Leben mit der Klimakrise: Die Anpassung der Wälder und wie die Natur den Takt vorgibt
Polizei ermittelt nach Waldbrand im Harz. Derweil sollen Wälder resilienter werden. Menschen treiben vor Ort den Umbau voran. Die Gesetzgebung hinkt hinterher.
Es hat Tage gedauert, bis das Feuer im Harz gelöscht werden konnte. Ausgebrochen war der Waldbrand an mehreren Stellen nahe der Kesselklippe in der Nähe des Brockens. Aktuell sucht die Polizei Zeugen. Die Möglichkeit des Funkenflugs durch die Schmalspurbahn am Brocken wird als Ursache bisher ausgeschlagen. Allerdings hatte es vor zwei Jahren an derselben Stelle schon einmal gebrannt.
Lesen Sie auch:
Urlaub am Mittelmeer: Wenn Touristenziele zu Katastrophengebieten werden
Planet in Flammen: Was treibt die Waldbrände weltweit an?
Trotz Klima-Desaster: Rekordsommer für Lufthansa & Co.
Waldbrände: Feuer von einem neuen Ausmaß
Klimakrise eskaliert: Rekordbrände, Dürren – und ein Lichtblick für die Jugend
Generell sind die Fichtenforste in den Hochlagen des Harzes gebeutelt von Borkenkäfer, Dürren und Sturmschäden. Touristen müssen sich an den hohen Totholzanteil im Nationalpark gewöhnen. Nach jahrhundertelanger Nutzung soll die Natur sich die Wälder nun wieder zurückholen, so ist der Plan. In so genannten Naturdynamikzonen bleibe der Wald auf über 70 Prozent der Fläche sich selbst überlassen und vertraue auf seine Kräfte.
Bis auf sehr wenige Ausnahmen greife der Mensch nicht mehr ein. "So entsteht im Harz die Wildnis von morgen und erwacht mit ihrer ureigenen biologischen Vielfalt wieder zu neuem Leben", verspricht die Nationalpark-Verwaltung auf ihrer Website.
Brandenburg: nach dem Feuer wächst ein Mischwald
Auch die Gohrischheide in Brandenburg wurde im Sommer 2022 Opfer eines Waldbrandes. Im Grenzgebiet zwischen Brandenburg und Sachsen brannten insgesamt rund 850 Hektar ab, davon 300 Hektar auf Brandenburger Seite. Die Schäden gingen in die Millionenhöhe.
Die brennenden Flächen gehörten fast ausschließlich Privatbesitzern. So wurde das mehr als vier Hektar großes Waldgebiet von Michael Marth während des tagelangen Feuers komplett vernichtet. Aus der verbrannten Fläche entwickelte sich eine wilde Wiese mit kleinen Bäumen, die zwischen Gräsern und Blumen wachsen. Waren die Flächen früher zu 98 Prozent mit Kiefern besiedelt, wachsen hier heute kleine Eichen und andere junge Laubbäume.
Mehr als die Hälfte der Fläche in Bad Liebenwerda wird aufgeforstet. In Zukunft wird der Wald ein Mix aus verschiedenen Bäumen. Das schützt ihn besser vor großen Waldbränden. Nur noch ein paar verkohlte Baumstümpfe und einige Kieferngerippe erinnern heute an das Flammeninferno in der Gohrischheide.
Laut Försterin Maria Göbel ist im Revier Bad Liebenwerda bereits 40 von 70 Hektar aufgeforstet - mit vierzehn verschiedenen Baumarten. Der Wald sei gut in die "erste Wuchsperiode" gestartet, auch der Regen in diesem Jahr half dabei. Nach der erfolgten Aufforstung im letzten Jahr seien die Setzlinge in diesem Jahr gut angewachsen, bestätigt Waldbesitzer Michael Marth.
Neubepflanzung wird vom Land gefördert
Es gebe auch Waldbesitzer, die nicht erreichbar seien und auf deren Flächen bislang noch nichts passiert sei, erklärt die Revierleiterin. Die Untätigkeit einiger Waldbesitzer berge die Gefahr, dass im Falle eines erneuten Waldbrandes sich nicht aufgeforstete Waldflächen zum Brandbeschleuniger entwickeln, befürchtet Martin Neumann von der Feuerwehr Bad Liebenwerda.
