Lafontaine: Weit entfernt von unabhängigen Medien
Politiker der Regierungskoalition sind deutlich häufiger in TV-Nachrichtensendungen vertreten als Politiker kleinerer Parteien
"Demokratie setzt unabhängige Medien voraus, davon sind wir weit entfernt." Mit diesen Worten kommentierte Oskar Lafontaine auf seiner Facebookseite aktuelle Untersuchung des Instituts für empirische Medienforschung IFEM, das ausgewertet hat, wie oft welche Politiker im April in den TV-Nachrichten zu sehen waren.
Die vom IFEM veröffentlichten Daten lassen erkennen, dass Politiker von CDU und SPD viel häufiger in den Fernsehnachrichten zu Wort kommen durften, als Politiker anderer Parteien. 402 CDU-Politiker kamen in den TV-Nachrichten vor, indem sie mindestens namentlich genannt, gezeigt oder aber mit einem O-Ton zu hören waren. SPD-Politiker waren 238 mal in den Nachrichtensendungen vertreten. Zusammen brachten es die Politiker beider Parteien somit auf 640 "Auftritte" in den Fernsehnachrichten. Untersucht wurde der Zeitraum vom 1. bis 30. April.
Die Politiker anderer Parteien waren wie folgt in den Nachrichten vertreten:
- 120mal Grüne
- 80mal CSU-Politiker
- 64mal kam die FDP zu Wort
- 53mal die AfD
- 52mal DIE LINKE
Deutlich wird: Politiker der großen Koalitionparteien sind im Vergleich zur Präsenz von Politikern anderer Parteien soviel häufiger in den TV-Nachrichten zu sehen, dass ein klares Ungleichgewicht zum Vorschein kommt. Noch deutlicher wird die Schieflage in der Auswahl der in den Nachrichtensendungen vertretenen Politiker, wenn man die Auftritte von Politkern der CSU, die mit die Regierungskoalition bildet, hinzuzählt. Dann waren Politiker der Koalitionsparteien insgesamt 720mal in den Nachrichtensendungen vertreten. Demgegenüber stehen 169 Auftritte von Politikern anderer Parteien gegenüber.
Der eheamlige Linken-Chef Lafontaine wählt deutliche Worte, um auf die verhältnismäßig geringe Präsenz seiner Partei in den Nachrichtensendungen einzugehen: "Nach wie vor", so Lafontaine, "wird die Linke einzige Partei, die gegen Lohndumping, Rentenkürzung, Sozialabbau und Kriege kämpft, auch in den öffentlich- rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten bekämpft. Von den Medien, die sich in privaten Händen finden, ganz zu schweigen."
Für Lafontaine ist es kein Wunder, "dass die Grünen, als eine Partei, die das kapitalistische Wirtschaftssystem ebenso befürwortet wie Kriege ("humanitäre Einsätze") und Sozialabbau, in der Medienlandschaft gepflegt werden". Der saarländische Linksfraktionschef Lafontaine betont weiter, dass im Hinblick auf die Medienlandschaft in Deutschland, die sozialen Netzwerke und neuen Medien "umso wichtiger" seien.
Anmerkung: Eine starke Präsenz der Regierungsparteien in den TV-Nachrichten lässt sich vor allem auch durch deren hervorgehobene Stellung (Regierungsverantwortung) erklären bzw. rechtfertigen. Es liegt nahe, dass den Politikern der Regierungskoalition mehr "Redezeit" eingeräumt wird, als es bei Vertretern von kleineren Parteien der Fall ist. Die Parteien, die die Regierung bilden, beeinflussen die politischen Weichenstellungen im Land maßgeblich, folglich ist es sinnvoll, dass den Vertretern dieser Parteien durch eine verstärkete TV-Präsenz die Gelegenheit gegeben wird, zu ihrer Politik Stellung zu beziehen.
Allerdings ist es dann doch erstaunlich, wie häufig Politiker der Regierungskoalition im Vergleich zu Politikern der anderen Parteien in den Nachrichtensendungen zu Wort kommen. Der Verdacht von "regierungsnahen Nachrichtensendungen" liegt nahe. Problematisch wird die deutlich unterschiedliche Präsenz von Politikern der Regierungsparteien und den anderen Parteien auch im Hinblick auf den demokratischen Meinungsbildungsprozess. Der Bürger erfährt auf diese Weise in den Narichtensendungen erheblich weniger über die Positionierungen der kleineren Parteien.
Interessant wäre es auch, für den untersuchten Zeitraum mehr über die Modalitäten zu erfahren, die die Auftritte der Politiker von den kleineren Parteien in den TV-Nachrichten umgeben:
- In welchen Nachrichtensendungen kommen sie zu Wort (z.B. in den Hauptnachrichtensendungen)?
- Wie lange sind die gezeigten O-Töne?
- Zu welchen Themen lässt man sie Stellung beziehen?
- An welcher Stelle eines Beitrages kommen sie zu Wort?
- Gibt es eine An- bzw. Abmoderation (oder eine Kommentierung)? Wenn ja, wie fallen diese aus?
Mit den Daten, die aus Fragen wie diesen gewonnen werden könnten, ließe sich sagen, ob die deutlich geringere Präsenz von Vertretern kleinerer Parteien in den TV-Nachrichten auch von einer eher negativen beziehungsweise nachteiligen Rahmung begleitet wird.