Luftschläge gegen die Huthis in Jemen: Europas Wirtschaft ist der Kollateralschaden

Harald Neuber

Tomahawk-Raketen werden während der Operation Poseidon Archer abgeschossen. Bild: U.S. Air Forces Central.

Angriffe der USA und Großbritanniens sind mehr als nur Verteidigung von Handelsrouten. Geopolitische Ziele unklar. Effekte in Europa zu spüren. Ein Telepolis-Leitartikel.

Am Montag dieser Woche haben die USA und Großbritannien erneut Angriffe auf acht Stützpunkte der politisch-militärischen Huthi-Bewegung im Jemen geflogen. Begründet wurden die Luftschläge mit dem wiederholten Beschuss von Handelsschiffen im Roten Meer durch die vom Iran unterstützte Miliz. Die Huthis wiederum begründen ihr Vorgehen mit der Unterstützung der Hamas im laufenden Krieg mit Israel.

Eskalation im Jemen: USA und Großbritannien mit neuen Angriffen

Nach Angaben der New York Times waren die jüngsten Angriffe größer als die bisherigen Abwehrschläge gegen einzelne Huthi-Raketen. Sie hätten auch mehrere Ziele getroffen, darunter Radaranlagen, Drohnen- und Raketenbasen sowie Waffenlager.

Allerdings seien die Angriffe der US-Amerikaner und Briten niederschwelliger gewesen als die ersten Luftschläge am 11. Januar. Damals waren nach offiziellen Angaben mehr als 60 Ziele an fast 30 Orten im Jemen getroffen worden.

Die USA und Großbritannien betonten ihre Entschlossenheit, so die NYT, gegen die Bedrohung durch die Huthis vorzugehen. Weitere Unterstützung käme von den Niederlanden, Australien, Kanada und Bahrain. Diese Staaten hätten bereits bei früheren Angriffen logistische und geheimdienstliche Hilfe geleistet.

Trotz dieser Bemühungen sind die Huthis jedoch weiterhin in der Lage, die Schifffahrtsrouten im Roten Meer und damit in der Nähe des Suezkanals anzugreifen.

Am Montag behaupteten die Huthis sogar, einen US-Frachter, die Ocean Jazz", im Golf von Aden angegriffen zu haben. Das Weiße Haus und das Pentagon dementierten jedoch, dass es einen solchen Angriff gegeben habe.

Biden: Angriffe halten Huthis nicht auf

Joe Biden sagte am Donnerstag, die US-Luftangriffe gegen die Huthis würden fortgesetzt. "Halten sie die Huthis auf? Nein", so der US-Präsident. "Werden sie fortgesetzt? Ja."

Die USA und Großbritannien bezeichnen ihre Angriffe als "Operation Poseidon Archer". Daneben werben sie für eine "Operation Prosperity Guardian", die den Schiffsverkehr im Roten Meer defensiv schützen soll. Die beiden Militäreinsätze sind aber kaum voneinander zu trennen, zumal in beiden Fällen US-Amerikaner und Briten beteiligt sind.

Wie sehr die Mission schon vor Start gescheitert sind, zeigt ein Blick auf die folgenden Details.

Das sind die US-Militärkräfte – und die Versprechen der anderen

Im Dezember standen noch eine internationale Allianz und die Operation Prosperity Guardian im Roten Meer im Vordergrund. Gut zwei Dutzend Nationen hätten sich unter US-Führung zusammengefunden, so die damalige Meldung, die allerdings rasch verhallte.

Es folgten erst Schweigen und dann – am 11. Januar – die ersten Militärschläge der USA und Großbritanniens. Zwischen beiden Meldungen gibt es einen direkten Zusammenhang.

Denn offenbar hat sich in Washington und London über den Jahreswechsel die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein größerer internationaler Verband für eine Militäraktion im Roten Meer nicht organisierbar ist. De facto gibt es keine internationale Allianz, sondern, wie seither weitgehend korrekt berichtet wird, Angriffe der USA und Großbritanniens.

Die Combined Task Force 153, die den U.S. Combined Maritime Forces untersteht, kontrolliert diese militärischen Aktivitäten. Die beteiligte Angriffsgruppe Carrier Strike Group 2 der US Navy besteht aus dem Flugzeugträger USS Dwight D. Eisenhower und den begleitenden Zerstörern der Arleigh-Burke-Klasse, USS Gravely, USS Laboon und USS Mason.

Zu den weiteren beteiligten Schiffen gehörte zuletzt auch der britische Zerstörer HMS Diamond.

Der tatsächliche Einsatz: Welche Nationen tragen wie bei

Und es gab viele Versprechen. Griechenland kündigte die Entsendung einer Fregatte in die Region an. Dänemark versprach, einen (!) Offizier zur Unterstützung der Operation zu entsenden und kündigte Ende Dezember erst nach Verhandlungen an, ebenfalls eine Fregatte zur Verfügung zu stellen.

Australien sagte die Entsendung von elf Militärangehörigen zu, wollte zuletzt aber kein Kriegsschiff entsenden. Die kanadischen Streitkräfte werden eine unbestimmte Anzahl von Land-, Luft- und Seefahrzeugen zur Unterstützung entsenden. Kanada ist mit drei Stabsoffizieren dabei, die Niederlande mit zwei Stabsoffizieren. Frankreich ist auch präsent, aber unter eigenem Kommando.

Die Liste könnte fortgefahren werden, ist aber ebenso wenig aufsehenerregend wie die genannten Beispiele.

