Lützerath – der GAU der Grünen?
Spätestens mit der Räumung von Lützerath dürfte der Bruch von Klimaaktivisten und Grünen vollzogen werden. Die Partei hat ihre ursprünglichen Ziele aufgegeben. Ein Kommentar.
Nun steht sie also bevor, die Räumung des Ortes Lützerath, dem Symbol der Klimabewegung. Die zuständige Landesregierung mit grüner Beteiligung und dem CDU-Innenminister Herbert Reul wird räumen. Das hat sie angekündigt, ja angedroht, und dahinter kann sie nicht mehr zurück.
Sie kann nicht, so gern es der grüne Teil der Regierung um Mona Neubaur, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Klimaschutz, auch möchte.
Die einzige Chance, dieses Dilemma auflösen zu können, hätte es auf dem Bundesparteitag der Grünen im Oktober in Bonn gegeben. Dort wurde von der Grünen Jugend – mit kräftiger Unterstützung aus der Klimabewegung und dem linken Flügel der Partei – der Antrag gestellt, die Abbaggerung des symbolträchtigen Ortes abzulehnen. Er wurde mit hauchdünner Mehrheit abgelehnt.
Wäre er angenommen worden, hätte es vermutlich in der Regierungskoalition geknirscht, was aber angesichts des Verhaltens der Liberalen vermutlich nicht aufgefallen wäre. Die FDP hätte damit die richtige Antwort auf ihre dauernden Querschüsse bekommen, es wäre gejammert worden, und dann wären Christian Lindner (FDP) und seine Parteikollegen mit der nächsten Gemeinheit wieder zur Tagesordnung übergegangen. Vielleicht hätten sie dann gleich – und nicht erst 8 Wochen später – den Bau neuer Atomkraftwerke gefordert.
Anders in Nordrhein-Westfalen: Hier hätten die Christdemokraten leise gewimmert, vielleicht auch laut geflucht und geschimpft – und das wäre es gewesen. Was hätten Hendrik Wüst und seine Partei auch machen wollen? Neuwahlen? Die hätten sie wohl genauso krachend verloren, wie sie die vergangene Wahl überraschend gewonnen hatten.
Grüne kämpfen für die Kohle
Aber die Grünen, allen voran der rhetorisch brillante NRW-Minister Oliver Krischer, warfen sich auf dem Parteitag mit allem ins Zeug, was sie hatten, inklusive Milchbubenrechnungen und Halbwahrheiten.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und unsere Abhängigkeit von russischem Gas musste herhalten, sogar vom vorgezogenen "Kohleausstieg bis zum Jahr 2030" wurde schwadroniert – und verschwiegen wurde, dass in dieser Zeit genauso viel Braunkohle abgebaggert wird, wie ursprünglich bis 2038 vorgesehen war.
Wen interessiert es, dass die Kohle unter Lützerath für die deutsche Stromversorgung schon in den nächsten Jahren überhaupt nicht mehr gebraucht werden wird? Die Herren Habeck und Krischer sowie Frau Neubaur offenbar nicht. Besonders elegant an der Vereinbarung: RWE kann die Ausstiegsentschädigung über 2,6 Milliarden Euro für 2038 behalten und verdient sich vorher eine goldene Nase.
Vor wenigen Jahren war noch nicht vorstellbar, dass sowohl die grüne Bundespartei als auch die grünen Mitregenten in Nordrhein-Westfalen gegen ein aktuelles, gültiges Urteil des Bundesverfassungsgerichtes handelt. Mit seinem Urteil vom 24. März 2021 hatte das Gericht Nachbesserungen am Klimaschutzgesetz gefordert. Das Gericht befand, zumindest die Regeln für die Fortschreibung des Reduktionspfades nach 2031 seien nicht ausreichend.
Und jetzt also die Räumung?
Friedlich möge die Räumung von Lützerath sein, wünscht sich Neubaur. Das wird sie nicht, sagen die Aktivisten. Es wird in der Szene mobilisiert, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Aktivisten, die sich auf Autobahnen kleben, werden sich zu wehren wissen.
Hässliche Bilder in den Nachrichten werden das Stimmungshoch der Grünen trüben, vielleicht werden sie den Berliner Grünen die Wahl verhageln. Bilder, der von Bäumen geprügelten Jugendlichen, werden ähnlich wirken wie vor zwei Jahren im Dannenröder Forst beim Autobahnbau. Nur damals konnte sich der hessische Minister Tarek Al-Wazir (Grüne) mit einem zuständigen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) herausreden.
In Lützerath ist der zuständige Bundesminister ein Grüner: Robert Habeck. Ausreden werden nicht funktionieren: Im Bundestag gab es keine Gegenstimme zu dem Deal.
Selbst in den bisher schwärzesten Zeiten waren grüne "Ausrutscher" eben das: Ausrutscher. Als der Krieg im Kosovo beschlossen wurde, lief die Anti-Atom-, Anti-Gen- und Umweltschutz-Politik zur Höchstform auf. Wurde am Atomausstieg gedreht und wider besseres Wissen für einen Endlagerdeal gestimmt, glänzte die Friedenspolitik.
Heute aber haben es die Grünen geschafft, sich eindrucksvoll von fast allen Wurzeln zu verabschieden: In der Ukrainefrage schreien die Grünen am lautesten nach schweren Waffen; die deutsche Atombewaffnung und bewaffnete Drohnen wurden auf Parteitagen eindrucksvoll abgeräumt; Gentechnik ist kein Tabu mehr, im Gegenteil. Der Atomausstieg wird verschoben und demnächst – dank FDP und trotz des Machtworts von Olaf Scholz (SPD) – wieder neu verhandelt.
Und jetzt das letzte vermeintlich sichere Feld: Klimaschutz? Frackinggas wird in Massen – sogar aus Russland – importiert; die Anlagen dafür werden im Hauruckverfahren gegen alle Umweltbedenken durchgeboxt; Kohlekraftwerke werden wieder hochgefahren – und jetzt werden Klimaaktivisten aus dem besetzten Lützerath geprügelt werden.
Ausrutscher sind es inzwischen keine mehr, sie sind das neue Normal! Die Grünen scheinen neue Wähler zu benötigen; aber dank der brillanten Verkäufer und der Unfähigkeit der anderen Mitte-Parteien haben sie die schon gefunden. Die Politik der Grünen ist dem schon vorausgeeilt – sie ist in der Mitte angekommen, ihrer grünen Urthemen hat sich die Partei entledigt, sie störten nur.
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