Lernen im Lockdown: Etwas fehlt beim Online-Studium
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Über der Digitalisierung des Studiums gehen gemeinschaftliche Formen des Lernens und Arbeitens verloren. Kleine Umfrage unter Studierenden einer Fachhochschule
Zwei Semester alt ist das Online-Studium an Universitäten und Hochschulen. Ein Ende ist nicht absehbar und die Zukunftsvisionen pendeln zwischen dem Wunsch nach Durchsetzung der digitalen Innovationen und der Furcht, eben diesen Weg zu beschreiten. Der Druck zur Umstellung ist nach wie vor groß. Sie kann nur gelingen, wenn die einzelnen Hochschulgruppen Feedback geben und in einen Austausch miteinander treten.
Nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen wurden 21 Studierende verschiedener Fächer und Semester an der Beuth Hochschule für Technik Berlin online befragt. Die qualitative Befragung war nicht standardisiert und nicht repräsentativ. Die Betonung lag auf offene Fragen, die in ganzen Sätzen niederzuschreiben waren. Ein Fragebogen lag als Leitfaden vor. Die Befragung war anonymisiert.1
Die Antworten werden nach Themen zusammengefasst und mit exemplarischen Zitaten unterlegt:
Vergleich zum ersten digitalen Semester:
Die Mehrzahl der Befragten registriert eine Verbesserung der Situation. Die Veranstaltungen sind inzwischen besser strukturiert, die Lehrenden stellen sich überwiegend auf die neuen Umstände ein. Die Lehrinhalte sind eingehender an die digitalen Formate angepasst. Deutlich wird der Fortschritt gegenüber dem ersten digitalen Semester. In einer damaligen Blitzumfrage war die Antwort gekommen:
Ich hatte auch einen Professor, der einfach nur eine Aufgabenstellung gegeben hat, eine einzige Vorlesung hochgeladen hat, und im ganzen Semester konnte man ihm zwei E-Mails als Korrekturen zukommen lassen. Das ersetzt meiner Meinung nach keinesfalls einen Präsenzunterricht.
Aber auch im jetzt zu Ende gehenden Semester sind die Erfahrungen zwiespältig und trüben das Gesamtbild. Die Nutzung digitaler Medien erschöpft sich gelegentlich darin, ein PDF durchzugehen, schreibt entgegen dem Gros zufriedener Aussagen ein Student des dritten Semesters und ergänzt: "Es ist deutlich geworden, wie groß die technischen Mängel wirklich sind." Die Diskrepanz zwischen positiven und negativen Bewertungen könnte durch folgende Stimme aufgeklärt werden:
Es gibt deutliche Gefälle zwischen den unterschiedlichen Veranstaltungen. Meiner Meinung nach 50:50 gute und technisch schlechte Veranstaltungen und ihre Vorbereitung.
Es wird, und das ist keine neue Erkenntnis, sehr viel von der Person des/der Lehrenden abhängen.
Umstellung der Klausuren:
Ähnlich zwiespältig ist das Meinungsbild bei den Klausuren und mündlichen Prüfungen. Wieder hängt viel von den Lehrkräften ab.
Ein Student des dritten Semesters:
Mehrere Profs hatten sich auf Präsenz-Klausuren versteift und haben jetzt, wo alle diese abgesagt wurden, keinen Plan B. Demnach wird es eventuell nicht möglich sein, diese Kurse zu beenden.
Die Befürchtung ist berechtigt. Sofern jedoch Online-Klausuren umgesetzt sind, konstatiert die Mehrheit der Befragten, keine Probleme zu haben. Das ist in der Tat ein unbewusstes Kompliment für den Lehrkörper und den ganzen Hochschul-Apparat, denn für diese ist der Aufwand enorm vor dem Hintergrund, Betrugsversuchen am Heim-Arbeitsplatz vorzubeugen und zugleich Datenschutz zu gewährleisten. Ein Student verweist auf "Open-Book-Klausuren", das heißt: Hilfsmittel dürfen zur Prüfung benutzt werden, was von vorneherein Betrugsverdacht abbaut. Aber technische Probleme und Instabilitäten bleiben. Generell kommt der Vorschlag, die Software zu vereinheitlichen.
