.
Doch wozu so viel Geld ausgeben, wenn LNG in der russischen Arktis weitaus günstiger zu haben ist? Fallen Sanktionen weg, schlägt die Eiszeit in Murmansk in heftige Betriebsamkeit um. Dann haben Unternehmen in den USA das Nachsehen, weil sich ihre Projekte nicht mehr rechnen. Ebenso wird es der Ölindustrie ergehen. Trumps Ruf "drill baby, drill" wandert nach Russland aus.
Für Eigentum gibt es in Russland keine Gewähr
Zu den Verhandlungen in Riad berichtigten Medien, dass Unternehmen nach Russland zurückkehren sollen, die durch ihren Weggang aus Russland infolge des Angriffskrieges in der Ukraine enorme Verluste gemacht haben. Putin habe die Regierung beauftragt, dafür Regeln zu erarbeiten.
Beispiele in Vergangenheit und Gegenwart zeigen zugleich, wie Putin die Umverteilung von Besitztümern nutzt, um Machtverhältnisse klarzustellen und Günstlinge zu versorgen. Die Blaupause dafür geht ins Jahr 2003 zum Fall Michail Chodorkowski zurück. Sollte Putin Trump Anteile an Bodenschätzen, LNG-Projekten oder gar die Inbetriebnahme der Nord-Stream-Gastransportbrücke in Aussicht stellen, ist das eine Art Pakt mit dem Teufel. Denn nichts ist sicher.