Lückenhaft und unzulänglich - das neue Lieferkettengesetz
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Auch das kürzlich im Bundestag beschlossene Regelwerk nimmt Konzerne für Umweltschäden und Menschenrechtsverstöße nicht ausreichend in die Verantwortung
Unter dem sperrigen Namen Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedete der Bundestag am 11. Juni ein Regelwerk, das deutsche Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland ab 2023 verbindlich zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltauflagen - von der Herstellung bis in den Handel - verpflichten soll. Nichtregierungsorganisationen bezweifeln jedoch stark, dass es hält, was es verspricht.
Anstatt wirksame Rahmenbedingungen für generationengerechtes Wirtschaften zu schaffen, werde einmal mehr den kurzfristigen Profitinteressen deutscher Konzerne der Vorrang gegeben - auf Kosten von Mensch, Natur und Klima, kritisiert Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace. Eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten gelten derzeit vollumfänglich nur für den eigenen Geschäftsbereich und für direkte Zulieferer.
Bei indirekten Zulieferern sollen Firmen umweltbezogene Risiken nur dann ermitteln, wenn der begründete Verdacht vorliegt, dass Schäden entstanden seien. Allerdings wird die Umwelt häufig gerade am Anfang der Lieferketten geschädigt - etwa in Südamerika, wo mit Brandrodungen Platz für Rinderweiden geschaffen wird. Oder in Bangladesch und China, wo Gewässer mit Chemikalien aus Textilfabriken kontaminiert werden. In diesen Ländern haben Millionen Menschen keinen verlässlichen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Artensterben, Waldzerstörung und Erderwärmung unberücksichtigt
So sollen Konzerne nur für jene Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden, die in direktem Zusammenhang mit den Umweltzerstörungen stehen. Das massive Artensterben, großflächige Waldzerstörung sowie die Erderwärmung bleiben unberücksichtigt. Umweltbezogene Sorgfaltspflichten müssten jedoch ebenso für Boden, Luft, Wasser, Biodiversität und für das globale Klima gelten, so die Kritik. Außerdem müsste das Gesetz all jene verbindlichen internationalen Abkommen umfassen, die auch in Deutschland gültig sind - wie etwa das Exportverbot für gefährliche Abfälle aus dem Baseler Übereinkommen oder das Verbot der Einleitung von Öl ins Meer im MARPOL-Übereinkommen.
Derzeit sind lediglich zwei internationale Umwelt- und Gesundheitsabkommen einbezogen: das Minamata-Übereinkommen über Quecksilber sowie die POP-Konvention über persistente organische Schadstoffe. Außerdem soll das Gesetz erst im Januar 2023 in Kraft treten, zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten - das betrifft derzeit rund 600 Betriebe. Erst ein Jahr später soll es auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten gelten - was nach aktuellem Stand rund 2.900 Firmen betreffen würde. Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen können jedoch auch von kleineren Unternehmen verursacht werden, mahnt Greenpeace. Aus diesem Grund sollen alle Unternehmen erfasst werden, die mindestens zwei der folgenden Merkmale aufweisen: Sie gehören Risikobranchen wie zum Beispiel dem Textilsektor an. Sie beschäftigen mehr als 250 Menschen. Sie weisen eine jährliche Bilanz von mehr als 20 Millionen Euro auf und/oder generieren einen Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro.
Fehlendes Trinkwasser und Pestizidvergiftungen auf Zitrusfarmen
Aufgrund ihrer Marktmacht haben deutsche Supermarktkonzerne starke Einflussmöglichkeiten, die sie vor allem zu ihrem eigenen Vorteil auslegen. Denn anstatt die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Farmen durchzusetzen, setzen Lidl, Rewe und Co. die Zulieferer mit kurzfristigen Lieferverträgen und dem Nachverhandeln von Preisen unter Druck.
Ein anschauliches Beispiel hierfür liefern die Produktion von und der Handel mit Zitrusfrüchten: Zwischen 1980 und 2016 hat sich die weltweit gehandelte Menge von 61 Millionen auf 146,5 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt. Am meisten gehandelt wird mit Orangen, doch der Handel mit Zitronen, Grapefruits und Mandarinen holt auf. Der größere Teil der Orangen wird zu Saftkonzentrat verarbeitet und exportiert. Marktführer hierbei ist Brasilien. Die qualitativ höherwertigen Orangen werden als Früchte auf dem Weltmarkt gehandelt. Südafrika als zweitgrößter Exporteur liefert vor allem Grapefruits, Zitronen und Mandarinen und steht als Importeur für Deutschland mit knapp 80.400 Tonnen nach Spanien gleich an zweiter Stelle.
In einer aktuellen Analyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung werden die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf fünf Farmen in der südafrikanischen Provinz Ostkap untersucht. Die Farmen produzieren für Packhäuser, die wiederum Supermarktkonzerne wie Edeka, Rewe und Lidl beliefern.
Fehlender Zugang zu Trinkwasser, akute Pestizidvergiftungen und die Schikane von Gewerkschaftsvertretern werden als wichtigste Beispiele für massive Arbeitsrechtsverletzungen genannt. So werden bei der Anwendung von Pestiziden auf vier Farmen die notwendigen Sicherheitsstandards nicht eingehalten, auf einer wurden sogar mehrere Fälle akuter Vergiftung dokumentiert.
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