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Lieber länger haltbar oder gesünder?

Industriell hergestelltes Convenience-Food und zahlreiche Zusatzstoffe: Wie wenig Spargel braucht es für eine Spargelcremesuppe? Wie wichtig ist das Wissen um die Qualität der Zutaten?

Damit man Obst und Gemüse nicht nur frisch vom Feld verzehren kann, sondern auch dann, wenn die Witterung das Wachstum auf dem Acker nicht möglich macht, wurden schon vor langer Zeit Konservierungsmethoden entwickelt, die eine sichere Aufbewahrung ermöglichten.

Dazu zählen Trocknen im Schatten, Dörren in der Sonne, Einsalzen oder Einpökeln, Einlegen in Salzwasser, Einsäuern in Essigwasser, Eindicken in Zuckerwasser, Marmeladen und Konfitüren sowie Fermentieren, Einlegen in Alkohol (Rumtopf) und Einkochen (Einwecken [1]). Dazu kam das Einkochen von Säften.

Der Sieg der Tiefkühltruhen

Weitgehend abgelöst wurden diese Konservierungsmethoden in den privaten Haushalten ab den 1960er-Jahren mit dem Siegeszug der Tiefkühltruhen. Im Gegensatz zu den traditionellen Konservierungsmethoden galt die Tiefkühltruhe als die bessere Wahl, weil der Vitamingehalt bei dieser Konservierungsmethode in größerem Umfang erhalten blieb.

Ein Nachteil der in Europa verbreiteten Tiefkühlgeräte besteht in ihrer Dämmung durch Polystyrol, das vergleichsweise schnell degradiert und an Dämmwirkung verliert. Mit der aktuellen Strompreisentwicklung könnte der für die Kühlung dauernd erforderliche Strombedarf zu einer begrenzenden Größe werden.

Industriell hergestelltes Convenience-Food

Traditionelle Konservierungsmethoden gerieten in Vergessenheit, als immer mehr Fertiggerichte den Markt fluteten. Fertigpizzen mit preiswerter chinesischer Tomatenpulpe zu einem Bruchteil des Preises beim Italiener, seien sie aus den Fabriken von Nestlé (Wagner), Dr. Oetker oder einem der Auftragsfertiger des Handels, sorgen für schnelle Sättigung anstelle von Genuss.

Gutes Essen sollte aber in erster Linie Genuss bieten und erst in zweiter Linie satt machen. Anstelle frisch zubereiteter Mahlzeiten gibt es öfter das Fertiggericht, das im Extremfall nur noch in die Mikrowelle geschoben wird.

Statt selbst zu kochen, vergnügte man sich zunehmend mit dem TV-Konsum beliebiger Fernsehköche. Wie man Mahlzeiten zubereitet, geriet dabei zunehmend in Vergessenheit. Und ohne diese Kenntnisse ging auch das Wissen um die Qualität der Zutaten verloren.

Spargelcremesuppe

Beutelsuppen und andere Helferlein belegen in vielen Supermärkten inzwischen mehr Platz als die frischen Zutaten. Wer sich die Mühe macht, die Zutatenliste einer als Spargelcremesuppe angebotenen Tütensuppe durchzulesen, wird sich wundern, wie wenig Spargel dafür benötigt wird. Dass man mit weniger als einem Spargel satt werden kann, ist nur machbar, wenn billigere Ingredienzien diese Aufgabe übernehmen.

Die meisten Tütensuppen unterscheiden sich durch die zugesetzten Aromen und Farbstoffe. Statt chemischen Geschmacksverstärkern ist inzwischen oft Hefeextrakt zugesetzt, der die gleiche Aufgabe erfüllt, Geschmack zu suggerieren, der von den verwendeten Zutaten nicht stammen kann. Hefeextrakt wird aus natürlicher Hefe gewonnen und gilt als Zutat und nicht als Zusatzstoff [2].

Zuchttomaten und Vielfalt

Wurden Tomaten sowohl in der BRD als auch in der DDR bis in die 1980er-Jahre vielfach im Freiland angebaut, wurden sie danach zügig durch Industrietomaten abgelöst, die in klimatisierten Gewächshäusern auf Steinwollesubstrat angebaut werden.

Diese Zuchttomaten wurden auf eine hohe Transportstabilität gezüchtet. Geschmack und Nährstoffe waren zweitrangig. Noch unreif geerntet, treten sie die Reise in den deutschen Supermarkt an.

Anbauländer sind neben den Niederlanden, Italien und Spanien in letzter Zeit verstärkt auch Kenia und Marokko, wobei Ware mit der Ursprungsangabe Marokko auch aus der von Marokko annektierten Westsahara stammen kann. Eine Folge der gezüchteten Industrietomaten ist eine deutliche Reduzierung der früher bestehenden Vielfalt, was im laufenden Klimawandel noch Probleme mit sich bringen könnte,

Bei verarbeiteten Tomatenprodukten wird es mit der Ursprungsangabe noch deutlich unübersichtlicher. Tomatenkonserven und Tomatenmark stammen trotz italienischen Markennamen inzwischen vielfach aus chinesischem Anbau und sind mit natürlichen Fasern gestreckt.

