Leinwandmagier unter sich

Über das European Festival for Production and Visual Effects und ein Gespräch mit Scott Farrar von Industrial, Light & Magic über die Effekte bei Minority Report und seine Arbeit

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Die Szene wirkt beängstigend real. Über einem Haus in einem Vorort von Washington schwebt ein neuartiges Düsenfahrzeug, aus dem mehrere Polizisten abgesetzt werden. Sie stürmen zu einer Wohnung, in der in wenigen Sekunden ein Mord geschehen wird. Wird John Anderton (Tom Cruise) und seine Mannschaft dies verhindern können? Die Szene stammt aus dem neuen Steven Spielberg Film Minority Report und enthält einige der 481 Effektaufnahmen, die diese Geschichte nach einer Vorlage von Philip K. Dick ("Der unmögliche Planet") visuell für das Jahr 2051 erst glaubhaft macht (Kullernde Augen und die Suche nach den wahren Bildern).

Szene aus Minority Report

Digitale Effekte und Computeranimationen finden sich abseits von solch großen Hollywood-Produktionen in der Werbung, bei der abendlichen Krimiserie, im Computerspiel auf PC oder Konsole, während einer Sportübertragung oder in Musikvideos. Im Forum Messe Frankfurt findet vom 19. ­ 22. Oktober zum fünften Mal das European Festival for Production and Visual Effects, kurz eDIT statt. Inmitten eines umfangreichen Rahmenprogramm treffen sich führende Personen aus dem Geschäft mit den visuellen Illusionen.

Für die Veranstaltung arbeitet die Festivalleitung zum ersten Mal mit der Visual Effects Society aus Amerika zusammen, die einige der Redner ihrer diesjährigen Veranstaltung in Redmond (Kalifornien) nach Frankfurt schickt. Neben der Verleihung des hessischen Verdienstordens an die Animationslegende Ray Harryhausen ist der Auftritt von Douglas Trumbull ein weiteres Highlight. Er hält auf der eDIT einen Vortrag mit dem Titel "2001 to 2002 and beyond" und im Frankfurter Kino "CineStar Metropolis" präsentiert er heute Abend persönlich den Filmklassiker "Blade Runner".

In den über drei Tage verteilten Vorträgen auf der Messe werden dagegen Einzelszenen und neue Problemstellungen anhand diverser Beispiele erklärt, wodurch ein ganz anderer Einblick in Filme entsteht, die oft in ihrem Tempo keine Zeit für genaue Betrachtungen lassen. Doch auf der eDIT 2002 werden nicht nur bekannte Sci-Fi-Filme wie "Star Wars - Episode 2", "Spider-Man" oder "Men in Black 2" von der technischen Entstehungsseite her erklärt. Unter den Gastrednern finden sich auch Vorträge über die Postproduktion und Effektarbeit in Filmen wie "Die fabelhafte Welt der Amélie" oder dem diesjährigen Cannes-Gewinner "Der Pianis".

Digital Artist - ein Beruf mit Zukunft

Der Visual Effects Supervisor Mike McGee referiert am Dienstag über die Animationen in Dinotopia, einer neuen dreiteiligen Fantasy-Serie (im November auf RTL) mit rund 1700 Spezialeffekten und einem Budget von 90 Millionen Euro. Gerade die Arbeit für das Fernsehen hat den Bedarf an Fachkräften in dieser Branche rasant ansteigen lassen. Inmitten einer Rezession bietet der Job eines Computeranimateurs oder generell Digital Artist sichere Beschäftigungschancen auch hier in Deutschland. Die Effekteinstellungen und ein voll digitaler Hubschrauber in der Sat1-Serie "HeliCops" wird von der Münchner FirmaScanline umgesetzt und die an der Börse notierte Firma Das Werk beschäftigt an ihren neun deutschen Standtorten rund 125 Digital Artists.

Szene aus Minority Report

Um die 30.000 Digital Artists werden laut Schätzungen der Bundesarbeitsanstalt in Nürnberg in den kommenden Jahren gesucht und verschiedene deutsche Filmhochschulen wie die German Filmschool in Elstal bei Berlin, die Kunsthochschule für Medien in Köln oder die Filmakademie in Ludwigsburg bieten eine Ausbildung an.

