Machtkampf in Slowenien
Kritik an Ministerpräsident Janša nimmt zu. Dafür sorgen sein Corona-Management und fragwürdige Geschäfte – unter anderem mit einem deutschen Rüstungskonzern
Das neuartige Coronavirus wütet in Slowenien besonders heftig. Mit 1.703 Corona-Toten pro Million Einwohner liegt das Balkanland im globalen Ranking der Corona-Toten auf Platz vier – hinter Belgien und noch vor dem Vereinigten Königreich. Sloweniens Ministerpräsidenten Janez Janša hat die Pandemie vorerst aber den Kragen gerettet. Wegen einiger infizierter Parlamentarier musste das oppositionelle Parteienbündnis "Koalition des Verfassungsbogens" (KUL) sein Mitte Januar 2021 ins Parlament eingebrachte konstruktive Misstrauensvotum zurückziehen.
Nun will der Vorsitzende der Demokratischen Partei der Pensionäre in Slowenien (DeSUS), Karl Erjavec, die Abgeordneten am 10. Februar erneut zur Abstimmung bewegen. Der einstige Verteidigungs- und Außenminister möchte den 62-jährigen Janša als Regierungschef ablösen.
Ob die vereinigte Opposition die dafür nötige einfache Mehrheit von 90 Mandaten erreichen wird, ist jedoch unsicher. In Umfragen behauptet sich Janšas rechtsgerichtete Slowenische Demokratische Partei (SDS) als führende politische Kraft. Der Regierungschef selbst ist aber unpopulär, der Unmut über ihn wächst zusehends. Dass ihm die Corona-Pandemie sein politisches Überleben gewährleisten wird, darauf kann sich Janša auf Dauer nicht verlassen.
Im Frühjahr 2020 war der liberale Ministerpräsident Marjana Šarca zurückgetreten, um durch Neuwahlen eine breitere Machtbasis zu erreichen. Die verhalf Janša unverhofft zu seiner dritten Amtszeit als Ministerpräsident. Entgegen früherer Versprechungen gingen die DeSUS und die Moderne Zentrumspartei (SMC) eine Koalition mit ihm ein.
Janšas Biographie ist schillernd und widersprüchlich. Vom ambitionierten Mitglied der Sozialistischen Jugend in Slowenien (ZSMS) wandelte er sich in den späten 1980er Jahren zum dissidenten Journalisten. Unter dem Tatvorwurf des militärischen Geheimnisverrats musste er 1988 gar hinter Gitter. Als Gründungsmitglied der ersten sozialdemokratischen Oppositionspartei wurde er 1990 Verteidigungsminister und befehligte ein Jahr später die Slowenischen Streitkräfte (SAF) in ihrem zehn Tage dauernden Sezessionskrieg gegen die Jugoslawische Volksarmee.
Als Janša Slowenien von 2004 bis 2008 zum ersten Mal regierte, hatte er aus seiner ursprünglich sozialdemokratischen Partei längst eine liberalkonservative Gruppierung gemacht. Seine zweite Amtszeit als Ministerpräsident ab 2012 endete abrupt ein Jahr später. Bestechungsvorwürfe ihm Zusammenhang mit dem Kauf finnischer Patria-AMV-Militärfahrzeuge im Jahr 2006 brachten ihn zum zweiten Mal ins Gefängnis.
Linksliberales Bündnis will Janša stürzen
Undurchsichtige Auftragsvergaben für millionenteure Corona-Schutzausrüstungen und Beatmungsgeräte waren es auch, die sein drittes Kabinett nur wenige Wochen nach Amtsantritt in Bedrängnis brachten.
Doch mit seiner Fähigkeit, auch berechtigte Kritik folgenlos an sich abprallen zu lassen, hat es Janša geschafft, die traditionell zerstrittene linksliberale Opposition zu einen. Im Oktober 2020 schlossen sich die Liste Marjana Šarca (LMS), die Sozialdemokraten (SD), die Alenka-Bratušek-Partei (SAB) und die sozialistische Linke (Levica) zum Anti-Janša-Bündnis KUL zusammen.
Die Allianz verfolgt das Ziel, den Premier schnellstmöglich aus dem Amt zu entfernen. Im Dezember 2020 schloss sich auch Erjavecs DeSUS den Mitgliedern des KUL an. Für ihren zweiten Anlauf für ein konstruktives Misstrauensvotum müssen sie nun auf Abweichler aus den Reihen der kleinen Koalitionsparteien SMC und Nova Slovenija (NSi) hoffen.