China ist inzwischen der größte Tomatenexporteur. Im Land ist der Absatz der Tomaten jedoch überschaubar. Die traditionelle chinesische Küche kennt die aus Lateinamerika stammende Frucht nicht.

Industrielle Lebensmittelproduktion braucht Zusatzstoffe

Wer reife Oliven im Glas kaufen will, muss die Zutatenliste sehr genau studieren. Da die Verarbeitung reifer Oliven aufwendig ist, werden gerne grüne, unreife Oliven geerntet und dann chemisch geschwärzt.

Erkennbar sind geschwärzte Oliven [3] auf der Zutatenliste an den Begriffen Eisen-II-Laktat oder der Nummer E 585 oder Eisen-II-Gluconat (E 579). Beide Zusatzstoffe gelten nicht als Farbstoffe, sondern als Stabilisatoren. Zum Glück dürfen so behandelte Oliven nicht als schwarze, sondern nur als geschwärzte Oliven angeboten werden. Wer sie offen an der Feinkosttheke kauft, sollte im Zweifelsfall nachfragen.

Hinter den Zusatzstoffen mit den E-Nummern [4], die in allen EU-Ländern gelten, stecken so manche Hilfs- und Zusatzstoffe, die für die industrielle Verarbeitung benötigt werden, in der klassischen handwerklichen Herstellung jedoch nicht. In vielen Fällen können die Zusatzstoffe die Verarbeitung beschleunigen, die Haltbarkeit verbessern oder dem Produkt zur erwarteten Farbe verhelfen.

Aromen, die dem Produkt den gewünschten Geschmack verschaffen, zählen jedoch nicht zu den Zusatzstoffen. Für Lebensmittel sind in der EU 320 Zusatzstoffe zugelassen [5]. Diese müssen auf der Verpackung jedoch nur dann angegeben werden, wenn sie im Endprodukt eine technologische Wirkung haben.

Werden sie jedoch nur bei der Herstellung verwendet, müssen sie nicht aufgeführt werden. So muss Schweine-Gelatine, die eingesetzt wird [6], um aus trübem Apfelsaft klaren zu machen, nicht auf der Zutatenliste auftauchen.

Auf Kleinpackungen mit einer Oberfläche von weniger als 10 cm2 muss übrigens keine Zutatenliste aufgeführt sein.

Die Liste der erlaubten Zusatzstoffe ist nicht in Stein gemeißelt. So wurde inzwischen Titanweiß aus der Liste entfernt, weil seine Verwendung unerwünschte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann. Auch bei verschiedenen künstlichen Farbstoffen hat man die Zulassung zurückgezogen.

Mit dem Einsatz von Zusatzstoffen lassen sich Lebensmittel heute in industriellem Maßstab kostengünstig herstellen, die bei handwerklicher Produktion deutlich teurer wären. Dies gilt in vielen Fällen auch für den Einsatz von verschiedenen Zuckerarten, die aus Zuckerrüben, Mais oder Weizen hergestellt werden und sich heute in den meisten Salamis und Fischkonserven ebenso finden wie in Fruchtkonserven.

Der Zusatz von Zucker kann zwar der Gesundheit schaden und den Stoffwechsel beeinträchtigen, er verbessert jedoch meist die Haltbarkeit. So stehen im Lebensmittelregal deutlich mehr stark zuckerhaltige Konfitüren, früher auch als Marmelade bezeichnet, als Fruchtaufstriche, die mit weniger Zuckerzusatz produziert werden.

Zusatzstoffe sind auch in Biolebensmitteln [7] erlaubt. Dabei sollte man jedoch beachten, dass die EU-Öko-Verordnung 56 Zusatzstoffe bei der Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln erlaubt, Verbände wie Naturland und Demeter jedoch deutlich weniger Zusatzstoffe [8] zulassen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7465897

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.weck.de/wp-content/uploads/2019/08/Geschichte_WECK.pdf/
[2] https://www.nestleprofessional.de/news/hefeextrakt-zutat-oder-zusatzstoff
[3] https://www.test.de/Oliven-Kuenstlich-Geschwaerzte-bergen-Risiken-1127762-0/
[4] https://www.test.de/E-Nummern-Nutzen-und-Risiken-der-Zusatzstoffe-im-Essen-5204185-0/
[5] https://www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/inhaltsstoffe/zusatzstoffe/liste-lebensmittelzusatzstoffe-e-nummern
[6] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/ernaehrung-fuer-senioren/zusatzstoffe-wenn-weniger-mehr-ist-48872
[7] https://www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/inhaltsstoffe/zusatzstoffe/liste-lebensmittel-zusatzstoffe-bio-lebensmittel
[8] https://www.oekolandbau.de/bio-im-alltag/bio-wissen/bio-lebensmittel/welche-zusatzstoffe-sind-in-bio-lebensmitteln-erlaubt/