Lügendetektoren und die Wahrheit
In Europa sind die Lügendetektoren umstritten, in den USA ein Alltagsgerät in der Verbrechensaufklärung - In Zukunft soll direkt ins Gehirn geschaut werden
Wissenschaftler nennen das Aufspüren von Lügen durch die körperliche Reaktion von verdächtigen Personen Forensische Psychophysiologie. Umgangssprachlich ist dagegen von Lügendetektion die Rede. Aus amerikanischen Filmen ist das Bild bestens bekannt: Da sitzt ein mutmaßlicher Täter verkabelt vor dem Ermittler und nach jeder Antwort schlagen Nadeln auf dem Papier aus. Fangen sie an, wie wild geworden hin und her zu sausen, dann lügt der Verdächtige. Dieses Gerät wird Lügendetektor genannt, präziser formuliert heißt es Polygraph. Am Körper befestigte Elektroden und andere Sensoren messen die Reaktionen des Probanden, normalerweise sind das Atemtiefe und Atemfrequenz, Blutdruck, Herzaktivität und Schweißabsonderung.
Wer lügt, erregt sich dabei und die entstehenden Emotionen zeigen sich körperlich - das ist die Grundannahme der Lügendetektion. Wobei die Messprotokolle nur ein Teil der Prozedur sind, denn der Befrager und seine standardisierten, strukturierten Testfragen ergänzen die mechanischen Aufzeichnungen. Die beiden am häufigsten verwendeten Tests sind erstens der Kontrollfragentest (Control Question Test), bei dem relevante Fragen nach der Tat mit Kontrollfragen gemischt werden. Die Reaktionen während der Antworten sollen dann Aufschluss über die Glaubwürdigkeit des Befragten, bzw. seine Schuld oder Unschuld geben. Der zweite ist der Tatwissentest (Guilty Knowledge Test), wobei gezielt Details der Tat abgefragt werden, um zu sehen, ob der Verdächtigte auf Sachverhalte, die nur der Schuldige kennen kann, anders reagiert als auf glaubwürdige, aber unwahre Behauptungen.
Einsatz der Lügendetektoren
Vor allem in den USA werden Polygraphen eingesetzt, sowohl bei der Polizei um Straftäter zu ermitteln, als auch von der Regierung in sensiblen Sicherheitsbereichen (vgl. American Polygraph Association). Alle amerikanischen Geheimdienste nutzen den Lügendetektor bei Einstellungen und regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen der Mitarbeiter. Der letzte spektakuläre Einsatz, der öffentlich bekannt wurde, fand im US-Atomwaffenlabor Los Alamos statt, als dort Datenträger verschwunden waren (Sag mir, wo die Bomben sind – wo sind sie geblieben?).
Insgesamt werden in mehr als 50 Staaten regelmäßig Lügendetektoren eingesetzt, teilweise auch von Firmen, um ihr Personal zu überprüfen. Dazu gehören außer den USA auch Japan, Australien, Südafrika, China und Israel. Das ist insofern erstaunlich, weil die physiologischen Anzeichen von Lügen bis heute unter den Psychologen umstritten sind. Es ist bekannt, dass die Geräte eine Fehlerquote von mindestens 10 bis 20 Prozent aufweisen, dazu kommt, dass diese Zahl rapide ansteigt, wenn ungeübte Personen als Interviewer die Tests durchführen.
Immer wieder behaupten sogar Befürworter der Polygraphen, dass Geheimdienste fähig seien, ihre Mitarbeiter so zu schulen, dass sie die Lügendetektoren systematisch überlisten könnten (Perfekte Lügner). Auch bei Psychopathen ist der Einsatz äußerst umstritten, da sie nicht nur andere ständig manipulieren, sondern auch notorisch lügen, ohne dabei körperlich besonders zu reagieren (Die Psychopathen sind unter uns). Auch das Fehlen von Schuldbewusstsein, das unter Tätern im Bereich sexueller Missbrauch häufig vorkommt, führt zu tendenziell falschen Ergebnissen (vgl. Kann man Lügen messen?).
Dennoch hat die englische Regierung jetzt vor, die lang gehegten Pläne (Körper lügen nicht) in die Tat umzusetzen und verurteilte Sexualstraftäter während der Bewährungszeit mit Lügendetektoren zu überwachen. Die Pilotphase ist längst angelaufen und nach Willen der Regierung soll das Prozedere bald flächendeckend in bestimmten Regionen durchgeführt werden - auch durch Privatfirmen.
