Luftfahrt: Russland testet neuen Superjet mit eigenen Triebwerken

Franziska Lindner

Der Superjet SJ-100 bei seinem Testflug mit heimischen Triebwerken

(Bild: Rostec)

Russland arbeitet erneut an der Produktion eigener Flugzeuge. Testflug mit einheimischem Triebwerk verlief erfolgreich. Doch der Weltmarkt ist in fester Hand.

Am 17. März hat die Russische Föderation ihren ersten "Superjet" mit einheimischen PD-8-Triebwerken unter den Flügeln erfolgreich in die Luft gebracht. Dem Pressedienst des staatlichen Unternehmens Rostec zufolge dauerte der Flug etwa 40 Minuten, erreichte eine Geschwindigkeit von 500 Stundenkilomter und eine Höhe von bis zu 3000 Metern.

Erfolg für zivile Luftfahrt

Der Prototyp des Passagierflugzeugs SJ-100 (Suchoi Superjet 100) ist damit die erste Maschine, die mit in Russland von dem Unternehmen Aviadvigatel hergestellten PD-8-Triebwerken versehen ist. Bis Ende März sollen zwei weitere Prototypen mit diesen Apparaten zur Flugerprobung übergeben werden.

Die Musterzulassung ist für den Herbst diesen Jahres geplant, eine mögliche Serienproduktion in den nächsten Jahren.

Ursprünglich waren die jetzt umgebauten Superjets SJ-100 des Modelljahrs 2018, produziert in Komsomolsk am Amur und mit einer Reihe ausländischer Komponenten versehen, für die irische Charter-Fluggesellschaft Cityair vorgesehen. Aus verschiedenen Gründen ist die Bestellung aber nie gänzlich ausgeliefert worden und einige Modelle sind in Russland verblieben.

Derzeit befinden sich bereits zwei Flugzeuge dieses Typs in der Erprobung, wobei die andere Maschine noch mit SaM-146-Triebwerken aus russisch-französischer Produktion versehen ist. Ein dritter Superjet, der bereits vollständig von Importprodukten befreit ist, soll ebenso in Kürze an den Tests teilnehmen.

Laut dem Geschäftsführer von Rostec, Sergej Chemezov, soll das Projekt innerhalb eines sehr engen Zeitrahmens, gemessen an den Standards der weltweiten Luftfahrtindustrie realisiert werden: "Nach 2022 muss der Superjet praktisch von Grund auf neu gebaut werden. Gleichzeitig ist das Triebwerk eines der Schlüsselelemente des Programms zur Importsubstitution, es ist das ‚Herz‘ des Flugzeugs".

Die Ende Februar 2022 aufgrund des Ukraine-Krieges gegen Russland verhängten westlichen Sanktionen brachten den zivilen Luftfahrtbereich des Landes in große Bedrängnis.

Die Sanktionen beinhalten ein Verbot der Lieferung von zivilen Flugzeugen und Ersatzteilen an die Föderation sowie deren Wartung und Versicherung. So hatte die Wiederbelebung der Industrie zur Produktion von Passagierflugzeugen von dort an eine hohe Priorität.

Im Rahmen des Importersatzes hinsichtlich des Superjets werden etwa 40 importierte Systeme und Einheiten ersetzt, darunter die Triebwerke (inklusive Hilfstriebwerke), die Avionik, das Fahrwerk, das Kontrollsystem, die Stromversorgung, die Klimaanlage oder die Brandschutzsysteme. Um die Produktion und Wartung des Flugzeugs zu vereinfachen, erhielt es auch einen modifizierten einheimischen Rumpf.

Die Arbeit zur Entwicklung eines importierten SJ-100 wird von einer Reihe von Unternehmen in Kooperation und unter der Schirmherrschaft der United Aircraft Corporation (UAC, Teil von Rostec) durchgeführt.

Internationale Konkurrenz

Die Herstellung von Triebwerken ist nicht nur technisch herausfordernd, auch sind die Anforderungen an den Werkstoffen enorm. So spielen metallische Werkstoffe, wie Nickel und Titan, nicht nur eine wichtige Rolle in den Bauteilen von Triebwerken, sondern sie müssen ebenso stetig weiter optimiert werden, um die Geräte leichter und sparsamer zu machen.

Im internationalen Maßstab ist die Luftfahrtindustrie hart umkämpft, aber der Wettbewerb unter den Anbietern ist vergleichsweise begrenzt. Während weniger bekannte Hersteller von Passagiermaschinen versuchen eine bedeutendere Stellung auf dem Weltmarkt aufzubauen, wird dieser von zwei Hauptakteuren für große Verkehrsflugzeuge dominiert; von dem in den USA ansässigen Unternehmen Boeing sowie der europäischen Airbus Group.

Dabei sind Zulieferer wie GE Aerospace, Raytheon Technologies und Rolls-Royce von entscheidender Bedeutung für die Bereitstellung elementarer Komponenten wie den Triebwerken oder der Avionik.

Zu den aufstrebenden Herstellern großer Passagierflugzeuge gehören die Unternehmen Comac in China, Mitsubishi in Japan sowie die UAC in Russland.

Dabei arbeiten Comac und UAC bereits an Großprojekten im Bereich der zivilen Luftfahrt zusammen. Im Jahr 2017 wurde die China-Russia Commercial Aircraft International Corporation (CRAIC) in Shanghai gegründet, um die Entwicklung eines russisch-chinesischen Passagierflugzeugs umzusetzen. Durch die Verhängung der Sanktionen gegen Russland zog sich das Land 2022 jedoch aus der direkten Beteiligung an der Entwicklung des Flugzeugs zurück.

Krise einer einstigen Prestigebranche

Der Flugzeugbau ist ein wichtiger Industriezweig in Russland und war in der Sowjetunion hoch entwickelt. Nicht nur im militärischen, sondern auch im zivilen Bereich hatte sie hohe Anteile an der weltweiten Flugzeugproduktion. Mit ihrer Auflösung geriet der Bereich der zivilen Luftfahrt in den 1990er Jahren in eine tiefe Krise. Fast der gesamte verarbeitende Sektor wurde durch Importe zu Grunde gerichtet.

Aufgrund des wachsenden Luftverkehrs sowie steigender Nachfrage verbesserte sich die Lage im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre.

Ein 2005 eingeleitetes Konsolidierungsprogramm führte schließlich ein Jahr später zur Gründung der staatlichen UAC, um die wichtigsten Vermögenswerte Russlands im Bereich Flugzeugdesign und -produktion zu konsolidieren. Sie umfasst gegenwärtig die meisten der bedeutenden heimischen Unternehmen im Flugzeugbau.