Janša macht keinen Hehl aus seiner Bewundertung für populistische Autokraten wie Viktor Orban und Donald Trump. "Seit er das Amt angetreten hat, verletzt er fundamentale Prinzipien der konstitutionellen Ordnung wie die Gewaltenteilung, unabhängige Institutionen und die Medienfreiheit", wirft Erjavec ihm vor.
Mit seinen "rücksichtslosen Handlungen" gefährde er "Sloweniens Reputation in der Europäischen Union und in der internationalen Gemeinschaft". Seine Regierung habe es nicht verstanden, die Covid-19-Pandemie effektiv zu bekämpfen, "sondern Slowenien in die Spitze der Weltrangliste der Toten geführt". Nur sein Sturz könne die "De-Normalisierung des Landes" stoppen.
Als "pathetischen Erguss ideologischen Hasses gegen Andersdenkende, der komisch wäre, befänden wir uns nicht inmitten einer schlimmen Welle einer Epidemie", konterte Janša Erjavecs Attacke via Twitter. Kritik an ihm und seinem Kabinett hält er stets für vom "tiefen Staat" orchestriert, der unliebsame Regierungen zu verhindern trachte. Noch immer seien in Slowenien "kommunistische Seilschaften" zugange, die sich der "UDBO-Mafia" bedienten, überkommener Strukturen der jugoslawischen Geheimpolizei.
Fragwürdiger Rüstungsdeal mit Krauss-Maffei Wegmann
Mitte Dezember 2020 hatte die Europäische Linke ihre Unterstützung für das von ihrem slowenischen Mitglied Levica mitinitiierte Misstrauensvotum erklärt. "Mit einer parlamentarischen Mehrheit, in der Janšas Partei die Richtung vorgibt, während die schwächeren Koalitionspartner kuschen müssen, hat die Pandemie ihm erlaubt, Anti-Regierungsproteste zu unterdrücken und eine Kultur der Angst zu schüren, in der sich die Leute fürchten, frei zu sprechen. So ist Slowenien auf dem Weg zum gescheiterten Staat", warnte die Linke im Europaparlament.
Während sich Slowenien seit Mitte Oktober im zweiten harten Lockdown befindet – dennoch mit höchsten Infektions- und Todesraten–, führe Janša "seinen persönlichen Krieg gegen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit", heißt es von den Linken aus Brüssel. Er strebe ein Regime vom Typ Orban an und nutze die Corona-Maßnahmen "als Vorwand für die Einführung autoritärer Maßnahmen wie der Blockade der Freizügigkeit zwischen Städten, das Verbot von Versammlungen, das Zutrittsrecht für die Polizei in Wohnungen und zur Übertragung polizeilicher Befugnisse an das Militär".
Die slowenische Levica-Partei hatte bereits Ende November 2020 tausende Unterschriften gegen die von der Regierung Janša geplante Rüstungsausgaben ins Parlament eingebracht. Sie will verhindern, dass die Regierung über einen Zeitraum von sechs Jahren 780 Millionen Euro für die Aufrüstung der slowenischen Streitkräfte verwendet.
"Das ist viel Geld für ein kleines Land mit zwei Millionen Einwohnern, gerade auch in einer Gesundheitskrise", kommentierte dies der investigative Journalist Blaž Zgaga gegenüber Telepolis. Zgaga hat eine Trilogie über Waffengeschäfte in Slowenien veröffentlicht. Seinen Informationen zufolge will die slowenische Regierung von der ungarischen Niederlassung des deutschen Rüstungsfabrikanten Krauss-Maffei-Wegman (KMW) Kettenfahrzeuge erwerben.
"Sollten entsprechende Geschäfte über die Bühne gehen, wäre das eine drastische Zäsur, denn die SAF ist bereits mit bereiften Panzerwagen ausgerüstet", so Zgaga, der dahinter verdeckte Deals vermutet. Offenbar, so meint er, solle ein "neues Niveau der Korruption erreicht werden und jemand will viel Geld verdienen".
Zum 1. Juli dieses Jahres wird Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, als letztes Glied seiner Trio-Ratspräsidentschaft mit Deutschland und Portugal. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko fände einen "Trump- und Orban-Fan als EU-Ratspräsident verheerend". Es sei "auffällig, wie sehr die Bundesregierung Janez Janša stützt, während sie sich ansonsten besorgt über rechtspopulistischen Bewegungen äußert", kritisierte Hunko gegenüber Telepolis.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.