Lula in Washington: USA sollten ihre Einmischungspolitik beenden

US-Präsident Joe Biden und Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Bilder: Joe Biden / The White House; Lula da Silva / council.gov.ru, CC-BY-4.0

Der neue brasilianischen Präsident besucht die USA. Er kritisiert die russische Ukraine-Besetzung wie die US-Interventionen in Lateinamerika. Über Brasiliens neue weltpolitische Rolle.

Am heutigen Freitag besucht der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva das Weiße Haus und trifft dabei mit Präsident Joe Biden zusammen. Das ist Lulas erste Reise in die nördliche Hemisphäre seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte am 1. Januar, womit Lula seine dritte Amtszeit in Brasilien antritt.

Seine erste internationale Reise führte ihn ins benachbarte Argentinien zum Gipfeltreffen der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC). Die CELAC wurde 2010 als Gegengewicht zur von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten gegründet und umfasst 33 Länder, darunter Venezuela und Kuba.

Andre Pagliarini ist Professor für Geschichte. Er schreibt u.a. für die New York Times u. den Guardian.

Nach dem Austritt Brasiliens unter seinem Vorgänger nutzte Lula die Gelegenheit, die Unterstützung seines Landes für eine Politik der Nichteinmischung in der Region zu bekräftigen.

"Genauso wie ich gegen die Besetzung von Territorien bin, wie es Russland mit der Ukraine getan hat", sagte Lula in seiner Rede, "bin ich gegen jede Einmischung in den Prozess in Venezuela". Mit der Rückkehr Brasiliens in die CELAC bestärkt das Land sein Engagement für die regionale Integration, die Lula als entscheidend für die Interessen seines Landes und den gemeinsamen Wohlstand in der Region ansieht.

Im Vorfeld seines Besuchs in den USA hat Lula angedeutet, dass er den Zustand der Demokratie in der Welt sowie konkretere Themen wie die Bekämpfung des Klimawandels und die Intensivierung des Handels diskutieren möchte. Beide Politiker werden wahrscheinlich auch einen Blick auf das Jahr 2024 werfen, wenn sich die Anerkennung der Unabhängigkeit Brasiliens durch die USA zum 200. Mal jährt.

Vielleicht wird es bei dem Treffen zwischen Biden und Lula vor allem darum gehen, dass sich die beiden Politiker ein Bild voneinander machen. Beide sind warmherzige, umgängliche, langjährige Politiker, deren Rhetorik oft von emotionalen Appellen geprägt ist. Wie sich ihre persönliche Beziehung in der Politik niederschlagen wird, wird wichtig zu beobachten sein, zu einem Zeitpunkt, an dem Biden in sein vorletztes und Lula in sein erstes Amtsjahr geht.

Ursprünglich wurde erwartet, dass Lula einige Tage lang mit Vertretern der Zivilgesellschaft und Wirtschaftsführern zusammentreffen würde, doch nun sieht es so aus, als würde die Reise kurz ausfallen. Es ist geplant, dass er sich vor dem Besuch im Weißen Haus mit sympathisierenden Kongressabgeordneten trifft und vor der AFL-CIO spricht [American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations ist der mitgliederstärkste Gewerkschafts-Dachverband der USA und Kanadas].

Doch bereits nach weniger als 48 Stunden Aufenthalt wird er nach Brasilien zurückkehren. Der Grund für diese Eile ist nicht ganz klar. Einerseits ist es ein Moment der Offenheit und des guten Willens zwischen den USA und Brasilien. Schließlich hat die Biden-Administration den Sieg Lulas über Bolsonaro schnell anerkannt und erhebliche Anstrengungen unternommen, um Lulas Vorgänger von Versuchen abzubringen, sich in die demokratischen Prozesse Brasiliens einzumischen.

Auf der anderen Seite gibt es vielleicht bei vielen in der brasilianischen Linken immer noch Ressentiments und Misstrauen gegenüber der Rolle Washingtons in der brasilianischen Politik seit 2016. Lula und seine engsten Vertrauten haben die USA beschuldigt, an Machenschaften beteiligt gewesen zu sein, die vor fünf Jahren zu seiner Verhaftung führten.

Es sei auch daran erinnert, dass die Nationale Sicherheitsbehörde der USA Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff während der Obama-Regierung ausspionierte. Lulas derzeitiger Außenminister, Mauro Vieira, bekleidete das gleiche Amt unter Rousseff bei ihrem ersten Besuch in Washington nach dem diplomatischen Zwischenfall. Es ist unklar, inwieweit diese jüngsten historischen Episoden zu der Entscheidung beigetragen haben, Lulas Besuch in den USA kurzzuhalten, aber sie werden der brasilianischen Delegation sicherlich zu denken geben.