Lützerath: Tausende gegen Braunkohle und Räumung
35.000 Menschen demonstrieren am rheinischen Tagebau Garzweiler II. Demonstranten und Sanitäter berichten von exzessiver Polizeigewalt und zahlreichen Verletzten.
Der kleine Weiler Lützerath am Rande des rheinländischen Tagebaus Garzweiler II scheint zum Brokdorf und Gorleben der Klimaschutzbewegung zu werden. 35.000 Menschen demonstrierten nach Veranstalterangaben in den umliegenden Dörfern und vor allem auf den Feldern am Samstag gegen die Ausweitung des Braunkohleabbaus und den Abriss des Dorfes.
Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten von einer friedlichen Demo, die sie erlebt hätten "Tausende entspannter und gelassener Menschen (trotz der Umstände), Kinder, Hunde, Alte, Aktivisti, Ökos, Bürgerliche ... bunt gemischt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ziel."
Konfrontationen mit der Polizei: Zahlreiche schwere Verletzungen
Doch an einigen Punkten kam es offensichtlich zu folgenreichen Konfrontationen, insbesondere, als Tausende von der Demoroute abwichen, um nach Lützerath und an die Tagebaukante zu gelangen versuchten. Eine Teilnehmerin schreibt in den sozialen Medien von einer "offenbar überforderten und krass aggressiven Polizei".
Das Presseteam der Proteste berichtet auf Mastodon von zahlreichen schweren Verletzungen. Krankenwagen und ein Helikopter hätten Menschen in Krankenhäuser bringen müssen.
Es habe zahlreiche Knochenbrüche und mindeste eine bewusstlose Person gegeben. Zahlreiche gezielte Schläge auf den Hals mit Fäusten und Schlagstöcken und mindestens ein Hundebiss, der im Krankenhaus behandelt werden musste, seien registriert wurden. Auch durch Pfefferspray seien viele Personen verletzt worden.
Sanitäter hätten außerdem berichtet, dass Polizisten in einem Fall trotz laufender Behandlung durch die Sanitäterinnen und Sanitäter weiter auf die verletzte Person eingeschlagen haben. Iza Hofmann, laut Selbstauskunft auf Twitter eine dieser Demosanitäterin, schreibt dort, sie habe "buchstäblich jeden Knochen gebrochen gesehen". Die Polizei sei "unfassbar brutal" vorgegangen.
Verschiedene Videos zeigen, wie die Polizei immer wieder und an verschiedenen Orten mit ihren Tonfas genannten Schlagstöcken auf Menschen, die sich nicht zu wehren scheinen und auch keine Chance haben, sich zu schützen, einschlagen. Das Ergebnis waren die oben genannten Knochenbrüche. Die Quergriffe dieser Schlagstöcke sind berüchtigte "Schädelbrecher".
Das Nachrichtenmagazin Spiegel meldete in seinem Ticker um 13:16 Uhr, dass eine Aktivistin verletzt – vermutlich schwer – abtransportiert wurde, nachdem sie "längere Zeit kopfüber an einem Seil gehangen (habe), als Folge des Einsatzes des Höheninterventionsteams“.
Aktivisten hatten schon am Freitag und auch am Samstag wiederholt gemeldet, dass die Beamten Seile, die der Sicherung von Baumhäusern, Übergängen in den Bäumen und auch von hohen Pfählen, auf denen sich Menschen befanden, kappten, ohne groß auf die Folgen zu achten. Auch vom Einsatz von Kettensägen direkt neben Menschen wurde berichtet.
Braunkohlekraftwerk Lippendorf steht still
In verschiedenen Orten, wie etwa Berlin, gab es am Samstag spontane Solidaritätskundgebungen für die Proteste gegen den Braunkohleabbau und die Zerstörung fruchtbaren Ackerlandes. Solidarische Grüße erhielten die Klimaschützerinnen und -schützer auch aus Rojava, das heißt, aus den selbstverwalteten kurdischen Gebieten im Norden Syriens.
Während sich im Westen dieser brachiale Polizeieinsatz für die Räumung eines nicht einmal vollständig im Besitz des Tagebaubetreibers RWE befindlichen Geländes – der im Übrigen von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt wird – steht im Osten das Braunkohlekraftwerk Lippendorf bei Leipzig still, weil sich die Braunkohleverbrennung derzeit nicht lohnt.
Zu viel Windstrom, der den Börsenstrompreis drückt. Rechnerisch wurde in den letzten Tagen der Kohle- und Atomstrom ins Ausland exportiert.