So bleiben zwei Erkenntnisse zurück. Erstens, den USA ist es kaum gelungen, eine effektive, internationale Allianz zum angeblichen Schutz des Seehandels zusammenzustellen. Zweitens, die offensive Mission Poseidon Archer lässt sich kaum von der defensiven Mission Prosperity Guardian trennen.

Geopolitik: Lesen Sie weiter, welche weiteren Ziele Washington womöglich verfolgt.

Parlamente in den USA und Großbritannien außen vor

Während die westliche Militärallianz gegen die Huthi bislang also alles andere als stark und schlagkräftig ist, werden die Angriffe in den beiden führenden Ländern hinterfragt. Denn sowohl in den USA als auch in Großbritannien wurde das Parlament nach Ansicht der jeweiligen Opposition nicht hinreichend eingebunden.

Von Labour in Großbritannien hieß es, Parteichef Keir Starmer sei über einige Angriffe nicht informiert worden. Die Nachrichtenagentur PA berichtete, auch der Sprecher des Unterhauses, Lindsay Hoyle, sei im Unklaren gelassen worden.

Der Vorsitzende der britischen Liberaldemokraten, Ed Davey, zeigte sich "zutiefst enttäuschend", dass das Parlament vom Premierminister in der Frage der Reaktion auf das Rote Meer "umgangen" worden sei. Zwar unterstütze seine Partei die Angriffe, "solange sie begrenzt bleiben".

Davey weiter: "Es ist absolut wichtig, dass das Parlament die Möglichkeit hat, seine Meinung zu äußern, durch eine Debatte und eine Abstimmung. Der Premierminister hat beides bisher nicht gewährt."

Grenzen des Parlaments: Mangelnder Einbindung in Kriegsentscheid

Auch in den USA hat indes eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten Präsident Biden dafür kritisiert, dass er auf die Zustimmung des Kongresses für die Angriffe am 11. Januar verzichtet hat. Damit brandete erneut die Debatte darüber auf, inwieweit die verschiedenen Gewalten Kriegsentscheidungen eingebunden werden müssen.

"Dies ist ein inakzeptabler Verstoß gegen die Verfassung", sagte die Kongressabgeordnete Pramila Jayapal, eine Demokratin aus Washington und Vorsitzende des Progressive Caucus. "Artikel 1 verlangt, dass Militäraktionen vom Kongress genehmigt werden müssen.

Biden, der 36 Jahre lang dem Senat angehörte, unter anderem als Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Beziehungen, hat den Kongress zwar informiert, aber nicht um seine Zustimmung gebeten.

Überraschender Effekt der Angriffe auf die Huthis

Die Frage hinter alledem aber ist: Haben die Angriffe bisher Wirkung gezeigt? Haben die Huthi angesichts der US-amerikanischen und britischen Militärpräsenz im Roten Meer, dem Bab al-Madeb und dem Golf von Aden von ihren Angriffen abgelassen?

Geantwortet darauf hat US-Präsident Biden selbst. Noch mal sein Zitat: "Halten sie die Huthis auf? Nein"

Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel sah indes für Dezember 2023 signifikante Auswirkungen auf den globalen Handel durch die Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer.

Wirtschaftliche Auswirkungen: Handelseinbußen durch den Konflikt

Die Menge der transportierten Container in dieser Region brach demnach um mehr als 50 Prozent ein. Dadurch stiegen die Frachtkosten und Transportzeiten für den Warenverkehr zwischen Fernost und Europa, und die Handelszahlen von Deutschland und der EU fielen im Vergleich zum Vormonat November 2023 (preis- und saisonbereinigt) deutlich.

Global gesehen setzt sich der leicht negative Trend im Welthandel fort, mit einem Rückgang von 1,3 Prozent von November auf Dezember 2023. Für die EU wurden Rückgänge bei Exporten (-2,0 Prozent) und Importen (-3,1 Prozent) verzeichnet. Deutschlands Außenhandel zeigt weiterhin eine Schwächephase, mit Rückgängen bei Exporten (-1,9 Prozent) und Importen (-1,8 Prozent).

Und nun die Pointe: In den USA waren die Rückgänge weit weniger ausgeprägt, mit -1,5 Prozent bei Exporten und -1,0 Prozent bei Importen, da der Seeweg durch das Rote Meer und den Suezkanal für die USA weniger wichtig ist als für Europa

Sollte der Konflikt am Roten Meer länger andauern, werden Deutschland und Europa als Wirtschaftsstandort weiter geschwächt. Die wachsende Asymmetrie zwischen Europa und den USA würde zementiert, schreibt Telepolis-Redakteur Bernd Müller unter Berufung auf das Wall Street Journal.

Geopolitische Strategien: USA schwächen EU-Wirtschaft?

Das erklärt nach den von Biden beantworteten Fragen nach Effekt und Perspektive der Angriffe im Roten Meer das Warum. Die USA legen sich mit den irannahen Huthi an und schwächen zugleich den Wirtschaftsstandort EU. Dort mussten in Grünheide bei Berlin Tesla und in Gent, Belgien, Volvo die Produktion einschränken. Die Standorte dieser und anderer global agierender Unternehmen in den USA waren nicht betroffen.

In Berlin findet man das offenbar okay und hat ohne Rücksicht auf Verluste eine Erklärung der "Allianz" unterzeichnet.

Das scheint außenpolitisch weder wertegeleitet noch besonders klug zu sein.