Lex Bavariae à la Berlusconi
Drei SPD-Abgeordnete stellten noch Angehörige ein, als bereits das Gesetz in Sicht war
Nach dem Interview mit dem Pressesprecher der Landtagspräsidentin Barbara Stamm (Der bayerische Landtag in der Selbstauflösung) gelang es nun auch, den Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion, Markus Rinderspacher ans Telefon zu bekommen.
Seine Verteidigung der 34 Abgeordneten (siehe Zitat, die Veröffentlichung des Gespräches hat er abgelehnt) hat einen besonderen Grund: Unter den 34 Abgeordneten, die noch in der 14. Wahlperiode Familienangehörige angestellt haben, waren auch SPD-Abgeordnete, darunter drei, die erst 1998 ins Maximilianeum gewählt wurden.
Dieter Appelt (SPD), Hermann Geiger (SPD) und Gerhard Hartmann (SPD) fanden sich bereits auf der Liste der 13 SPD-Abgeordneten, die ebenfalls von der Ausnahmeregelung für "Altfälle" profitierten. Sie zogen jedoch erst Ende 1998 in den Landtag ein.
Dass allerdings Beschäftigungsverhältnisse der neuen Wahlperiode als "Altfälle" mit den Stimmen der SPD-Fraktion legalisiert wurden, zeigt, dass ganz offensichtlich der Begriff "Altfall" sehr dehnbar war. Offensichtlich ging es beim Beschluss des Gesetzes am 1. Dezember 2000, in dem flugs die neuen Abgeordneten als "Altfälle" galten, allen Fraktionen nur um Kosmetik. Selbstverständlich hätte die Regelung auf den Wahltermin 1998 rückdatiert werden müssen, wenn "Altfälle" glaubwürdig deklariert werden sollten.
Das Telefongespräch mit Markus Rinderspacher wurde ihm und seinem Pressesprecher Michael Langer zur Korrektur vorgelegt. Beide forderten keine Korrekturen, wollten aber statt dem Gespräch nur folgendes Statement veröffentlicht wissen:
Jetzt alle Abgeordneten aus den Jahren 1999 und 2000 unter Verdacht zu stellen, sie seien Trittbrettfahrer, dürfte doch etwas weitreichend sein. Es war ja offensichtlich 1999 noch keine Rede davon, dass ein neues Gesetz im Kommen war. Seriös müsste man das so aufarbeiten, dass man fragt: Wann hat sich der Landtag erstmals in Präsidium und Ältestenrat mit dem Sachverhalt einer Gesetzesänderung auseinandergesetzt? Wann war die erste, wann die zweite Lesung?
Als ob nicht der Flurfunk im Landtag beizeiten dafür sorgen würde, noch rechtzeitig die "Altregelung" in Anspruch zu nehmen, und als ob die Abgeordneten erst warten müssten, bis eine Gesetzesvorlage als Protokoll vorliegt. Erfahren sie wirklich von Gesetzesplänen erst, wenn eine Vorlage zur Gesetzesänderung kursiert? Das wäre beschämend, gelten die Abgeordneten doch selbst als "Gesetzgeber".
Folgt man der Ansicht, viele oder alle der 34 Abgeordneten seien mangels Kenntnis des neuen Gesetzes keine Trittbrettfahrer gewesen, stellt sich eine ganz andere Frage: Wurde das Gesetz absichtlich so abgefasst, dass es auch neu gewählten Abgeordneten ermöglichte, die Beschäftigung ihrer Verwandten fortzusetzen?
Ist der ganze Landtag ein einziger, großer Trittbrettfahrer in einer Welt der maximalen Vergünstigung und Vorteilsnahme mittels wehr- und willenloser "Staatsknete"?
Dann wäre es eine "Lex Bavariae" à la Berlusconi gewesen, aber sicher kein Gesetz zum Verbot der Beschäftigung Angehöriger auf Kosten des Steuerzahlers.