Libertäre als Tea-Party-Großsponsoren
In den USA ist eine Debatte um den politischen Einfluss der Koch-Brüder entbrannt
David H. Koch ist Miteigentümer und Vizepräsident des Konglomerats Koch Industries und der zweitreichste unter New Yorks 8,4 Millionen Einwohnern - gleich nach Bürgermeister Michael Bloomberg. Davids Bruder Charles teilt sich mit ihm Platz 19 der aktuellen Forbes-Liste der reichsten Männer der Welt. Zusammen sind die beiden angeblich um die 30 Milliarden Dollar schwer.
Amerikanische Medien entdeckten den siebzigjährigen David Koch, der dreistellige Millionensummen in Theater, Oper und Ballett steckt, in diesem Jahr als einen der Hauptfinanziers der Tea-Party-Bewegung. Koch weist den ihm unterstellten Einfluss jedoch als übertrieben zurück und bestreitet direkte Verbindungen. Er sei, so der Milliardär, noch nie auf einer ihrer Veranstaltungen gewesen und noch nie von einem ihrer Vertreter um Geld angegangen worden.
Seinen Kritikern zufolge läuft die Einflussnahme allerdings eher indirekt, über ein Netzwerk, dass sie den "Kochtopus" nennen. Tatsächlich gaben die Brüder, die beide aus Kansas stammen, in den letzten Jahren und Jahrzehnten große Summen für Kampagnen, an Think Tanks und an andere Organisationen. So gründete Charles zusammen mit Edward H. Crane und Murray Rothbard das libertär geprägte Cato Institute (in dessen Vorstand David sitzt) und finanziert das vom marktradikalen Ökonomen Richard Fink ins Leben gerufene Mercatus Center an der George Mason University, das einem Bericht des Wall Street Journal zufolge einen enormen Einfluss auf die Deregulierungsagenda der Bush-Administration hatte.
1984 erschuf Fink mit Koch-Geld die Stiftung Citizens for a Sound Economy, die sich vor allem durch ihren Kampf gegen Umweltregulierung und Steuern auf Treibstoffe Aufsehen erregte. Die engste Verbindungsstelle der Koch-Brüder zur Tea Party ist jedoch die 2004 von David Koch aus dem Boden gestampfte Americans for Prosperity Foundation (AFPF) die auf ihrer Website offen für Tea-Party-Veranstaltungen wirbt und sich als Mitorganisator präsentiert.
Auch, was David Kochs politische Ziele betrifft, gibt es durchaus Überscheidungen mit denen der Tea Party: Die Health Care Bill lehnt er ebenso ab wie eine stärkere Aufsicht über die Finanzindustrie und Obamas Klimapolitik. Was den letzteren Bereich betrifft, gibt sich der Milliardär, der jedes Jahr längere Zeit auf einer 500.000 Dollar pro Woche teuren Luxusjacht verbringt, ausgesprochen optimistisch und überzeugt davon, dass die ökonomischen Vorteile einer Erderwärmung die dadurch entstehenden Schäden bei Weitem überwiegen.
Auch grundsätzliche Sympathien für die Tea-Party-Bewegung räumt er offen ein: Sie demonstriert seiner Ansicht nach einen aus dem Bauch und der Mitte des Volkes kommenden Widerstand gegen Vergesellschaftung und einen zu mächtigen Staat. Allerdings würden Teile der Bewegung "zu weit gehen" - und die von diesen propagierte Gewalt lehne er ebenso ab wie andere "schlimme Sachen", mit denen er offenbar auf die teils rassistischen Angriffe gegen Obama anspielt.
Eine in diesem Frühjahr am Political Economy Research Institute der University of Massachusetts erschienene Studie sieht Koch Industries unter den zehn ärgsten Luftverschmutzern der Vereinigten Staaten. Dennoch ist unwahrscheinlich, dass die Brüder ihr Geld ausschließlich deshalb ausgeben, damit ihre Firmen von der geringeren Regulierung profitieren. Die Biografie der beiden macht es plausibler, dass es sich bei ihnen um Überzeugungstäter handelt.
So trat David beispielsweise 1980 gegen Ronald Reagan an - als chancenloser Vizepräsidentschaftskandidat er Libertarian Party, für die er unter anderem die Abschaffung von FBI und CIA forderte. 1984 schloss er sich den Republikanern an, mit deren Führungsriege er jedoch nicht alle Ziele teilt: So spendete er beispielsweise (ebenso wie George Soros) 10 Millionen Dollar an die American Civil Liberties Union (ACLU), mit denen diese vor Gericht Teile des Patriot Act zu Fall bringen konnte. Darüber hinaus hält er den Irakkrieg für eine Dummheit, befürwortet Stammzellenforschung und hat nichts gegen die Homo-Ehe.
Inwieweit die libertären Koch-Brüder mit ihrem Geld und ihrem Netzwerk tatsächlich die Agenda der Tea Party prägen, ist eine schwer zu beantwortende Frage: Einerseits sprechen Geldströme dafür, dass die Bewegung als nur scheinbares "Grassroots-Movement", als "Astroturf" ("Kunstrasen") anfing - andererseits entwickelte sie aber eine Eigendynamik, die eine zentrale Kontrolle nur bedingt möglich erscheinen lässt. So oder so dürfte den Koch-Brüdern daran gelegen sein, ihre Verbindungen mit dem politischen Phänomen nicht allzu eng erscheinen zu lassen. Auch deshalb, weil ein als notorischer Playboy bekannter Millionärsgreis, der seinen siebzigsten Geburtstag wie im Film Wizard of Oz feierte, auf viele Tea-Party-Bewegte eher einen abschreckend-dekadenten Eindruck macht.