Lancet-Studie: Impfungen gegen Covid-19 retteten 1,6 Millionen Leben in Europa
Große Studie mit breiter Datenbasis: Impfung hat Covid-19-Sterblichkeit um 59 Prozent gesenkt. Sie war vor allem für ältere Menschen von Nutzen.
Auch das gehört ins große Tableau der Nachbearbeitung der Corona-Krise: Das Fachmagazin Lancet veröffentlicht aktuell eine Studie, die den Nutzen der Covid-Impfung mit eindrucksvollen Zahlen dokumentiert.
Demnach führten Covid-19-Impfungen im Zeitraum von Dezember 2020 bis März 2023 in 34 Ländern und Regionen der WHO-Region Europa1 zu einer einer Reduktion der – erwartbaren – Todesfälle um insgesamt 59 Prozent (Bandbreite: 17 bis 82 Prozent).
Dadurch konnten etwa 1,6 Millionen Menschenleben gerettet werden (Bandbreite: 1,5 bis 1,7 Millionen), so die Schätzung der über 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die namentlich als an der Studie beteiligt ausgewiesen werden.
Staatenübergreifende retrospektive Beobachtungsstudie
Das sieht nach viel Arbeit aus. Sie bestand, wie die Methodologie dokumentiert, vor allem aus Vergleichen und Schlüssen aus einer riesigen Menge von regelmäßig übermittelten Daten aus dem WHO-Regionalbüro für Europa, dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und dem Europäischen Überwachungssystem (TESSy). 34 Länder lieferten während der gesamten Studiendauer wöchentlich konsistente Berichte.
"Unseres Wissens nach ist das die erste retrospektive Beobachtungsstudie, welche die Wirkung der Covid-19-Impfung bei Erwachsenen nach Alter und Virusvariante über die gesamte Pandemie-Periode hinweg in vielen Staaten analysierte", zitiert der ORF die Wissenschaftler.
Die Methode
Wie kommt man dazu, die Zahl von Vor-dem-Tod-Geretteten zu schätzen?
Auf einen groben Kern gebracht sieht die Methode so aus: Die Studie analysierte Daten von 54 Ländern, Gebieten und Territorien in der WHO-Europaregion, die bis März 2023 mehr als 2,2 Millionen Covid-19-bedingte Todesfälle gemeldet hatten. Die Forscher schätzten, wie viele Leben durch die Impfung von Erwachsenen in der WHO-Europaregion gerettet wurden.
Für die Studie wurden dazu wöchentliche Daten zur Covid-19-Mortalität und -Infektion, Covid-19-Impfaufnahme und Sars-CoV-2-Viruscharakterisierungen nach Abstammungslinie sowie Impfstoffwirksamkeitsdaten aus der Literatur verwendet.
Die Berechnung der "geretteten Leben" erfolgte durch Vergleich der beobachteten Sterblichkeit mit einer geschätzten Sterblichkeit, die ohne Impfungen aufgetreten wäre.
Die Impfwirksamkeit wurde nach Altersgruppen, Dosis und vorherrschender Virusvariante bewertet und die Zahl der geretteten Leben wöchentlich und kumulativ berechnet. Dabei wurden verschiedene Annahmen zur Impfwirksamkeit und Immunitätsabnahme berücksichtigt.
Hauptergebnisse
Fast alle "geretteten Leben" (96 Prozent) waren Menschen, die 60 Jahre oder älter waren, und mehr als die Hälfte (52 Prozent) waren Menschen, die 80 Jahre oder älter waren.
"Die Erst-Booster-Impfungen retteten 51 Prozent der Menschenleben. 60 Prozent entfielen auf die Omikron-Periode", zitiert der ORF Experten der Studie mit dem Kommentar, dass dies nur noch mehr die Bedeutung eines aktuell gehaltenen Impfschutzes für die Menschen mit dem größten Risiko unterstreiche.
Die große Schlussfolgerung der Studie, finanziert von den staatlichen US-Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention (CDC), ist deutlich: Die Covid-Impfungen haben Leben gerettet, vor allem die der älteren Menschen.
Die Jugend und die Impfung
Dass die Studie auch Impfskeptiker und - verweigerer überzeugt, ist nach bisherigen Erfahrungen mit Studien, die sich gegen bestimmte Haltungen und Info-Politik im Streit der jeweiligen Lager richten, dennoch wenig wahrscheinlich.
Kritische Einschätzungen von Experten werden nicht lange auf sich warten lassen und die Debatte beleben. Wissenschaft lebt genau davon.
Auffallend ist, dass das zentrale Ergebnis der Studie erneut bestätigt, dass die Covid-Impfung besonders für ältere Menschen von großem Nutzen war, da sie die körperlich weniger Robusten in einem signifikanten Ausmaß vor einem schweren, möglicherweise tödlichem Verlauf der Krankheit schützte.
Damit bietet die Studie keine gewichtige Antwort auf einen der besonders empfindlichen Punkte der Debatte zur Aufarbeitung der Covid-Maßnahmen, zu denen die Impfkampagne maßgeblich gehörte:
Inwieweit war es denn geboten, auch Kinder und Jugendliche zur Impfung zu "drängen"? (Nachtrag: Wobei dies nicht von der Stiko ausging, sondern über ein gesellschaftliches Klima, über Regelungen für den Eintritt in öffentliche Einrichtungen und Medienberichte nahegelegt wurde.)