Land of Unfreedom: Trump zensiert – und Bezos macht mit

Andreas von Westphalen
Mann übermalt Sprechblase neben dem White House-Emblem

USA: Zwei neue Schläge gegen die Pressefreiheit. Trump handverliest künftig die Pressevertreter im Weißen Haus. Und was Jeff Bezos angeordnet hat, lässt Journalisten fassungslos zurück.

In den letzten Tagen gab es zwei Ereignisse in den USA, die offenbaren, welch fragiles Gebilde die Meinungsfreiheit heute ist.

Bruch mit Tradition I

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, kündigte am 25. Februar an, die Trump-Administration würde nun selbst auswählen, welche Medien täglichen Zugang zum Pool des Präsidenten haben und Fragen stellen dürfen – sei es im Oval Office oder auch an Bord des Präsidentenflugzeugs Air Force One.

Damit bricht der neue US-Präsident mit der jahrzehntealten Tradition, dass die Entscheidungsbefugnis über den Zugang zu dem erlauchten Journalistenkreis bei der "White House Correspondents' Association" liegt.

Leavitts Begründung vor den versammelten Medienvertretern lautete:

Ich bin stolz darauf, ankündigen zu können, dass wir die Macht an die Menschen zurückgeben werden, die ihre Zeitungen lesen, ihre Fernsehsendungen sehen und ihre Radiosender hören.

Künftig wird der Presse-Pool des Weißen Hauses vom Presseteam des Weißen Hauses bestimmt werden. Alteingesessene Medien, die seit Jahrzehnten am Presse-Pool teilgenommen haben, dürfen weiterhin mitmachen, aber wir werden dieses Privileg auch wohlverdienten Medien anbieten, die noch nie an dieser großartigen Verantwortung teilhaben durften.

Genauso wie wir einen neuen Mediensitz in diesem Besprechungsraum hinzugefügt haben, werden die alten Medien, die seit Jahren hier sind, weiterhin am Pool teilnehmen, aber auch neue Stimmen werden willkommen sein.

Aussieben

Was wie ein großzügiges Angebot klingt, den Kreis der ausgewählten Journalisten angesichts der Entwicklung der sozialen Medien zu erweitern, verbirgt, dass es sich um eine grundsätzliche Neuentscheidung handelt und alteingesessene Medien durchaus ihren Platz in der vordersten Reihe verlieren können.

Aktuelles Beispiel ist die Associated Press (AP). Nachdem die Nachrichtenagentur sich weigerte, den jüngst erfundenen Begriff des "Golf von Amerika" anstatt des bisherigen geläufigen "Golf von Mexiko" zu benutzen, erhielt AP keinen Zugang mehr zum Weißen Haus. Eine Entscheidung, die von einem Gericht nun bestätigt wurde.

Wer die Macht hat

Während die Pressesprecherin des Weißen Hauses die Entscheidung lobte, indem sie betonte, dies gebe die Freiheit den Menschen wieder, gibt es massive Kritik. In einer gemeinsamen Erklärung der "White House Correspondents' Association", die nun nicht mehr die Entscheidungsgewalt hat, Reuters, AP und Bloomberg News, heißt es:

Dieser Schritt stellt die Unabhängigkeit der freien Presse in den USA in Frage. Er legt nahe, dass die Regierung die Journalisten auswählt, die über den Präsidenten berichten. In einem freien Land darf die Regierung nicht in der Lage sein, ihr eigenes Pressekorps auszuwählen.

Jacqui Heinrich, leitender Korrespondent für das Weiße Haus bei Fox News, einem Sender, der Donald Trump durchaus nahe steht, wird auf X sehr deutlich und schreibt:

Dieser Schritt gibt dem Volk nicht die Macht zurück – er gibt sie dem dem Weißen Haus.

Regelwerk für den Meinungsartikel

Zeitgleich entschied sich Jeff Bezos, Amazon-Gründer und zweitreichster Mensch der Welt, für die Meinungsseite der Washington Post als Besitzer der Zeitung ein Regelwerk zu formulieren. Auf X informierte er hierzu die Öffentlichkeit:

Diese Nachricht habe ich heute Morgen an das Team der Washington Post weitergegeben:

Ich schreibe Ihnen, um Sie über eine Änderung auf unseren Meinungsseiten zu informieren.

Wir werden jeden Tag zur Unterstützung und Verteidigung von zwei Pfeilern schreiben: persönliche Freiheiten und freie Märkte. Natürlich werden wir auch andere Themen behandeln, aber Standpunkte, die diesen Pfeilern entgegenstehen, werden von anderen veröffentlicht werden.

Bruch mit Tradition II

Die New York Times, ein traditionelles Konkurrenzblatt, betonte, wie sehr die neue Entscheidung einen Bruch mit der langjährigen Tradition der Washington Post sei.

Tatsächlich zeichnete sich die Meinungsseite der Zeitung durch seine Meinungsbreite aus. Hier fanden sich Beiträge sehr unterschiedlicher Journalisten mit einem recht breiten Meinungsspektrum.

Freiheit ist nicht gleich Freiheit

Die Begründung für diesen Schritt von Bezos lautet:

Es gab eine Zeit, in der eine Zeitung, vor allem wenn es sich um ein lokales Monopol handelte, es vielleicht als eine Dienstleistung ansah, den Lesern jeden Morgen einen breit gefächerten Meinungsteil vor die Haustür zu legen, der alle Ansichten abdecken sollte. Heute erledigt das Internet diese Aufgabe.

