Langzeitschäden durch die "Exxon Valdez" Ölpest

An der alaskischen Küste erzeugt das Öl des Tankers immer noch unerwartete toxische Schäden

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Als aus dem Tanker "Exxon Valdez" am 24.3.1989 in der nördlichen "Prince William Sound" Öl auslief, waren mehr als 750 km Küste betroffen. Nach dreieinhalb Jahren wurde eine Abnahme der Ölverschmutzung von 58 Prozent angenommen. Einige Zeit später ergaben weitere Analysen, dass die Klärrate für 1992-2001 nur mehr 20-26 Prozent jährlich betrug und sich dabei auf ein Volumen von etwa 806.000 kg bezog.

Charles Peterson von der University of North Carolina at Chapel Hill und weitere Mitarbeiter analysierten weitere Auswirkungen der Vorgänge und berichten darüber in Science. Heute besteht kein Zweifel, dass es zu schweren chronischen Schäden bei Fischen und Vögeln gekommen ist.

In der Küstenregion finden sich immer noch frische Ölablagerungen (Bild: NOAA/NMFS Auke Bay Laboratory)

Für den Lachs erreichen vier Jahre später die Konzentrationen von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mehr als 1 ppm und vermindern den Nachwuchs. Beim Seeotter hat die Erholung noch im Jahre 2000 nicht stattgefunden. Statt dessen sprechen die Ergebnisse für eine höhere Sterblichkeit der Vögel. Tatsächlich findet sich in der Leber das Detoxifizierungsenzym CYP1A. Es stammt vornehmlich von Protothaca staminea, der Muschel, die vom Seeotter verspeist wird und in den küstennahen Regionen überwiegt. Die Kragenente (Harelquin duck) bildet ein weiteres Beispiel für die chronische Schädigung: Neun Jahre später noch nimmt ihre Population um fünf Prozent jährlich ab. Und Pigeon guillemtos, ein Seevogel, der in erster Linie vom Schlick betroffen ist, zeigt bei seinem Nachwuchs, der nur Fisch zu essen bekommt, keine Veränderungen. Die Erwachsenen enthalten dafür jedoch das Detoxifizierungsenzym CYP1A und werden deshalb immer noch geschädigt.

Ein Loch zeigt im Gesteinsboden die Verunreinigung (Bild: NOAA/NMFS Auke Bay Laboratory)

Hinzu kommen viele indirekte Effekte. Beispielsweise der dramatische Verlust von Fucus gardneri: der Blasentang wurde, da in Ufernähe von Öl geschädigt, durch Chthamalus dalli 1990/91 ersetzt. Im Laufe der Zeit wuchs dann wieder der Blasentang, der aber anlässlich rauer See instabil war und 1994 abbrach. Damit deutet die Rekonstruktion auf eine beschränkte Lebenszeit hin.

Auch für den Killerwal gibt es keine rasche Erholung. 20 Prozent Mortalität im ersten und weitere 20 Prozent im folgenden Jahr. Danach kommt die Desintegration in der Folgezeit hinzu, weil die Tiere noch unterschiedlich geschädigt sind und teils nicht vermehrungsfähig, teils mit Fehlern geboren sind.

Diese Erfahrungen machen deutlich: Labortests sind ungeeignet für die Bestimmung des ökologischen Risikos. Statt dessen gibt es zunehmende Unterstützung für physiologische, biochemische und histopathologische Untersuchungen und die Entwicklung molekularer Werkzeuge. Ferner zeigen die Ergebnisse, dass verzögerte chronische und indirekte Effekte auftreten können.

Die Küste sieht makroskopisch schön aus (Bild: NOAA/NMFS Auke Bay Laboratory)

Aus der Sicht der Forscher haben sich deshalb Effekte dokumentiert, die über die akute Phase hinausragen:

In der Küstenzone: Öl zersetzt sich unterschiedlich. Am längsten hält es in den Sedimenten, da die Zersetzung über Jahre hinweg bruchstückhaft erfolgt.

Öl-Toxizität für Fische: Langzeitwirkung auf Fischembryos. Die 3- bis 5-ringförmigen Kohlenwasserstoffe haben Auswirkungen auf die Population durch indirekte Effekte (Wachstum, Deformitäten, Verhalten) sowie auf die Mortalität und die Reproduktion.

Öl-Toxizität für Seevögel und verwandte Tiere: Langzeiteffekte durch natürliche Stresserzeuger und die kompromittierende Gesundheit der exponierten Tiere: durch chronisch-toxische Auswirkungen von kontaminiertem Futter oder durch Futter aus persistierenden sedimentären Öl-Pools, oder durch die Unterbrechung vitaler sozialer Funktionen (Versorgung oder Reproduktion).

Ölwirkungen auf Küstenregionen: Reinigungsbemühungen (chemisch und physikalisch) können mehr schaden als das Öl. Wegen der herrschenden biologischen Wechselwirkungen in steinigen intertidalen Zonen und im Tang entstehen Kaskaden von verzögerten indirekten Einflüssen. Die Auswirkungen betreffen nicht nur direkte Verluste, sondern können die Wiederherstellung über Jahre und Jahrzehnte hinweg verlangsamen.

Es ist schon bemerkenswert, wie wir die verschiedenen Tankerunfälle aufarbeiten. Das Interesse der Presse bleibt akut auf die Region und etwas länger auf den akuten Wasserschaden beschränkt. Langzeitwirkungen, wie bei der "Exxon Valdez", dokumentieren hingegen eine chronische Schädigung über 10 und mehr Jahre. Das ist nicht mehr interessant genug für große Schlagzeilen.