Läuft wie supergeschmiert

Neue "suprafeste" Phase des Helium mechanisch nachgewiesen: Festes Helium 4 reibt sich nicht an Behälterwänden

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Helium 4 bewegt sich bei tiefen Temperaturen nicht nur in der flüssigen, sondern auch in der festen Phase reibungsfrei. Dies zeigen Messungen der Schwingungsdauer eines mit Helium gefüllten Drehpendels bei einer Temperatur von 0,23 Kelvin und einem Druck von 26 bar.

Physiker der Staatsuniversität von Pennsylvania haben eine neue Phase des Helium 4 nachgewiesen, sie berichten über ihre Experimente in der Ausgabe vom 3. September 2004 der Fachzeitschrift Science in Band 305 sowie einen Tag vorher online. Waren bisher die Phasen – manchmal auch Aggregatszustände genannt – gasförmig, flüssig, suprafluid und fest bekannt, so kommt nunmehr eine suprafeste hinzu, was bedeutet, dass sich das feste Helium nicht an seinen Behälterwänden reibt, falls sich der Behälter zu drehen beginnt. Zuerst war dieser neue Aggregatzustand in Band 427 und im Konkurrenzblatt "Nature" beschrieben worden (Vorsicht, Glatteis!), doch war der damalige Nachweis des neuen Aggregatszustands noch sehr speziell.

Druck-Temperatur-Phasendiagramm des Heliums: Flüssiges Helium 4 wird selbst bei sehr tiefen Temperaturen unter Normaldruck (1 bar) nicht fest, erst unter einem Druck von mindestens 25 bar kondensiert es. Die Neuigkeit ist die suprafeste Phase, in der – wie bei der suprafluiden Phase – die Reibung verschwindet. Der gasförmige Bereich ist hier weggelassen (Bild: Science)

Neben Helium 4 gibt es noch ein leichteres, stabiles Isotop, das Helium 3, um letzteres geht es hier nicht. Helium verflüssigt sich bei einem Druck von 1 bar bei einer Temperatur von 4,2 Kelvin, bei 2,2 Kelvin wird es suprafluid, das heißt, es strömt ohne Reibung.

Wie die Wissenschaftler mit Versuchen an einem mit Helium befüllbaren Drehpendel herausfanden, kann sich festes Helium entsprechend verhalten, die Apparatur lässt sich auf sehr tiefe Temperaturen kühlen und der befüllbare Innenraum des Drehpendels hält einen hohen Druck aus. Die Reibung verschwindet bei einer Temperatur von maximal 0,23 Kelvin und einem Druck von mindestens 26 bar.

"Helium auf dem Grammophon…"

Ein anschauliches Analogon der Idee ist eine Schallplatte auf dem Teller eines Plattenspielers. Ersetzte man die Platte durch eine Scheibe festen Heliums, so drehte sie sich nicht mit. Sich reibungsfrei bewegendes Helium nimmt also an einer Drehung des Behälters nicht teil. Die Schwingungsdauer des Drehpendels variiert mit seinem Trägheitsmoment, beim Abkühlen unter 0,25 Kelvin sinkt die Schwingungsdauer und folglich das Trägheitsmoment, was die Forscher auf einen Übergang in die suprafeste Phase schließen lässt, allerdings befindet sich nur rund ein Prozent des erstarrten Heliums in der suprafesten Phase.

Genau dieses Verhalten festen Heliums hatten sowjetische Physiker schon im Jahr 1969 vorausgesagt, nachdem bei Temperaturen unter 2,2 Kelvin bekannt war, dass suprafluides Helium in einem sich drehenden Behälter nicht mitrotiert.

Das zylinderförmige Drehpendel hängt an einem Draht mit Bohrung in der Mitte, durch die sich der Innenraum des Pendelkörpers befüllen lässt. Antrieb und Messung der Bewegung geschehen mittels elektrostatischer Felder über die rechteckigen Elektroden an der Seite des Zylinders. Schwingt das Drehpendel, so lässt sich an der festen Messelektrode eine Wechselspannung abgreifen, das ist das Sensorprinzip der kapazitiven Kopplung. (Bild: Science)

Unklar bleibt noch, ob es sich bei dem Übergang in die suprafeste Phase um eine so genannte Bose-Einstein-Kondensation handelt, wie die sowjetischen Physiker vor 35 Jahren angenommen hatten.

Es ist noch zu früh, über Anwendungen suprafesten Heliums zu spekulieren; für das schon lange bekannte suprafluide Helium gibt es immerhin einige exotische Anwendungen, beispielsweise die Erdbebenvorhersage mittels Helium-Gyroskopen. Diese registrieren vom Rucken der Erdkruste verursachte Unregelmäßigkeiten der Erddrehung, welche wiederum auf künftige Erbbeben hindeuten.

Eiskaltes Super-Schmiermittel?

Die hohe Wärmeleitfähigkeit lässt sich zur Kühlung nutzen, diese Eigenschaft hat ihre Ursache in dem normal fluiden Restanteil des Heliums, der mit sinkender Temperatur nach und nach verschwindet. Oberhalb von 2,2 Kelvin befindet sich hingegen alles Helium im normalen und nicht im suprafluiden Zustand. Der normal fluide Anteil nimmt die Wärmeenergie auf und der suprafluide hält die Konvektion in Gang.

Der Physiker Anthony Leggett von der Universität von Illinois, der für die Erklärung der suprafluiden Phase des Heliums 3 bei 0,0026 Kelvin im Jahr 2003 den Physiknobelpreis erhielt, resümiert, es erscheine ihm plausibel, aus den Drehpendelversuchen auf einen suprafesten Heliumanteil von rund einem Prozent zu schließen. Die Folgen seien für die Festkörperphysik revolutionär. Zu klären sei noch, ob die suprafeste Phase von einer Bose-Einstein-Kondensation herrühre (Fermi wird Bose).