Kein Beweismittel in der Bundesrepublik
In Deutschland gilt der Lügendetektor als unzuverlässig und ist deshalb als Beweismittel nicht zugelassen. Eine Studie des Instituts für Präventionsforschung und Sicherheitsmanagement in Münster kam 2000 zu dem eindeutigen Schluss:
Die kriminalpräventive Reichweite des Untersuchungsverfahrens mit einem Lügendetektor tendiert gegen Null, weil es den Forschern im vorliegenden Projekt entgegen der weltweit vertretenen Meinung gelungen ist, auch erfahrene Anwender des Lügendetektors willkürlich in die jeweils gewünschte Aussagerichtung irrezuleiten, ohne dass diese es bemerkt hätten. Dieses "Täuschungsverfahren" ist methodisch einfach und im Prinzip von jedem innerhalb eines Tages erlernbar. Damit fällt der Lügendetektortest als Wahrheitsfindungsinstrument aus und entwickelt insofern auch keine kriminalpräventive Reichweite. Im Gegenteil, die obligatorische Anwendung könnte kriminogen wirken, weil der im Täuschungsverhalten Geübte seine vermeintliche Unschuld "beweisen" könnte. Diese Erkenntnisse dürften weltweit Auswirkung auf die Anwendung des Verfahrens haben, zumindest aber in Deutschland muss das bisher geübte Testverfahren beerdigt werden.
In Strafverfahren ist der Polygraphentest als Beweismittel unzulässig, obwohl er bei freiwilliger Teilnahme nicht gegen Verfassungsgrundsätze wie die Menschenwürde verstößt, urteilte der Bundesgerichtshof 1998 ( Urteil vom 17.12.98. Polygraphentest als Beweismittel). 2002 stoppte das bayerische Innenministerium einen Vorstoß der Münchner Polizei, die einen Versuch mit Lügendetektoren geplant hatte. Zuletzt beschloss 2003 der Bundesgerichtshof, die Praxis in Zivilverfahren zu stoppen, dass potenzielle Missbraucher in ihren Schmerzendgeldverfahren Lügendetektorentests vorlegten, um ihre Unschuld zu beweisen.
Neue Verfahren
Inzwischen tummeln sich auch andere Verfahren zur Erkennung von Lügnern auf dem Markt und machen dem klassischen Polygraphen Konkurrenz. Auch Privatleute sollen mittels Stimmanalyse erkennen können, ob der Gesprächspartner am Telefon die Wahrheit sagt (Vorsicht: Lügendetektor). Oder ein Wärmemesser soll feststellen, ob ein Lügner tendenziell rot wird (Neue Lügendetektor-Technologie zur Terroristenabwehr).
Ernstzunehmender sind da schon die Versuche, direkt ins Gehirn von Verdächtigen zu schauen. Seit Jahren wird die Aktivität des Gehirn von Neurowissenschaftlern immer genauer gescannt, wobei oft noch strittig ist, was sie denn da auf ihren hübsch farbigen Bildern genau sehen (vgl. Bei Pepsi-Trinkern leuchtet es im präfrontalen Cortex). Terroristen direkt ins Hirn schauen zu können, klingt natürlich verlockend. Kein Wunder, dass die CIA schon in der Vergangenheit in entsprechende Forschungen investierte (vgl. Ein Gehirnscan als Lügendetektor).
Wie die BBC kürzlich berichtete, investiert jetzt das US-Verteidigungsministerium große Summen in die Forschungen von Jennifer Vendemia von der University of Carolina. Sie behauptet, ihr System zum Erkennen von Lügen in den Gehirnwellen haben eine Fehlerquote von maximal sechs Prozent und sei damit den klassischen Polygraphentests weit überlegen. Mehr als 120 Elektroden werden an Gesucht und Kopfhaut angebracht, um die Gehirnströme unmittelbar sichtbar zu machen. Vendemia ist sich sicher, dass sich ihr Verfahren durchsetzen wird:
Der Polygraphentest überprüft Veränderungen, die das periphere Nervensystem betreffen - Hautleitfähigkeit, Atmung, Herzschlag - als Anzeichen dafür, ob jemand die Wahrheit sagt. Unsere Forschung richtet sich auf das zentrale Nervensystem aus, das alle diese peripheren Reaktionen verursacht. Es handelt sich um den Unterschied zwischen Informationen aus zweiter Hand oder direkt aus der Quelle. (...) Wenn jemand sich entscheidet zu lügen, dann aktiviert er ein bestimmtes Gehirnareal. Wir konnten die Gehirnaktivität erkennen, der sich dann ereignet, wenn jemand zum Lügen ansetzt.