Vor allem sollten größere Mengen Totholz dringend entfernt werden. Kleinere Mengen Totholz seien jedoch nicht notwendigerweise ein Problem. In diesem Jahr sei die Waldbrandsaison "glücklicherweise glimpflich" verlaufen. Nur wenige und kleine Flächen brannten in der Region.
Bis zum Ende des Jahres wird der Waldumbau noch mit Fördermitteln gestützt, die von den meisten Waldbesitzern genutzt werden: Das Land übernimmt bis zu siebzig Prozent der Aufforstung. Zum Jahresende läuft die Förderung aus, doch Maja Göbel und Michael Marth fordern eine Verlängerung. Denn der junge Wald bedarf eines hohen Pflegeaufwandes.
Waldumbau in Thüringen schreitet voran
Thüringen verlor durch Borkenkäfer, Trockenheit und Sturm seit 2018 insgesamt 120.000 Hektar Wald - ein Fünftel der Gesamtwaldfläche. Und trotz des diesjährigen feuchten Sommers gibt es keine Entwarnung. Laut Forstministerin Susanna Karawanskij (Linke) sind im Vorjahr vier Millionen Bäume in Thüringer Wäldern neu gepflanzt worden. Bis 2030 sollen mit dem "Aktionsplan Wald" 500 Millionen Euro in den Waldumbau investiert werden.
Eine Schlüsselrolle bei der Walderneuerung spielt die einzige landeseigene Forstbaumschule in Breitenworbis im Eichsfeld: Seit mittlerweile 60 Jahren zieht sie Bäume von 32 verschiedenen Arten groß. Saatgut und Bäume werden ganzjährig in großen Gewächshäusern und Schattenhallen gezogen und auf die Bedingungen im Wald vorbereitet. Seit 2021 ist die staatliche Baumschule mit zehn Mitarbeitern neben dem Forstrevier eigenständig. Nach der Wende wurden aus dem Saatgut überwiegend Fichten und Buchen gezogen - bis zu 300.000 pro Jahr.
Mittlerweile verlassen jährlich rund 1,5 Millionen Bäume die Schule. Damit könnten 800 bis 1.000 Hektar Wald aufgeforstet werden. Gebraucht würden noch viel mehr. Allerdings fehlt das notwendige Saatgut aus heimischen Wäldern.
Rheinland-Pfalz: Gefahr durch umstürzende Eichen im Wald
In Wäldern der Vorder- und Südpfalz sorgt der Klimawandel überraschend für ein Sterben der Eichen – eine Baumart, die bisher als besonders widerstandsfähig galt. Das Sterben alter Eichen geht erschreckend schnell, klagt Jürgen Render, Leiter im Forstrevier Modenbach im Interview mit der ARD.
Im Gemeindewald von Schwegenheim (Kreis Germersheim) sind viele Eichen nur noch Baum-Skelette ohne belaubte Kronen. In den Wäldern der klimatisch besonders warmen Rheinebene konnten selbst durch die häufigen Regenfälle in diesem Jahr die alten Baumriesen nicht mehr gerettet werden.
Zum Beispiel wurde eine etwa 200 Jahre alten Eiche, die im letzten Jahr noch belaubt und relativ gesund war, im Januar durch eine Sturmböe umgeworfen. Wegen des völlig abgestorbenen Wurzelballens habe der Baum den Halt im Boden verloren.
Baumsterben durch 20 Jahre Trockenstress
Seit dem im Hitzejahr 2003 werden die Eichen durch zunehmende Trockenheit immer weiter geschädigt, erklärt der Förster. Die Bäume leiden unter Trockenstress - für Pilze sind das beste Bedingungen, in die Wurzeln einzudringen. Außerdem befallen wärmeliebende Käfer die geschwächten Bäume.
Auch junge Eichen sterben in den Wäldern der Vorder- und Südpfalz. Schuld daran sind die seit Jahren sinkenden Grundwasserspiegel. Aufgrund des vielen Regens in diesem Jahr habe sich das Grundwasser zwar etwas erholt. Für viele geschwächte Bäume komme der Regen jedoch zu spät.