Auf der eDIT gibt es auch ein Wiedersehen mit einigen Deutschen, die in Amerika Erfolge feiern. Der Gastredner Roland Emmerich gründete in den USA seine eigene Postproduktionsfirma Centropolis FX, die für Filme wie "Der Patroit" oder "Arac Attack" arbeitete und Volker Engel ("Independence Day") stellt seinen neuen digitalen Film Coronado vor. Doch auch von deutschen Standorten sind bahnbrechende Innovationen möglich. Uwe Sassenberg und Rolf Schneider erhielten in diesem Jahr den Oscar in der Kategorie "Technical Achivement Award". Ihre Software mit dem Namen 3-D Equalizer ermöglicht die Erstellung von räumlichen Eindrücken bei zweidimensionalen Kinobildern und wurden im großen Stil in Peter Jacksons "Herr der Ringe" eingesetzt.

Auch in der realen Welt bestehen Neu und Alt nebeneinander

Einer der führenden Personen mit jahrelanger Erfahrung ist Scott Farrar, der bei Industrial, Light & Magic arbeitet und für seine frühere Arbeit im Film "Cocoon" sogar schon eine Oscar-Auszeichnung bekam. Als "Special Effects Supervisor" leitete er in "Minority Report" alle Effektarbeiten und erklärt im Interview seine Aufgaben, die Tools und seine kommenden Herausforderungen.

scott Farrar

Mr. Farrar, welcher Arbeitumfang betritt den Job eines Special Effects Supervisor?

Scott: Bei im Computer generierten Bildern gibt es nichts, was natürlich geschieht. Jeder Baum, jede Blume, jede Bewegung und jedes Licht muss errechnet und in Szene gesetzt werde. Dabei haben nur ganz wenige Personen wirkliche Computereffekte bei "Mirority Report" bemerkt. So gesehen bin ich sehr glücklich, dass ich meine Arbeit wohl richtig gemacht habe. Denn erst wenn die dargestellte Welt glaubhaft erscheint, wurde die Phantasie auch zur Realität. Steven war auch sehr zufrieden, obwohl er Computereffekten sonst sehr kritisch gegenüber steht.

Um einer möglichst realistischen Darstellung der nahen Zukunft den nötigen Unterbau zu verleihen, lud Spielberg zu einem "think tank" in einem Hotel bei Santa Monica ein. Mit dabei der Autor Douglas Coupland, Cybergold-Gründer Nat Goldhaber, den Biomediziner Shaun Jones und Virtual Reality-Guru Jaron Lanier. Wie beeinflussten die Ergebnisse dieser Sitzung ihre Arbeit?

Farrar: Ich war bei diesen Treffen nicht dabei und ich weiß nur, dass Alex McDowell (Produktions-Designer) sich zu 95 % nach dem gerichtet hat, was bei diesen Gesprächen als Ergebnis herauskam. Es ging ja um nähere Ideen für die Nahe Zukunft von etwa 50 Jahren. Und das ist viel schwieriger, als sich die Zukunft in 200 Jahren vorzustellen. So entstanden die z.B. auch die Magnetschwebewagen ("Mag-Lev Cars").

In einem meiner ersten Meetings mit Steven hat er mich gefragt, warum so viele Panoramaansichten von Landschaften und Städten in Sci-Fi-Filmen immer so falsch aussehen. Da konnte ihm nur sagen, das diese Ansichten oft aus Strukturen und Formen bestehen, die niemand wieder erkennt und auch so noch nie gesehen hat. Allein dadurch wirkt eine Szene fremd und unnatürlich. In der realen Welt wird auch nicht gleiche eine ganze Stadt dem Erdboden gleich gemacht, sondern Alt und Neu bestehen nebeneinander. Deswegen gefiel ihm auch die Idee, Washington D.C. als einen Ort mit neuen und alten Gebäuden darzustellen. Selbst die Straßen für die futuristischen Magnetschwebewagen sehen aus wie heutige Highways.

