Leben auf oder vom Mars?

Mars-Meteoriten als Reisebehälter für Marsbakterien

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Der Mars, obzwar keineswegs ein wesentlich freundlicher Ort, bleibt das Wunschziel für weitere Missionen, der Suche nach Leben oder gar der Impfung mit Leben. Die NASA gab bekannt, dass sie trotz der Pannen weitere Missionen plant, Wissenschaftler meinen Beweise für die Möglichkeit gefunden zu haben, dass Bakterien in Meteoriten von Planet zu Planet reisen können, und man macht sich bereits Gedanken, ob der das mögliche, wenn auch unwahrscheinliche Leben auf dem Mars vor irdischen Eindringlingen geschützt werden sollte.

Passend war die Meldung im Sommer 1996, die vor der Pathfinder-Mission die Runde machte, dass Wissenschaftler angeblich auf einem kleinen Meteoriten vom Mars mit dem banalen Namen ALH84001 chemische Spuren entdeckt haben wollten, die von Bakterien hätten hinterlassen werden können. Sogar Präsident Clinton war der Befund eine Erklärung wert. Das waren zwar keine grüne Männchen, Kanäle auf dem roten Planeten oder gar eine Wellsche Invasion von Marsbewohnern, aber es ergab doch eine spektakuläre Meldung, dass Leben möglicherweise doch nicht nur auf der Erde existiert. Der Streit wogte hin und her, bis dann sich eher die Meinung durchsetzte, dass die Spuren nicht von Lebewesen stammen, sondern lediglich Folgen von gewöhnlichen chemischen Prozessen. Auch die Pathfinder-Mission zeigte nur Steine und Wüste. Jetzt hoffen diejenigen, die uns nicht gerne alleine wissen wollen, dass möglicherweise in Höhlen oder unter Eisschichten noch Nischen für Mikroorganismen sein könnten.

Doch der in der Antarktis gefundene Meteorit hat eben wieder eine neue wissenschaftliche Karriere gemacht. Zwar ist nach wie vor umstritten, für was die auf ihm entdeckten Spuren zeugen können, doch zumindest wollen Wissenschaftler des California Institute of Technology herausgefunden haben, wie sie in "A Low-Temperature Transfer of ALH84001 from Mars to Earth" schreiben, dass durchaus Leben hätte auf vom Mars zur Erde resien können. Zumindest sei der Meteorit, der vor etwa 16 Millionen Jahren von der Oberfläche des Mars, vielleicht durch den Einschlag eines Asteroiden, bis zur Oberfläche der Erde gesaust ist, in seinem Inneren niemals so heiß geworden, dass dadurch Bakterien oder sogar Pflanzensamen und Pilze getötet worden wären: "Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass Steine in einem Jahr vom Mars zur Erde fliegen und dass lebendige Organismen mehrere Jahre im Weltraum leben können. Daher ist die Übertragung von Leben durchaus möglich."

Magnetisches Bild einer Probe in der Größe von 1 mm * 2 cm * cm des Marsmeteoriten ALH84001

Hitze verändert die magnetischen Eigenschaften von Steinen. Die Wissenschaftler hatten mit dem Ultra-High Resolution Scanning Superconducting Quantum Interference Device Micrsoscope (UHRSSM) den Stein untersucht, mit dem sich Unterschiede in der magnetischen Orientierung feststellen lassen. Die Messung ergab, dass der Meteorit in seinem Inneren nicht über 40 Grad Celsius erwärmt wurde, was für die Wissenschaftler eine Bestätigung der Hypothesen darstellt, dass Meteoriten Leben zwischen den Planeten unseres Sonnensystems übertragen könnten. Steinproben wurden über 40 Grad erwärmt, wobei sich Veränderungen der magnetischen Linien feststellen ließen. Dass Bakterien wie Bacillus subtilis (Grippeviren aus dem Weltall?) oder Deinococcus radiodurans (With a little help from my friends ...) nicht nur sehr zäh sind, einige Arten auch starke UV-Strahlen aushalten und ihre Sporen möglicherweise auch noch nach 250 Millionen Jahren wiederbelebt werden können (Wiedererweckung zum Leben nach 250 Millionen Jahren), haben Forschungsberichte zumindest nahe gelegt.

