Lämpchen, schlimme Post und unermüdlich wedelndes Laubwerk
Neuübersetzung des "Herr der Ringe" erregt die Gemüter der Tolkien-Fans
Wer den "Herrn der Ringe" noch nicht kennt, sollte spätestens jetzt - noch bevor der Film startet - sofort mit Lesen beginnen. Die Frage ist nur, welche Übersetzung zu empfehlen ist, Carroux oder Krege? Am sichersten ist der Griff zum englischen Original.
Sie haben es nicht leicht, die eingefleischten deutschsprachigen Tolkien-Fans, die nun mit einer komplett neuen Übersetzung der Klassikers leben sollen. Die Übersetzung von Margaret Carroux ist zweifelsfrei gut, aber der Verlag Klett-Cotta fand, dass die alte Fassung antiquiert und es höchste Zeit für eine modernere sei. Sie beauftragten den Tolkien-Experten und renommierten Übersetzer englischsprachiger Literatur Wolfgang Krege mit der Neuübersetzung der drei Bände. Der Verlag ist der Meinung, dass er diese Aufgabe
mit Bravour gelöst hat. Man meint - auch wenn der Inhalt der gleiche ist - einen völlig neuen Tolkien zu lesen, präsentiert er sich doch endlich so, wie es ihm zusteht: als Meisterwerk der zeitgenössischen Literatur.
Die Stiftung Lesen hat ihre Kampagne "Der Herr der Ringe gestartet. Alle weiterführenden Schulen in Deutschland sind eingeladen "in die Welt des Fantasy-Klassikers einzutauchen und das Reich "Mittelerde" zu besuchen." In Zusammenhang mit dem Kinostart soll die Leselust der Schüler geweckt werden. 15'000 weiterführende Schulen und 4000 Lehrer erhalten seit Oktober eine Ideenbroschüre zum Film für den Unterricht ab Klasse 7, die einen Wettbewerb mit vielen verlockenden Preisen, eine Fülle von Unterrichtsideen und Lesetipps enthält. Damit zieht natürlich auch die neue Übersetzung in die Klassenzimmer ein, denn viele Lehrer verbinden die Aktion mit der Lektüre des dreibändigen Werkes, die inzwischen vom Verlag als Taschenbuch nur noch in der Krege-Fassung ausgeliefert wird. Ein gutes Geschäft für Klett-Cotta - alle sind begeistert, nur die Tolkien-Fans nicht.
Die eingefleischten Tolkienianer sind nicht gerade begeistert, dass der neue Hype um den Herrn der Ringe eine deutschsprachige Buch-Fassung fördert, von der sie alles andere als überzeugt sind. Die Kritiker formieren sich im Forum der Deutschen Tolkien-Gesellschaft. Es sind viele, die sich in Workshops und online einig sind, dass die neue Übersetzung nicht "das Gelbe vom Ei sei. Ergebnis beider Workshops: Krege hat interessante Ansätze und ist stellenweise besser als Carroux (erste Übersetzerin des ‚Herr der Ringe'). Allerdings sind seine Modernisierungen so entstellend und viele inhaltliche Fehler so katastrophal, dass man das nicht hinnehmen kann."
Die Bandbreite der Reaktionen der Tolkien-Fans reicht von Erstaunen über Bestürzung bis hin zur Empörung. Die deutsche Tolkien-Gesellschaft sieht sich als Lobby aller Tolkien-Fans und ist in Kontakt mit dem Verlag. Sie wollen keine Konfrontation, sondern sehen sich selbst in "diskussionsbereiter Haltung". Sie bitten die Fans von Hass-E-mails abzusehen, denn: "Die Situation erfordert es, dass man es analytisch und auch diplomatisch angeht."
Die Analysen der Tolkienianer zeigen, dass zumindest an einigen Stellen Kreges Übersetzung über das Ziel hinaus schießt. Warum bei ihm aus schlichten silver lamps Lämpchen werden, und aus evil tidings eine schlimme Post (statt schlimme Nachrichten), weiß er wohl nur selbst. Unfreiwillig komisch wird er, wenn er ever-moving leaves mit "unermüdlich wedelnden Laubwerk" übersetzt. Wer direkt vergleichen will, kann sich hier ein Kapitel (Die Gefährten: Galadriels Spiegel) herunter laden, wo das Original und beide Übersetzungen direkt nebeneinander gestellt werden.
Der Übersetzer und die Ausgabe
Wolfgang Krege selbst versteht die ganze Aufregung nicht. Er wollte nicht nur übersetzen, sondern den Text "assimilieren". Er schätzt die Arbeit von Carroux, er wollte aber eine neue Version schaffen, die weniger wortgetreu ist, als viel mehr "ein gewisses Eigenleben in den Spielräumen der deutschen Sprache: Farbe, Tempo, Kontraste" gewinnen sollte. Außerdem hat er für sein Empfinden viele Stellen der alten Übersetzung von Carroux übernommen, weil er fand, dass sich die richtigen Worte bereits gefunden hatte: "Dies waren die schwierigsten Momente in meiner Arbeit. Abschreiben müssen tut weh." Vielleicht tat es ihm ja an einigen Stellen zu weh, aber der Verlag könnte ja für die nächste Ausgabe durchaus einige Anregungen und Kritiken der Fans berücksichtigen. Das wäre auch eine Gelegenheit, die Anhänge wieder in die Schuber-Taschenbuchausgabe zu packen, wo sie hingehören, statt sie als Extraband für DM 22,50 anzubieten.
J.R.R. Tolkien. Der Herr der Ringe, Aus dem Engl. von Wolfgang Krege 3 Bände im Schuber (ohne Anhänge), 1360 Seiten, In neuer Rechtschreibung Klett-Cotta, DM 63,50, ISBN: 3-608-93544-4, Online bestellbar