Vor zwanzig oder zehn Jahren waren die Spezialeffekte in Filmen sehr oft der eigentliche Hauptdarsteller. In den letzten Jahren scheinen sie dagegen immer mehr in den Hintergrund zu treten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Scott Farrar: Ich glaube, dass alle, die im Bereich der Spezialeffekte arbeiten, auch wollen, dass ihre Arbeit anerkannt wird. Gleichzeitig wäre es sehr schlimm, wenn Leute ins Kino gehen, den Film völlig verreißen, aber dann noch sagen, dass die Spezialeffekte eigentlich recht sehenswert waren. Wir sind auf eine gute Geschichte angewiesen und ideal wäre, wenn beide Komponenten in gleicher Qualität verteilt sind. So gesehen hat sich das als Philosophie durchgesetzt und dazu kommt noch, dass auch die Software-Tools wesentlich verbessert wurden. Außerdem ist der Standard der eigentlichen Künstler wesentlich höher als früher. Der Prozess der Einarbeitung von bestimmten Effekten ist auch wesentlich leichter geworden, da es mittlerweile möglich ist, einen Effekt schon wenigen Minuten Später in seiner vollen Wirkung zu beurteilen. Vor einigen Jahren dauert es zwei bis drei Tage, bevor man das Endergebnis sah. Das hat es auch für Regisseure leichter gemacht, mit diesen Mitteln zu arbeiten. Plötzlich können sie direkt entscheiden, wie eine Szene ausgeleuchtet wird oder welche Mittel eingesetzt werden, damit eine Einstellung genau das gewünschte Ergebnis mit sich bringt.

Sie dirigieren bei einer Produktion jeden Tag Personen und Maetrial. Welche Arbeitsschritte bei der Erstellung der visuellen Effekte machen den Hauptanteil der Arbeit aus?

Scott Farrar: Es ist wirklich eine große Mischung verschiedener Komponenten und Tools, die ich als Supervisor bedenken muss und über deren Einsatz entscheiden wird. Viele aktuelle Filme setzen auf diverse Formen von Partikelsimulation, womit zum Beispiel Wasser gemeint ist. Dies kann man mit moderner Software sehr realistisch umsetzen, ist jedoch sehr zeit- und kostenintensiv. Für "Minority Report" habe ich davon abgesehen, weil die Thematik dies auch nicht unbedingt mit sich brachte.

Die Hauptarbeit einer Firma wie ILM setzt sich aus der Animation und Komposition zusammen. Eine Figur, eine Pflanze oder ein Fahrzeug wird als Modell oder in Realität gefilmt und dann in eine ausgewählte Szene versetzt. Komposition ist also der wichtigste Part, weil in diesem Prozess alles zusammenkommt. Das Miniaturmodell aus einer guten Werkstadt nützt nichts, wenn bei der Komposition mit der endgültigen Szene Fehler begangen werden. Und genau diese Werkzeuge sind für die Komposition am Computer extrem ausgefeilt und abgestuft. Der Kinozuschauer würde sich wundern, wie viel Arbeit in diesen Prozess geht.

Eine Firma wie wie Industrial, Light & Magic arbeitet mit Hunderten von Mitarbeitern gleichzeitig an verschiedenen Projekten wie z.B. "Terminator 3", "Hulk" oder "Timeline". Wie schaffen Sie es, die besten Leute für ihre Produktion zu gewinnen?

Das kann wirklich sehr schwierig sein. Es gibt schon Personen, von denen ich überzeugt bin, dass ich sie für ein wichtiges Projekt auch brauche. Das ist mit jedem Team so. Wenn es mal gut lief, will man auch wieder zusammen arbeiten. Am Ende kommt es auf die Abstimmung der Projekte an und in wie weit diese Personen dann an einem Film gebunden sind. Die Leitung von ILM ist ja auch daran interessiert, dass jede Auftragsarbeit auch mit guten Mitarbeitern besetzt ist. Auch bei "Minority Report" haben einige Neulinge mitgearbeitet und dies hat trotzdem sehr gut funktioniert. Ich selbst freue mich auch, wenn ich neue Talente entdecken kann.

Sie gehen jetzt für vier Monate nach Australien zur Arbeit an "Peter Pan" unter der Regie von Regisseur P.J. Hogan. Warum haben sie sich für diese Projekt entscheiden?

Scott Farrar: Zuerst einmal ist das Script sehr gut und basiert auf der Originalstory von J.M Berry. Ein realer Spielfilm von Peter Pan wurde bisher nicht umgesetzt und "Hook" kann man da wirklich nicht mitzählen, weil es eine andere Geschichte erzählt. Mich reizt die Aufgabe, in so einem Film den Zuschauer glauben machen zu können, dass Peter, Wendy, Michael und John wirklich fliegen können. Und Tinkerbell soll auch nicht so aussehen, als ob sie an einem Draht hängt. Es gibt bei "Peter Pan" einfach eine Menge Herausforderungen - und das reizt mich!