Links-grünes Publikum beim ZDF-Wahltalk: Zufall oder System?
Moderator Andreas Wunn. Bild: ZDF/ Markus Hintzen
ZDF-Wahlsendung "Schlagabtausch" sorgt für Wirbel. Das Studiopublikum applaudierte für Grüne und Linke. Ein Schlaglicht auf eine nicht ganz neue Debatte.
Am 5. Februar 2025 diskutierten führende Politiker verschiedener Parteien beim Schlagabtausch im ZDF über zentrale Themen des Wahlkampfs (hier die komplette Sendung) wie Wirtschaft und Migration. Eingeladen waren Alexander Dobrindt (CSU), Christian Lindner (FDP), Jan van Aken (Die Linke), Sahra Wagenknecht (BSW), Felix Banaszak (Die Grünen) und Tino Chrupalla (AfD). Moderiert wurde die Live-Sendung von Andreas Wunn, schreibt das Portal kress.de.
Schon während der Debatte fiel auf, dass das relativ junge Studiopublikum bei Aussagen von Politikern der Grünen und der Linken öfter und lauter applaudierte als bei den Sprechern der anderen Parteien. Bereits bei der Vorstellung der Teilnehmer gab es für Banaszak und van Aken besonders kräftigen Beifall. Das blieb auch FDP-Chef Linder nicht verborgen, der das Publikum mit "Grüne Jugend" titulierte.
Diese offenbar parteiische Zusammensetzung der Zuschauer vor Ort wurde unmittelbar nach der Sendung in sozialen Medien wie X heftig kritisiert, so der Branchendienst Übermedien. Auch einige Politiker meldeten sich zu Wort. CDU-Abgeordneter Luczak monierte, die Einseitigkeit des Publikums widerspreche der vom Grundgesetz geforderten Neutralität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. FDP-Vize Kubicki sah es als "offensichtlich" an, dass Anhänger von Grünen und Linken "zielgerichtet in diese Sendung geschleust" worden seien, um die Meinung der Fernsehzuschauer zu beeinflussen.
In einer späteren Analyse im heute journal up:date erklärte ZDF-Journalist Dominik Rzepka, dass zahlreiche Zuschauer von den Berliner Unis HU und FU gekommen seien. Beide Hochschulen seien bekannt für eine eher linke Studierendenschaft. Sie seien gezielt angeschrieben und eingeladen worden. Rzepka räumte ein: "Es war so gesehen nicht wirklich repräsentativ."
Auf Anfrage mehrerer Medien erklärte der Sender, dass interessierte Bürger sich für den Besuch der Sendung bewerben können. Um mehr Publikum zu gewinnen, habe man im Vorfeld auch verschiedene Berliner Institutionen kontaktiert. Dies sei ein übliches Verfahren, auch um kurze Anreisewege zu ermöglichen. Angesprochen worden seien laut ZDF unter anderem:
- das J.F.K.-Institut für Nordamerikastudien
- Politik- und Kommunikationswissenschaften der FU
- die Hertie School of Governance
- die Humboldt-Universität
- die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
- das Demographie Netzwerk e. V.
- der Tönissteiner Kreis und die Familienunternehmen e. V.
Das ZDF betonte, dass bei solchen Sendungen ohne direkte Publikumsbeteiligung normalerweise eine ausgewogene Verteilung zustande komme. Die politische Einstellung werde nicht abgefragt. Dass es dennoch zu einseitigen Reaktionen gekommen sei, bedauere man. Während der Live-Sendung habe die Redaktion darauf aber keinen Einfluss mehr nehmen können.
Gerade bei politischen Diskussionsrunden vor Wahlen stehen die öffentlich-rechtlichen Sender unter besonderer Beobachtung. Sie haben einen gesetzlichen Auftrag zur Ausgewogenheit und Überparteilichkeit. Dass ein augenscheinlich unausgewogenes Studiopublikum den Eindruck der Sendung beeinflusst, ist daher problematisch – selbst, wenn es keine böse Absicht dahinter geben sollte.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Kritik an den TV-Talkformaten der Öffentlich-Rechtlichen derzeit noch von anderer Seite zunimmt. Bereits im August 2023 hat sogar das oberste Kontrollgremium der ARD, die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK), die politischen Gesprächssendungen der ARD zum Prüffall erklärt.
Alte Debatte auch bei der ARD
Laut einem internen Dokument, über das damals zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtete, kritisiert die GVK eine zu große Einheitlichkeit von Sendungen wie Anne Will, Hart aber fair und Maischberger. Sie würden sich letztlich nur durch die moderierende Person unterscheiden. Dem Deutschlandfunk war das damals ein Interview wert.
Eine Auswertung des Branchendienstes Meedia ergab damals, dass 2022 der CDU-Politiker Norbert Röttgen mit 21 Auftritten "Talkshow-König" war. Auf den Plätzen folgten "Welt"-Journalist Robin Alexander (19 Auftritte) und SPD-Chef Lars Klingbeil (18 Auftritte).
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Auch inhaltlich dominierte damals der Krieg in der Ukraine – ein Thema, um das es gerade im Wahlkampf seltsam ruhig geworden zu sein scheint. Für Aurelie von Blazekovic, Medienredakteurin der Süddeutschen Zeitung, ist klar: Die Machart der Talks ist oft sehr ähnlich. Das sagte sie damals im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Schon vor der GVK-Schelte hatte ARD-Programmdirektorin Christine Strobl eine "Neujustierung" der Gesprächssendungen angekündigt: "Wir müssen auch für jüngere Menschen im Digitalen einen Ort des politischen Diskurses anbieten. […] Wir müssen die unterschiedlichen Konzepte der Talks schärfen, auf Meinungsvielfalt achten, eine Themensetzung für alle Bevölkerungsgruppen anbieten, Gesprächsformen und Gästeauswahl voneinander abgrenzen."
Neue Sendungen, alte Vorwürfe
Anne Will hörte Ende 2023 auf, Nachfolgerin wird Caren Miosga – und alles blieb gleich. Bei "Hart aber fair" löste der deutlich jüngere Louis Klamroth Frank Plasberg ab – die Vorwürfe wurden fast noch stärker.
Letztlich werden die Öffentlich-Rechtlichen an einer größeren Vielfalt bei Gästen, Themen und Machart ihrer Polit-Talkshows nicht vorbeikommen. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung wird dies umso wichtiger. Ein allzu homogenes Studiopublikum wie im Schlagabtausch mag ein Einzelfall sein – ein Warnsignal ist es allemal.