Ich bin aus Amerika und für Amerika, und ich bin stolz darauf. Unser Land ist nicht so weit gekommen, weil es typisch ist. Und ein großer Teil des amerikanischen Erfolgs ist die Freiheit in der Wirtschaft und überall sonst. Freiheit ist ethisch – sie minimiert Zwang – und praktisch – sie fördert Kreativität, Erfindungen und Wohlstand. (…)

Ich bin überzeugt, dass freie Märkte und persönliche Freiheiten das Richtige für Amerika sind. Ich glaube auch, dass diese Gesichtspunkte auf dem derzeitigen Markt der Ideen und Nachrichtenmeinungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Ich freue mich darauf, dass wir gemeinsam diese Lücke füllen können.

Es ist schon erstaunlich, wie er den rhetorischen Spagat versucht, auf der einen Seite das Hohelied der Freiheit zu singen, das im "Land of the Free" traditionell eine ganz besondere Bedeutung hat, und auf der anderen Seite zugleich durch die Festlegung der Definition von Freiheit, die Grenzen der zu veröffentlichenden Meinung festzustecken (und dadurch eben Zwang ausübt und nicht, wie er selbst verlautbaren lässt, Zwang minimiert).

Ganz abgesehen davon, dass es durchaus einer Diskussion bedarf, ob der sogenannte freie Markt in Wirklichkeit das unbestreitbar Gute ist, wie Jeff Bezos überzeugt ist. Wie sehr er selbst an den freien Markt glaubt, könnte derzeit auch vor Gericht geklärt werden.

Die Bundes-Handelskommission FTC und siebzehn Justizminister der Bundesstaaten haben gegen ihn ein Verfahren wegen mutmaßlicher Monopolbildung eingeleitet.

Harsche Kritik eines Ehemaligen

Marty Baron, ehemaliger Herausgeber der Washington Post, fand deutliche Worte in seiner Reaktion:

Bezos setzt sich für persönliche Freiheiten ein. Aber seine Nachrichtenorganisation verbietet jetzt andere Ansichten als seine eigenen in ihrem Meinungsteil. Noch vor wenigen Wochen bezeichnete sich die Post als Berichterstatter für "ganz Amerika.

Jetzt werden die Meinungsseiten nur noch für einen Teil Amerikas zugänglich sein, nämlich für diejenigen, die genauso denken wie er.

Bezos selbst hat den persönlichen Freiheiten einen Bärendienst erwiesen, indem er sich feige einem Präsidenten beugte, der keinen Respekt vor der Freiheit zeigt – einem, der die Macht der Regierung nutzen will, um jeden einzuschüchtern, zu bedrohen, zu bestrafen und zu vernichten, der nicht in seinem Lager ist, insbesondere die Presse.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass er dies aus Angst vor den Folgen für seine anderen Geschäftsinteressen, Amazon (die Quelle seines Reichtums) und Blue Origin (das seine lebenslange Leidenschaft für die Erforschung des Weltraums repräsentiert), tut. Er hat diesen kommerziellen Interessen Vorrang vor der Post eingeräumt und damit die langjährigen Prinzipien der Post verraten.

Aderlass

Die Entscheidung von Bezos ist nicht seine erste, die für Unruhe und Protest sorgt. Im Oktober hatte er explizit die traditionelle Präsidentschaftsempfehlung der Zeitung beendet.

Im Januar hatte er die Veröffentlichung einer Karikatur der Pulitzer-Preisträgerin Ann Telnaes untersagt, die ihn und andere Milliardäre zeigte, wie sie sich vor einer Statue des designierten Präsidenten Donald Trump verneigen. Daraufhin beendete Telnaes ihre Zusammenarbeit mit der Washington Post.

Einige Meinungsjournalisten, darunter Jennifer Rubin, haben die Zeitung in den letzten Monaten bereits verlassen. Rund 250.000 Menschen sollen ihr Abonnement beendet haben.

Auch die neue Entscheidung des Multimilliardärs traf innerhalb der Zeitung auf wenig Gegenliebe. David Shipley, der Meinungsredakteur der Zeitung, kündigte, nachdem er vergeblich versucht hatte, Bezos davon zu überzeugen, seine Entscheidung zu überdenken.

Jeff Stein, der leitende Wirtschaftsreporter der Zeitung, sprach von einen "massiven Eingriff" in die Meinungsredaktion der Post, der deutlich zeige, dass "abweichende Meinungen dort nicht veröffentlicht oder toleriert werden". Auf X kommentierte er:

Ich habe noch keine Übergriffe auf meinen Journalismus auf der Nachrichtenseite der Berichterstattung gespürt, aber wenn Bezos versucht, sich in die Nachrichtenseite einzumischen, werde ich sofort kündigen und es Sie wissen lassen.

Kampf um Freiheit

Vor dem Hintergrund, dass der US-amerikanische Vizepräsident J. D. Vance vor Kurzem in München massiv den Umgang mit der demokratischen Maxime der Meinungsfreiheit in Europa kritisiert und dabei explizit auch auf Deutschland Bezug genommen hat, offenbart sein eigenes Land den kritischen Zustand des so wichtigen Guts der Meinungsfreiheit.

Man sollte aber tunlichst vermeiden, dem aktuellen US-amerikanischen Reflex zu folgen und den moralischen Zeigefinger auf Verhältnisse jenseits des Atlantiks zu verankern. Auch hierzulande ist der Zustand der Meinungsfreiheit bedroht.

Meinungsfreiheit hegt und verteidigt man nicht durch moralisch aufgeladene Entrüstung über andere Länder, sondern zuerst einmal durch Taten und Worte im eigenen Land. Und vor allem im Hinblick auf Meinungen, die durch die Verfassung gedeckt sind, aber der eigenen diametral widersprechen.

Dort, wo das Verteidigen der Meinungsfreiheit eben keine angenehme Selbstbestätigung ist, sondern andere schützt. Frei nach dem Zitat, das Voltaire zugeschrieben wird:

Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.