MAG

Massenschlacht per Breitbandanschluss: In „MAG“ steckt hinter jedem Charakter ein menschlicher Spieler.

Lektionen in Chaos und Krieg

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Einzelspielerkampagnen von Ego- oder Third Person-Shootern verblassen nicht selten gegen den Multiplayer desselben Spiels. Jene Online-Modi stellen ebenfalls Aufgaben und bieten eine Karriere in Konkurrenz zu menschlichen Mitspielern. Die Macher von SOCOM: U.S. Navy SEALs, Zipper Interactive, haben sich nun ganz auf den Multiplayer konzentriert und für PlayStation 3 einen Ego-Shooter geschaffen, der nur online gespielt werden kann.

Sinnloser Krieg mit taktischem Tiefgang

In MAG (allgemeines aber treffendes Kürzel für „Massive Action Game“) gehen 256 Spieler aufeinander los. Doch nicht unüberlegt – das wäre sehr dumm. Die Vision der Entwickler war die Schaffung eines virtuellen Krieges mit Befehlshierarchien und dem Erreichen taktischer Ziele – ein Balanceakt zwischen Chaos mit unbestimmtem Ausgang und kontrollierter Kriegssimulation. „MAG“ ist der erste Konsolen-Shooter dieser Größenordnung und sicher kein Spiel für jedermann. Den Kick bekommst erst, wer im Team denkt, sich unterordnet, Befehle befolgt, konzentriert handelt und bewusst auch mal sein „Leben“ riskiert. Mit Ausdauer und Disziplin kann er schließlich die Rolle des Oberbefehlshabers besetzen und bis zu 255 weiteren Spielern Lektionen erteilen.

Hightech vs. Camouflage

Hintergrund von „MAG“ ist ein Schattenkrieg in der 20 Jahre entfernten Zukunft. Die Regierungen der Welt sind nicht mehr in der Lage ein Militär zu unterhalten und heuern für Angriffs- wie Verteidigungsaktionen Privatarmeen an. Drei große Kooperationen führen Aufträge aus und bekämpfen sich gegenseitig.

Der Spieler hat die Wahl und bestimmt zu Beginn, welcher Fraktion er beitritt – keine leichte Entscheidung, denn alle drei spielen sich anders: Die Raven sind eine dunkel gekleidete Hightech-Armee europäisch-nahöstlichen Ursprungs, die technisch fortschrittlich bewaffnet und gerüstet ist. Die S.V.E.R. (gesprochen Sever, Kürzel für „Seryi Volk Executive Response“) sind das genaue Gegenteil. Bestehend aus russischen, chinesischen und indischen Söldnern repräsentieren sie hartgesottene Überlebenskämpfer und Mechaniker, die jeden Schrott verwerten. Die dritte Fraktion der Valor ist ein Zwischending. Ihre Mitglieder kommen aus den USA, Mexiko und Großbritannien und stehen für traditionelle Soldaten in Camouflage-Uniform.

Trotz ihrer Unterschiede sind alle drei Paramilitärs auf ihre Weise zu individuell taktischen Spielzügen fähig und verantwortlich für ihre Umsetzung sind Kommandeure. Fernab von organisierten Clan-Kriegen, für die MAG wie geschaffen ist, sind auch Matches in gemischten Teams mit Unbekannten spannend, in denen die Anführer wissen, was sie tun. Voraussetzung ist jedoch immer die Akzeptanz der Gruppe und uneigennütziges Teamplay-Denken.

Söldner der drei Privatarmeen: Die Raven (li.) sind Hightech-Soldaten, die S.V.E.R. (mi.) organisierte Rebellen und die Valor (re.) traditionelle Kämpfer in Tarnkleidung.

