Lauterbachs Krankenhausreform: Explodieren jetzt unsere Beiträge?
Die gute Nachricht ist für Privatpatienten: Das Finanzierungskonzept belastet vor allem gesetzlich Versicherte. Bleibt es dabei?
Nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war es ein "guter Tag für die Patientinnen und Patienten" und "eine Revolution in unserem Krankenhaussektor", was er am Mittwoch in der Bundespressekonferenz zu verkünden hatte.
Revolution oder Luftnummer? Lauterbachs Reformplan
Mit der zuvor im Kabinett beschlossenen Krankenhausreform gehe die Bundesregierung drei große Probleme an, die es seit mindestens zehn Jahren in diesem Sektor gebe, so Lauterbach. Als solche benannte er Mängel in der Versorgungsqualität durch fehlende Spezialisierung, eine zu starke Ökonomisierung und ein Übermaß an Bürokratie.
Die Spezialisierung soll nun durch Einführung von 65 Leistungsgruppen zur Abbildung der Qualität gefördert werden. Konkret heißt das: Medizinische Leistungen sollen in Zukunft nur noch dort erbracht werden, wo auch die geeignete technische Ausstattung, dafür qualifiziertes Personal und erforderliche Fachdisziplinen zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung dafür vorhanden sind.
Vorgesehen ist, dass Leistungsgruppen den Krankenhäusern durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen werden können, wenn sie die jeweils geltenden Qualitätskriterien erfüllen.
Die Behörden entscheiden darüber, an welchen Krankenhausstandorten welche Leistungen unter diesen Voraussetzungen erbracht werden. Ausnahmsweise soll aber die Zuweisung einer Leistungsgruppe trotz Nichterfüllung der Qualitätskriterien zulässig sein, wenn dies zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung zwingend erforderlich ist.
Vorhaltepauschalen statt Fallpauschalen: Eine Autokorrektur?
Um zu vermeiden, dass aus ökonomischen Gründen medizinische Eingriffe ohne echte Notwendigkeit durchgeführt würden – was Lauterbach als Folge des Fallpauschalensystems beschrieb – sollen in Zukunft 60 Prozent des Budgets aus Vorhaltepauschalen kommen.
"Krankenhäusern, die entsprechende Strukturen einer Leistungsgruppe vorhalten, wird so der ökonomische Druck genommen", sagte Lauterbach, der an der Einführung der Fallpauschalen im Jahr 2003 als Berater der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt selbst beteiligt gewesen war.
Krankenhausreform als Kostenfalle für Kassenpatienten?
Mit Leistungsgruppen und Vorhaltepauschalen müsse nicht mehr jeder Fall bürokratisch aufwendig kontrolliert werden, betonte er am Mittwoch und gab sich überzeugt, durch die Reform Kliniken vor der Insolvenz zu retten. Finanziert werden soll sie wie folgt:
Mit der Einrichtung eines Transformationsfonds und den Regelungen zu den Eigenfinanzierungsanteilen der Länder wird in den Jahren 2026 bis 2035 ein Finanzvolumen von bis zu insgesamt 50 Milliarden Euro bereitgestellt, das jeweils zur Hälfte durch die Länder und aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und damit aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzubringen ist.
Aus dem Kabinettsentwurf für ein Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz
Klartext: Privatpatienten bleiben hierbei außen vor. Das Urteil von Sozialverbänden und der Gewerkschaft ver.di, in der zahlreiche Krankenhausbeschäftigte organisiert sind, fällt gemischt aus.
Kritik: Unfaire Lastenverteilung bedroht gesetzlich Versicherte
Die Präsidentin des Sozialverbands VDK, Verena Bentele, sieht in der Reform zwar "Potenzial, die Qualität des Gesundheitssystems im Sinne der Patientinnen und Patienten deutlich zu verbessern". Sie kritisiert aber das Finanzierungskonzept als ungerecht und befürchtet drastische Beitragserhöhungen für gesetzlich Versicherte:
Im jetzt anstehenden Gesetzgebungsprozess muss dringend noch an der Finanzierung gearbeitet werden. Es kann nicht sein, dass die gesetzlich Versicherten allein zur Kasse gebeten werden. Das würde zu extremen Beitragserhöhungen führen. Der VdK fordert, die Privatversicherten in die Finanzierung der 25 Milliarden Euro für die Transformation einzubeziehen oder diese aus Steuermitteln zu bezahlen.
VdK-Präsidentin Verena Bentele
Auch Gewerkschaft warnt vor Beitragserhöhungen
Auch die Gewerkschaft ver.di fordert diesbezüglich Nachbesserungen:
Es braucht Geld für Investitionen, um einen sinnvollen Umbau der Kliniklandschaft zu ermöglichen. Dafür ist der geplante Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro wichtig. Die Hälfte dieser Summe den gesetzlich Versicherten aufbürden, geht allerdings gar nicht. Bund und Länder müssen die Finanzierung aus Steuermitteln sicherstellen.
Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand
Grundsätzlich findet es die Gewerkschaft "gut, dass die Bundesregierung in Sachen Krankenhausreform aufs Tempo drückt".
Unionsfraktion wirft Ampel-Regierung Alleingang vor
Härter fiel am Mittwoch das Urteil von Oppositionsparteien aus. "Ohne sich über die konkreten Folgen für die Versorgung vor Ort klar zu sein, plant die Bundesregierung im Alleingang den Umbau auf Kosten der Länder und Versicherten", erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge. "Der dringend nötige Transformationsfonds ist nicht ausfinanziert. Die Ampel nimmt zudem bleibende Schäden der Krankenhauslandschaft in Kauf."
Sehr grundsätzliche Kritik kam von der Partei Die Linke: "Lauterbachs Krankenhausreform ist keine Revolution, sondern ein Etikettenschwindel", befand am Mittwoch deren Ko-Chef Martin Schirdewan.
Forderung der Linken: Krankenhäuser wieder in öffentliche Hand
Die Krankenhäuser werden nicht aus den ihnen auferlegten ökonomischen Zwängen befreit. Mit Lauterbachs Plänen werden unsere Krankenhäuser weiterhin Geldanlageobjekte sein und deshalb gezwungen sein, Geschäfte mit der Gesundheit von Menschen zu machen.
Martin Schirdewan, Die Linke
Um dem Gemeinwohl zu dienen, müssten die Krankenhäuser als Betriebe der öffentlichen Daseinsvorsorge wieder in die öffentliche Hand, so Schirdewan. Um dies umzusetzen, fordert er einen Kommunalisierungs-Fonds aus EU-Mitteln.
Länder könnten Krankenhausreform im Bundesrat blockieren
Die Länder könnten die von Lauterbach geplante Krankenhausreform noch im Bundesrat blockieren. Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) forderte am Mittwoch eine Auswirkungsanalyse und warnte vor einer Klagewelle.
Dabei weiß sie ihre Amtskollegen von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder an ihrer Seite. Bereits Ende April hatten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme Korrekturen an dem Gesetzentwurf verlangt.