Lebt der Elfenbeinspecht nun noch – oder doch nicht?

Kritiker bezweifeln, dass "Ivory Bill" tatsächlich überlebt hat

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Es ist nur wenige Monate her, dass die Sensationsmeldung vom wiederentdeckten Elfenbeinspecht (Ivory-billed Woodpecker Campephilus principalis) um die Welt ging (Auferstanden aus den Sümpfen des Südens). Bis heute gibt es jedoch Kritiker, die bezweifeln, dass der totgesagte Vogel in den Sümpfen von Arkansas überlebt hat. Sollten die Kritiker Recht behalten, wäre das nicht nur ein großer Rückschlag für die Forscher der amerikanischen Cornell Universität, die fest an die Existenz des Elfenbeinspechsts glauben, sondern auch für den amerikanischen Umweltschutz.

So gibt es nur dann Gelder für ausgedehnte Schutzgebiete und langfristige Forschungsprojekte, wenn eine attraktive Tierart im Spiel ist. Jedoch profitieren auch zahlreiche weniger spektakuläre, vom Aussterben bedrohte Arten wie der Kirtlands Waldsänger (Kirtland's Warbler Dendroica kirtlandi) von den Bemühungen um den Elfenbeinspecht.

Klopf-Klopf

Was genau hat das Cornell-Team bislang in der Hand? Erstens den Augenzeugenbericht des Kajak-Fahrers Gene Sparling, der im Februar 2004 einen großen, ungewöhnlich gemusterten Specht vorbeiflattern sah, seine Beobachtung im Internet veröffentlichte und damit das Interesse von Ornithologen der Cornell Universität erregte.

Auch ohne Hurrikan schauen die Sümpfe Louisianas so aus (Bild: Kevin McGowan/Cornell Lab of Ornithology)

Flugs reisten die Forscher in die Sümpfe des Südens, wo es zu einer Handvoll weiterer Sichtungen kam. Vorläufiger Höhepunkt der Dokumentation ist eine unscharfe Videoaufnahme vom April 2004, angefertigt von einem Forscherteam, das tagelang im Cache River National Wildlife Refuge unterwegs war. Nicht schlecht für die ersten Lebenszeichen seit über 60 Jahren von einem offiziell für ausgestorben erklärten Vogel, doch auf Dauer etwas dürftig.

Nachdem die ersten Wogen der Begeisterung verebbt waren, meldeten sich kritische Stimmen. Drei renommierte Forscher wollten gar einen wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlichen, in dem sie darlegen, warum die Nachweise, die die Kollegen von der Cornell University zusammengetragen haben, vielleicht ein Hinweis auf, aber noch lange kein Beweis für das Vorkommen des Elfenbeinspechts im fraglichen Gebiet sind.

Bekehrte Zweifler

Doch dann veröffentlichte das Cornell-Team eine Reihe von Tonaufnahmen, auf denen unter anderem das charakteristische "Klopf-Klopf" des Elfenbeinspechts zu hören ist. Außerdem hatten sie bei der Auswertung von 18.000 Stunden Außenaufnahmen einige Lautäußerungen geortet, bei denen es sich um so genannte "Kent-Rufe" des Elfenbeinspechts handeln könnte. Den aktuellen Stand der Elfenbeinspecht-Forschung präsentierten sie bei der Jahrestagung der American Ornithologists' Union Ende August in Santa Barbara.

Ein Mann hat einen Vogel: Der Elfenbeinspecht „Sonny Boy“ setzte sich bei der 1935er-Expedition in den Sümpfen von Louisiana dem Führer J.J. Kuhn auf den Hut (Bild: James T. Tanner / Cornell University)

Die Zweifler Richard Prum von der Yale University), Mark Robbins von der University of Kansas und Jerome Jackson von der Florida Gulf Coast University zogen ihre Anfechtung in letzter Minute zurück, wobei Jackson gerade außer Landes war, als seine beiden Co-Autoren beschlossen, das kritische Papier vorerst doch nicht zu veröffentlichen. Vorerst deshalb, weil die Zweifel nicht komplett ausgeräumt sind. Prum glaubt zwar, dass die Tonaufnahmen vom Elfenbeinspecht stammen, den Vogel im Video jedoch hält er nach wie vor für einen Helmspecht (pileated woodpecker, Dryocopus pileatus).

Robbins wollte sich am Rande der Ornithologentagung Ende August gegenüber der New York Times zunächst nicht ganz festlegen, aber immerhin fand er die Tonaufnahmen "bezwingend". Einige Wochen zuvor war er noch ganz begeistert und fest davon überzeugt, dass die Lautäußerungen vom Elfenbeinspecht stammen.

Original und Nachahmung

Tatsächlich sind die Aufnahmen eine verzwickte Angelegenheit. Denn nicht nur der Elfenbeinspecht macht "Klopf-Klopf", auch einige andere Spechtarten, die in derselben Gegend heimisch sind, haben zwei kurz aufeinander folgende Trommelschläge im Repertoire. Auch die nasalen "Kent-Rufe" könnten von anderen Vogelarten stammen, zum Beispiel vom Carolinakleiber (White-breasted Nuthatch Sitta carolinensis) oder vom Blauhäher (Blue Jay Cyanocitta cristata), der für seine Imitationskünste bekannt ist.

Das Cornell-Team bittet sogar ausdrücklich um die Einsendung von Aufnahmen, auf denen Kent-artige Rufe des Blauhähers zu hören sind. Denn je mehr Kent-artige Rufe vorhanden sind, die eindeutig vom Blauhäher stammen, desto exakter kann man sie vom Original Kent-Ruf des Elfenbeinspechts unterscheiden und dem scheuen Vogel endlich auf die Schliche kommen. Wer will, kann auf der Website der Cornell Universität die fraglichen Aufnahmen anhören und die dazugehörigen Sonagramme (visuelle Darstellung der Aufnahmen) vergleichen.

Der Fotobeweis

Was jetzt dringend benötigt wird, ist ein gestochen scharfes Foto, auch eine halbwegs gute Videoaufnahme wäre ein großer Gewinn. Das Cornell-Team setzt nun alles auf die kommende Beobachtungs-Saison, die offiziell am 1. November beginnt. Im Sommer sind die meisten Vögel recht still und heimlich, erst im Herbst, wenn es ans Balzen geht, werden sie vorlauter. Ein balzendes Elfenbeinspechtpaar wäre eine Sensation, denn bislang geht man anhand der Lautäußerungen von nur einem einzigen Exemplar aus – und das ist zuwenig, um den Fortbestand einer Art auf natürliche Weise zu sichern.

Klonen wäre natürlich auch eine Möglichkeit, doch dazu müsste man den Einzelgänger erst mal zu fassen kriegen. Das wäre dann die nächste Stufe, nach dem gestochen scharfen Foto. Man darf jedenfalls gespannt sein auf die kommende Beobachtungssaison.