In der Vorderpfalz waren vor allem Kiefern vom Klimawandel bedroht. Im Schwegenheimer Wald zum Beispiel finden sich viele braune Baumkronen. Grün sind dort nur noch die Blätter der Misteln, die den Kiefern den letzten Tropfen Wasser rauben. Doch auch um Hainbuchen, Linden und die eigentlich widerstandsfähigen Edelkastanien sorgt sich der Förster. Im Pfälzer Wald wegen seiner höheren Lagen jetzt weniger heiß und trocken, doch könne sich hier bald ein ähnliches Szenario abspielen.
Wald profitiert von Regenmengen in diesem Jahr
Unter den absterbenden Bäumen im Wald bekamen Baumsamen genug Wasser und Licht, sodass die nächste Generation bereits mit saftig grünen Blättern auskeimt. Neben Linden, Buchen und Eichen sprießt auch ein junger Bergahorn – eine Baumart, die sowohl mit Überschwemmungen als auch mit andauernder Trockenheit gut zurechtkommt.
Hitze- und Trockenjahre infolge haben dem Wald stark zugesetzt. Der Wassermangel, bis hinunter in tiefe Bodenschichten, schwächte seine Vitalität, Borkenkäfer erledigten den Rest. Auch falsche Bewirtschaftungsmethoden tragen zu Waldsterben bei: das Pflanzen anfälliger Monokulturen statt Mischwälder, schnell wachsende Fichtenäcker auf ungeeigneten Standorten.
Brachiale Holzerntemethoden mit schweren Maschinen – all das trägt zum Waldsterben bei. Nur noch jeder fünfte Baum gilt laut der letzten Waldinventur als gesund.
Bundeswaldgesetzesnovelle – nur ein zahnloser Tiger?
Ein neues Waldgesetz hatte die Ampelregierung bereits vor einigen Jahren versprochen. Kürzlich stellte Landwirtschafts- und Forstminister Cem Özdemir seinen Entwurf in die Ressortabstimmung im Bundeskabinett vor. Doch von dem einst ambitionierten Ampel-Projekt ist nicht viel übrig geblieben.
Statt des erhofften neuen Gesetzes mit Leitlinien zum Waldumbau sind nun Änderungen im alten Text aus dem Jahr 1975 vorgesehen – als von Waldsterben und Klimawandel noch keine Rede war. Dieses Gesetz definiert den Wald hauptsächlich als Holzlieferanten, nicht aber als schützenswertes und schützendes Ökosystem. Deshalb soll die wirtschaftliche Nutzung des Waldes und dessen ökologischen Schutzziele gleichgestellt werden.
Anstatt ungenehmigte Kahlschläge hart zu bestrafen, werden sie nur als "Ordnungswidrigkeit" mit einer Geldbuße belangt. Auch soll die Verantwortung für den klimaresilienten Waldumbau größtenteils bei den Bundesländern liegen.
Nicht nur die Lobby der Waldbesitzer will das 50 Jahre alte Gesetz behalten, auch die FDP hält die Novelle für unnötig. Unterdessen appellieren die Umweltverbände an den Forstminister, seinen Entwurf nachzubessern. So formulierte der BUND fünf konkrete Kernforderungen: • Waldfunktionen in ihrer Bedeutung priorisieren,
• Gemeinwohlfunktion der öffentlichen Wälder stärken,
• Kahlschläge und übermäßige Auflichtung des Kronendaches verbieten,
• Mindeststandards für Biotopbäume, Totholz und Bodenschutz einführen,
• Waldumbau vorantreiben, Naturverjüngung schützen.
Waldumbau geht nur von unten
Das zeigen obige Beispiele. Die Naturgewalten warten nicht, bis die Politik endlich handelt. Wenn Wälder brennen und Eichen sterben, muss der Mensch sofort tätig werden und den Wald so umbauen, dass er mit dem sich ändernden Klima zurechtkommt. Bis das passende Gesetz endlich dazu verabschiedet wird, kann es für den Wald zu spät sein.