Angebliche Spuren von Leben auf dem Marsmeteoriten

Der Mars hatte vermutlich einmal die notwendigen Voraussetzungen zur Entstehung von Leben. Wahrscheinlich war er nicht nur einmal wärmer, sondern es gab auch flüssiges Wasser. Und wahrscheinlich herrschte seit der Entstehung der Planeten auch ein intensiver Verkehr von Steinen und Felsen vom Mars zur Erde, so dass möglicherweise die Organismen auf der Erde sogar die Überlebenden des Mars sein könnten. Immerhin sollen jede Jahr eine Tonne an faustgroßen und größeren Steinen vom Mars auf die Erde prasseln. Curt Mileikowsky, ein schwedischer Physiker, hatte kürzlich ausgerechnet, dass mehr als 5 Milliarden Steine, die Bakterien beherbergt haben könnten, in den letzten vier Milliarden Jahren auf die Erde gefallen seien. In der ersten halben Milliarde Jahre nach der Entstehung der Planeten waren es noch wesentlich mehr. Die Wahrscheinlichkeit also wäre groß, dass es, falls es denn auf dem Mars einmal Leben gegeben haben sollte, Bakterien auf die Erde geschafft haben könnten. Allerdings flogen auch von der Erde Steine zum Mars, wenn auch wesentlich weniger, da mehr Energie benötigt wird, um diese aus der Erdanziehungskraft heraustreten zu lassen. Immerhin sollen auch von der Erde eine Milliarde Steine, in denen Bakterien hätten überleben können, auf den Mars geregnet sein. Vielleicht gab es also auch einen frühen Austausch? Doch all das sind reine Spekulationen.

Ob das von der NASA eben beschlossene Mars-Programm wirklich darüber neue Kenntnisse bringen wird, ist natürlich fraglich. Immerhin sollen erstmals auch Erdproben und Steine zur Erde geholt werden, bemannte Missionen seien in naher Zukunft aber nicht geplant. Die NASA betont, dass es bei dem neuen Marsprogramm vornehmlich um die "Wissenschaft" gehe, und dass es sich dabei gewissermaßen um ein Paket handelt. Die nächsten fünf Jahre sollen jährlich 450 Millionen Dollar in das Marsprogramm investiert werden, vielleicht auch, um dem europäischen Mars Express Paroli zu bieten (Invasion von der Erde).

Was auch immer die Mars-Missionen der ESA und der NASA finden werden, so machen sich auf der von Marssteinen überschütteten Erde manche Wissenschaftler schon Gedanken, was wäre wenn ... Beispielsweise denkt der Astrobiologe Christopher McKay vom Ames Research Center der NASA über die "Rechte des eingeborenen Marslebens gegenüber der Welterkundung der Menschen" nach. Falls auf dem Mars Leben entdeckt werden sollte, das anders wäre als das irdische Leben, so sollte man es schützen oder gar den Mars so verändern, dass es sich auf dem Planeten so ausbreiten kann, wie das Leben auf der Erde.

Andererseits gäbe es, so McKay, in der Mars-Forschergemeinschaft die Übereinstimmung, dass es für die Wissenschaft, die Kultur und die Menschheit von Wert sein könnte, auf einem toten Planeten irdisches Leben anzusiedeln: "Die Wiederherstellung von bewohnbaren Bedingungen auf dem Mars ist technisch möglich. Die Erde könnte dem Mars, der seit langem tot ist, das Geschenk ihres Genoms geben: ein biologisches Erbe, das Milliarden von Jahren der Evolution einschließt. Für den Mars würde dies einen Sprung zurück in die biologische Zukunft bedeuten."

Ethisch jedenfalls wäre es für McKay nicht vertretbar, ein andersartiges Leben auf dem Mars einfach zu überrollen oder es in Reservate "einzusperren", damit sich die Menschen mit ihrer Biosphäre im Sinne des Terraforming ausbreiten können. Die moralische Achtung würde dabei nicht den einzelnen Bakterien gelten, sondern einem "zweiten Lebenstyp". Was eine friedliche Ko-Existenz angeht, so glaubt McKay nicht recht an diese Möglichkeit, schließlich habe das Leben auf der Erde alle möglichen Nischen erobert und würde auch mit den Organismen vom Mars konkurrieren: "Ökologische Prinzipien legen nahe, dass schließlich ein System das andere verdrängen wird. Die beiden Lebensformen könnten nicht lange denselben ökologischen Raum gleichzeitig bewohnen."

McKay geht allerdings davon aus, dass sich auf dem Mars wohl kein Leben mehr finden wird. Es gäbe beispielsweise keine Hinweise auf ein für das Leben entscheidendes verbundenes hydrothermales System auf der Marsoberfläche. Bakterien auch von anderen Planeten könnten sich nicht ausbreiten. Nach der Gaia-Hypothese wäre Leben entweder überall oder gar nicht vorhanden, denn Leben hat sich auf der Erde den Planeten mit seiner Atmosphäre angepasst. Auf dem Mars gibt es keine Spuren einer solchen Biosphäre, was allerdings nicht heißen müsse, dass es nicht auch irgendwo, vielleicht durch Höhlen geschützte Nischen mit Leben geben könnte. Jedenfalls meint McKay, dass man sich geistig auf alle Eventualitäten vorbereiten müsste.