Vorteile des digitalen Studiums:
An erster Stelle genannt: Wegfall der Anfahrtszeiten. Die räumliche und zeitliche Ungebundenheit macht flexibel. Sofern die Veranstaltungen/Vorlesungen per Video aufgenommen werden, lässt sich der Stoff nacharbeiten. Vorteilhaft ist der Zeitgewinn für Studierende, die nebenher einem Job nachgehen. Eine Studentin genießt die Situation als Luxus: "Mehr schlafen und kurz vor dem Online-Unterricht frühstücken." Eine Erstsemester-Studentin "kann viel zwischendurch erledigen und sich den Kopf frei machen".
Die gewonnene Zeit ist jedoch nicht immer erfüllte Zeit. Eine Studentin des dritten Semesters:
Ich sehe darin keine wirklichen Vorteile. Von der Flexibilität, theoretisch von jedem Ort an Vorlesungen teilnehmen zu können, habe ich recht wenig, wenn um einen herum Lockdown herrscht. Die Zeitersparnis aufgrund der fehlenden Wege ist ebenfalls minimal, da ich aufgrund der Schwierigkeiten, die mit Online-Kursen einhergehen, ohnehin mehr Zeit pro Woche investieren muss als vorher. Also Zeit und Flexibilität sehe ich, im Gegensatz zu anderen, kaum als Vorteile an.
Soziale Kontakte:
Das Fehlen realer Kontakte bewegt die Studierenden am meisten. Sie müssen den Stoff weitgehend alleine durcharbeiten. Der Abgleich mit dem Wissensstand der anderen fehlt. Bleibt das Gespräch über die Inhalte des Studiums aus, wirkt das abträglich auf die Qualität des Lernens. Das Zusammensetzen nach dem Unterricht wird vermisst. Und: "Die Skype-Calls ersetzen keine Mensa-Pause."
Wenn es noch Gruppenarbeit online gibt, bleiben die Kontakte flüchtig. Kennenlernen oder das Schließen von Freundschaften ist nicht mehr möglich. Zitat: "Das ganze soziale Drumherum fehlt mir."
Eine Studentin im dritten Semester:
In Lerngruppen lerne ich nur mit Leuten, die ich schon vorher kannte. Neue Leute habe ich seit dem letzten Sommersemester keine mehr kennengelernt. Dafür reicht ein anonymer Lernraum ohne Smalltalks nicht aus. In den Onlineräumen konzentriert man sich eben fast ausschließlich nur auf die Arbeit...
Meiner Meinung nach ist es mit der schlimmste Nebeneffekt der Online-Uni, dass der Kontakt zu Kommilitonen und Dozenten wegbricht. Im Bachelor-Studium hatte es mir enorm geholfen mitzubekommen, wie andere lernen, Prüfungen angehen und sich über Probleme auszutauschen. Man hat immer gemerkt, wo die anderen gerade stehen und wo man selbst steht...
Mittlerweile fühle ich mich nicht nur einsam beim Studieren, ich habe auch größtenteils den Spaß dabei verloren. Es ist nicht mehr das gemeinsame Lernen, das das Studium auszeichnet, sondern nur noch ein stumpfes und vor allem uninspirierendes Arbeiten. Ich habe mich damals bewusst nicht für ein Fernstudium entschieden, da ich die Freude am gemeinsamen Lernen immer als einen riesigen Vorteil gesehen habe. Außerdem finde ich, dass man ein Maß dafür verliert, wie viel man für die Kurse ausarbeiten sollte, da man meistens nur noch die Ergebnisse der Kommilitonen mitbekommt und nicht mehr die Prozesse.
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