zurück zum Artikel

Macht Amerika endlich groß!

"Schnappt Sie Euch bei den Zwischenwahlen zum Kongress." Demo in New York City 2018. Bild: Mirah Curzer / Unsplash Licence

Der Angriff auf den Mann der Sprecherin des Repräsentantenhauses Pelosi macht erneut klar: Politische Gewalt bedroht zunehmend die US-Demokratie. Bei den Kongresswahlen wird auch das Wahlsystem attackiert. Was auf dem Spiel steht.

Die politische Gewalt nimmt in den Vereinigten Staaten auf blutige und beunruhigende Weise zu. Vor eineinhalb Wochen brach ein Fremder in das Haus der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in San Francisco ein und griff ihren 82-jährigen Ehemann Paul mit einem Hammer an, wodurch sein Schädel gebrochen wurde.

Amy Goodman leitet Democracy Now [1].

Der Täter, David DePape, 42 Jahre alt, wurde verhaftet. DePape's Online-Präsenz spiegelt eine erschreckende Mischung aus Verschwörungstheorien, Rassismus, Wahlblockade und Antisemitismus.

"Wo ist Nancy? Wo ist Nancy?", schrie DePape Paul Pelosi an und benutzte dabei einen Satz, der während des versuchten Coups am 6. Januar 2021 im US-Kapitol skandiert wurde. Pelosi gelang es, einen Notruf zu starten, wobei er nicht auflegte, damit man hören konnte, wie er versuchte, mit dem Eindringling zu verhandeln.

Die Notrufzentrale riet der Polizei von San Francisco, die Lage zu checken. Als die Polizei eintraf, war DePape gerade dabei, Pelosi erneut zu attackieren. Der Attentäter wurde schnell verhaftet. Pelosi wurde in ein Krankenhaus eingeliefert und DePape inhaftiert. Er wird nun wegen mehrerer Verbrechen angeklagt.

Denis Moynihan arbeitet bei Democracy Now.

In einer Ansprache zur Hauptsendezeit in der Union Station in Washington, DC, sagte Präsident Biden: "Wir tragen unsere Differenzen nicht mit einem Aufstand, einem Mob, einer Kugel oder einem Hammer aus. Wir lösen sie friedlich an der Wahlurne".

So soll es auch sein. Donald Trumps demagogische Übernahme der Republikanischen Partei und seine Lüge, die Wahl 2020 sei gestohlen worden, hat die Vereinigten Staaten in eine dunkle und gefährliche Ära geführt. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, christlicher Nationalismus und eine ganze Reihe anderer Fanatiker werden von republikanischen Funktionären, die sich verzweifelt an der Macht halten wollen, hochgepeitscht.

Die Republikaner führen einen Kreuzzug gegen Wahlen

Dieser giftige Cocktail wird von einer zunehmend gut bewaffneten und radikalisierten rechten Minderheit unterstützt, die ihre Kriminalität hinter selbst ernannten Milizen und patriotischen Slogans verbirgt.

"Make America Great Again", verkündet Trump, ohne zu sagen, wann in unserer schmerzhaften, turbulenten Geschichte Amerika tatsächlich "groß" war. Das Akronym des Slogans, "MAGA", wurde von Trumps Anhängern und seinen vielen Gegnern übernommen, sowohl als Schlachtruf der Rechten als auch als Warnung für die Verteidiger der Demokratie. Biden sagte am Mittwoch:

Die amerikanische Demokratie wird angegriffen, weil der unterlegene ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten sich geweigert hat, die Ergebnisse der Wahl von 2020 zu akzeptieren. … Er hat die große Lüge zu einem Glaubensartikel der MAGA-Republikaner gemacht, einer Minderheit innerhalb der Partei. ... Sie haben der Gewalt und Einschüchterung von Wählern und Wahlhelfern Vorschub geleistet.

Seit Trumps Niederlage im Jahr 2020 haben die Drohungen gegen Wahlhelfer zugenommen. Das Brennan Center for Justice veröffentlichte im Jahr 2021 einen Bericht, der detaillierte Berichte aus Bundesstaaten im ganzen Land über zahlreiche Konfrontationen und Drohungen gegen Wahlhelfer enthielt – viele davon waren rassistisch und antisemitisch gefärbt.

Republikanische Parlamentarier haben den Kreuzzug, mit dem Wähler vom Wählen abgehalten werden sollen, beschleunigt und zahlreiche Gesetze verabschiedet, die den Zugang zur Wahl einschränken. Es wurden Gesetze zur vorzeitigen Stimmabgabe, zur Briefwahl oder zur Wählerregistrierung erlassen. I Georgia sogar ein Gesetz verabschiedet, das es illegal macht, jemandem Wasser zu geben, der in der Schlange vor der Wahl steht.

Eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Reuters/Ipsos-Umfrage ergab, dass zwei von fünf Wählern besorgt sind angesichts der Drohung von Gewalt oder Einschüchterung in Wahllokalen während der Zwischenwahlen. Zwei Drittel der registrierten Wähler rechnen damit, dass Extremisten Gewalttaten verüben werden, wenn sie mit dem Wahlergebnis unzufrieden sind.

In Arizona überwachten maskierte, bewaffnete Bürgerwehr-Aktivisten in Schutzanzügen 24 Stunden lang ein Wahllokal. Die Liga der Wählerinnen von Arizona zog vor ein Bundesgericht und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Wählereinschüchterungsgruppe Clean Elections USA.

Der Vorsitzende der Aufsichtsbehörde des Maricopa-Landkreises Bill Gates und der dortige Wahlregistrator Stephen Richer gaben eine gemeinsame Erklärung ab, die den Satz enthielt, der zeigt, wie schlimm es geworden ist:

Tragen Sie keine Schutzwesten, um damit Wähler einzuschüchtern, während sie ihre Stimmzettel legal abgeben.

Bislang wurden dem Justizministerium mindestens sechs Fälle von Einschüchterung von Wählern durch den Staatssekretär von Arizona gemeldet.

Im ländlichen Nye County im Bundesstaat Nevada haben Wahlblockierer, die Geräte zum Einscannen von Stimmzetteln für verdächtig erklärten, den Bezirk erfolgreich dazu gebracht, die Stimmzettel von Hand auszuzählen. Der verantwortliche Bezirksbeamte trat aus Protest zurück, die manuelle Auszählung verlief nicht gut. Es kam zu zahlreichen Pannen aufgrund menschlichen Versagens. Die Zählung wurde gestoppt.

Aber nicht bevor die stellvertretende Vorsitzende der Republikanischen Partei des Bezirks Laura Larsen, mit einer Pistole bewaffnet, einen offiziell eingesetzten Wahlbeobachter der ACLU verjagte und versuchte, dessen Notizen zu beschlagnahmen.

Der Angriff auf Paul Pelosi ist Teil des gescheiterten Versuchs, die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi zu entführen oder zu ermorden – die nach der Vize-Präsidentin an zweiter Stelle steht, den Präsidenten der Vereinigten Staaten im Falle seines Tods oder Abdankens zu ersetzen. Prominente Republikaner wie der Gouverneur Glenn Youngkin von Virginia, die Gouverneurskandidatin Kari Lake von Arizona oder Donald Trump, Jr. machten sich über diesen Anschlag lustig.

Die Normalisierung und das Anheizen von politischer Gewalt, wie sie Donald Trump und seine republikanischen Ermöglicher betreiben, sorgt für weiteres Blutvergießen. Die Widerstandsfähigkeit unserer Demokratie hängt von der freien, fairen und energischen Beteiligung aller Wahlberechtigten ab. Politische Gewalt muss verurteilt und mit einer massiven Wahlbeteiligung bekämpft werden.

Der Artikel von Amy Goodman und Dennis Moynihan erscheint in Kooperation mit dem US-Programm Democracy Now [2]. Übersetzung: David Goeßmann.

Bitte beachten Sie die Lizenzbedingungen CC BY-NC-ND 3.0 US.

Amy Goodman ist Gründerin, Produzentin und Moderatorin der täglichen, unabhängigen Grassroots-News-Hour Democracy Now in den USA, die auf 1400 Fernseh- und Radiostationen weltweit gesendet wird. Sie hat zahlreiche Preise erhalten, wie die von der Harvard University verliehene I.F. Stone Medal for Journalistic Independence Lievetime Achievement Award. Als erste Journalistin erhielt sie zudem den Right Livelihood Award, besser bekannt als Alternativer Nobelpreis. Goodman hat sechs New York Times Bestseller geschrieben. Ihr letztes Buch heißt: "Democracy Now!: Twenty Years Covering the Movements Changing America [3]".

Denis Moynihan arbeitet seit 2000 mit Democracy Now! zusammen. Er ist ein Bestsellerautor und Kolumnist bei King Features. Er lebt in Colorado, wo er den Community-Radiosender KFFR 88.3 FM in der Stadt Winter Park gegründet hat.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7333684

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.democracynow.org/
[2] https://www.democracynow.org/2022/11/3/make_america_great_at_last
[3] https://www.democracynow.org/events