Lieber Gregor Gysi!

Betrifft: Ihren ziemlich dämlichen Werbefilm

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Heute früh, der Kaffee dampfte noch, war ich auf Ihrer Homepage www.take-it-gysi.de. Dort steht neuerdings - wie Sie sicherlich wissen - eine kleiner Video-Film namens Die Nacht davor, den sich jeder anschauen darf, der seinen Namen in ein kleines Fenster eingibt.

Ich dachte: "Das ist ja mal eine nette Idee, so ein Filmchen im Netz. Der Herr Gysi", dachte ich, "weiß offensichtlich die multimedialen Möglichkeiten des Internet-Zeitalters zu nutzen." Ich klickte umgehend, und schon lief der Film. Zwei Minuten später tropfte mir der Kaffee vom Kinn auf die Tastatur, weil meine Gesichtsmuskeln schlagartig ihren Dienst verweigerten, und mein Blick ungläubig am Monitor klebte. Für die Sache mit dem Kaffee können Sie nichts, für den Film aber eine ganze Menge.

In diesem sieht man Sie, einen streitbaren aber von vielen Menschen sehr geschätzten Politiker, auf einem Stuhl sitzend schlafen, während aus dem Radio im Hintergrund eine Stimme quäkt:

CDU wählt Gysi zum Bürgermeister. Nachdem in der letzten Woche die Berliner CDU die Abgeordnetenhaus-Wahl gewonnen hat, wurde Heute Gregor Gysi überraschend zum regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt. Dabei haben dem Vernehmen nach alle Abgeordneten der CDU ihre Stimme für Gregor Gysi abgegeben.

Da musste ich grinsen, weil das wäre dann doch mal ganz witzig, wenn so etwas passieren würde. Sie hingegen kucken im Film verständlicherweise ganz entgeistert in der Gegend rum, versuchen aufgeregt zu telefonieren, die Tür zu öffnen - doch nichts geht. Und dann schwingen Sie sich mit einem Seil vom Balkon am zweiten Stock auf die Straße, halten einen Trabi an mit einer Handbewegung, die mich dann doch sehr an die Posen diverser Volkspolizisten aus meiner alten Heimat, der DDR, erinnerte. Volkspolizisten-Pose? Trabi? Na gut. Der Trabi fährt Sie hernach zum Berliner Roten Rathaus, vor dem Sie dann ganz unentschlossen stehen und plötzlich sagen: "Nee, unter diesen Umständen nicht." Dann ein Szenenwechsel, und im nächsten Bild wachen Sie, lieber Herr Gysi, auf aus Ihrem Traum, fahren sich mit der Hand übers Gesicht, holen tief Luft und grinsen erleichtert in die Kamera. Lieber Herr Gysi, was soll das?

Witzig sein? Na gut, im ersten Moment vielleicht, zumal sie sich tatsächlich als passabler Schauspieler erweisen, was Ihr Beruf aber auch so mit sich bringt. Doch dann denkt man nach und vielleicht auch daran, wie Sie vor wenigen Wochen noch mit tiefster Inbrunst vor Journalisten sagten, dass die deutsche Hauptstadt einen "wirklichen Neuanfang braucht", dass Schluss sein müsse mit den ewigen Fehden zwischen Roten und Schwarzen, zwischen PDS und CDU, dass sie "für Brücken, nicht für Mauern" stehen und dafür gerne kämpfen wollen. Und nun das - ein nettes, völlig sinnentleertes Filmchen, mit dem Sie so ganz nebenbei Ihre eigenen Aussagen untergraben und der CDU ziemlich einfältig ans ohnehin schon recht unterentwickelte linke Bein pinkeln. Und jetzt erzählen Sie mir bitte nichts über Satire im Wahlkampf. Wie humorvoll Politiker sind, sehen Sie tagtäglich in den eigenen Reihen. Und wie humorvoll CDU-Politiker sind, sehen Sie an Friedrich "Ich sag's meinem Anwalt" Merz (Friedrich Merz schläft nie) Konstruktiv, lieber Herr Gysi, ist Ihr Filmchen nicht, plakativ aber sehr.

Ja ja, jetzt lachen Sie und sagen sicher: "Na und, es klappt doch, die Öffentlichkeit regt sich, und mal wieder bin ich in den Schlagzeilen, einfach so - juchhe!" Aber - jetzt mal unter uns, Herr Gysi - haben Sie das nötig? Gehen Sie nächstens auch zu Big Brother oder ähnlichem Verdummungs-Scheiß, wie Kollege Guido "tropf, tropf" Westerwelle? (Vgl.Guido Westerwelle im Container) Springen sie auch bald wild grinsend aus Flugzeugen, wie Jürgen "Aua!" Möllemann? Schwindeln Sie sich auch bald eine räudige Rocker-Jugend zurecht, wie oben erwähnter Mecker-Merz? Lernen sie von Hans "Sparschwein" Eichel (Vgl.[Link auf 9410]) und lassen sich ein Liedchen tirilieren, vielleicht von den möchtegern-modernen Ostrockern der Puhdys, die dann singen "Schlau wie ein Gysi"? Mensch Gregor, das muss doch nicht sein.