Hierarchische Kommandostruktur

MAG‘s Hauptmodus „Herrschaft“ ist ein Angriffs- und Verteidigungsgefecht. Zwei Teams aus bis zu 128 Spielern kämpfen um ein vorgegebenes Kampagnenziel. Nun ist es Sache der einzelnen Spielleiter, ihre Gruppen über ein nur für sie zugängliches Kommandosystem und Sprachbefehle via Headset anzuweisen. Die Ausgangslange sieht so aus: Das auf der jeweiligen Spielkarte ansässige Team sitzt in einer Festung, die es schlichtweg verteidigen muss. Der Führer der kleinsten Einheit, eines Squads, heckt Laufwege seiner sieben Recken aus und kann bewaffnete Drohnen rufen. Kompetente Squad-Führer, die sich durch Leistung (in Form von Erfahrungspunkten) ausgezeichnet haben, werden befördert zu den vier Anführern der 32-köpfigen Züge. Diese Offiziere erhalten die Verantwortung über Befehle, die ihnen ihr Einsatzleiter an der Spitze des 128er-Teams unter Ausschluss der restlichen Armee über einen Privatkanal per Mikro erteilt. Jener Big Boss ist außerdem dazu fähig, computergesteuerte Luftbombardements und Präzisionsschläge ausführen zu lassen. Ein solides System, das funktioniert.

Blau gegen Rot: Das angreifende Team stößt auf massive Gegenwehr.

Nur Erfahrung zählt

Einzelkämpfer sind in „MAG“ zum Scheitern verurteilt. Zumindest lohnt es sich nicht, wild und blöd die Festung zu stürmen. An bestimmten Punkten der Söldnerkarriere wird der Spieler mit Erfahrungspunkten für den Aufstieg belohnt und die meisten verdient er im Teamplay. Konsequenterweise bringt die Wiederbelebung eines Mitspielers doppelt so viele Punkte wie der Kill eines Gegners. Da es keine Klassen wie Heiler, Scharfschützen oder Tanks gibt, legt der Spieler durch Ausrüstungspakete, aus denen er vor Matchbeginn und Respawn (dem Wiedergeborenwerden) wählt, seine Spielweise fest. Neben seiner Haupt- und Zweitwaffe sowie dem obligatorischen Nahkampfmesser hat er Zugriff auf eine begrenzte Kombination aus Granaten, Raketenwerfern, Reparatur- und Sanitäter-Kits. Im Verlauf des Aufstiegs sammelt der Avatar weitere Waffenarten, Ausrüstungsgegenstände und Punkte für die Führerrolle.

Massig Raum für strategische Wechsel

In der Praxis können Matches so verlaufen, dass sich die verteidigende Gruppe an strategisch wichtigen Punkten positioniert und den Sturm mit gezielten Schüssen abfängt. Gleichzeitig rückt ein Teil von ihr vor und bildet eine Pufferzone, die im besten Fall bis zum Respawn-Punkt der Gegner reicht. In die Enge getrieben muss dieser dann aufpassen, dass sein Lager nicht zum Grab wird. Frontales Entgegentreten ist in solchen Fällen der sture Blödsinn. Gegenbelagerungen verlangen stattdessen vom Anführer seine Strategie zu ändern und alternative Laufwege anzuordnen. Die weitläufigen Areale unterscheiden sich in ihrer Größe erheblich von denen kommerzieller Online-Shooter wie Call of Duty: Modern Warfare 2 und bieten ausreichend Spielraum für Zangentaktiken und überraschende Vorstöße.

Innenansicht aus der Perspektive der Raven: Anstürmende Feinde müssen sich zum Sieg durch ein Bollwerk aus Scharfschützen beißen.

Mit „MAG“ ist Zipper ein solides Nischenprodukt gelungen, das das Onlinespiele-Angebot für PlayStation 3 stärkt und gezielt E-Sportler und solche, die es werden wollen, lockt. Waren es bei LittleBigPlanet Jump `n´ Run-Freunde, haben jetzt Ego-Shooter-Fans- und -Clans ihr eigenes Reich. Ein Nachteil für Grafik-Fetischisten mag die vergleichsweise bescheidene Optik mit ihren für Next-Gen-Verhältnisse verschwommenen Texturen sein. Wenn allerdings 256 individuell gesteuerte Charaktere das Terrain bevölkern und trotzdem so gut wie keine Lags (weitgehend Verzögerungen der Reaktionen wegen Problemen bei der flüssigen Datenübertragung zum Server) entstehen, drücken Spieler des Subgenres gerne mal ein Auge zu.