Macron und McKinsey: Millionen für die Corona-Impfkampagne

Bild: France Diplomatie - MEAE/CC0 1.0

… und knapp eine Milliarde Euro für politisch einflussreiche Beratungsunternehmen allein im Jahr 2021. Kurz vor der Wahl in Frankreich stellt sich eine Systemfrage

Die geografische Landschaft Frankreichs gehört eindeutig zu den schönsten der Welt, die politische ist eigentümlich. Gegenwärtig haben die moderaten Medien alle Hände voll zu tun, um einen Skandal einzuhegen, der all denen, die an der Praxis der Demokratie zweifeln und gegenteilige Beteuerungen für Schönwettergedöns halten, viel Stoff gibt.

Die Vorwürfe lauten kurz und bündig: Die Regierung Macron hat in großem Stil Aufträge an Beratungsfirmen für politisch heikle Projekte vergeben. So etwa für die Kampagne für die Corona-Impfung oder für das in Frankreich sehr aufgeregt diskutierte Thema der Rentenreform.

Beide Aufträge brachten McKinsey viel Geld, in Millionenhöhe (siehe 231 ff im Senatsbericht). Das Unternehmen, so der Verdacht, habe dabei von seiner Nähe zu Macron profitiert. Klüngelei also unter guten Bekannten, die eine gemeinsame politische Richtung zu beider Vorteil, profitabel gegen demokratische Regeln, durchsetzen?

Wie in keiner Präsidentschaft zuvor gab es Aufträge für die Beratungsunternehmen McKinsey, die Boston Consulting Group, Accenture oder Roland Berger. Das Auftragsvolumen summiert sich, wie ein dicker Senatsbericht konstatiert, seit 2018 auf 2,4 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr waren es Aufträge in Höhe von 893,9 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2018 betrug das Volumen noch 379,1 Millionen Euro.

Das ist ein faktisch eindeutiger Trend zum Outsourcen in einem Land, dessen Verwaltungschefs stolz auf ihre Elite-Schulen-Ausbildung sind, in dem kaum ein Tag vergeht, an dem Medien nicht auf hervorragende Universitäten und Wissenschaftler verweisen.

Zwar sind mehrere Beratungsunternehmen im Geschäft, aber McKinsey fällt besonders auf – auch im Senatsbericht -, wenn es um die Auftragsvergaben geht. Es ist Wahlkampf, es sind nur noch neun Tage bis zur ersten Runde der Präsidentschaftswahl und der Amtsinhaber Macron hat ausgewiesen gute Verbindungen zum US-Beratungsunternehmen.

"Das Idol der Berater"

Auch Le Monde bestätigt in einer Art Faktenfinder zum "McKinseyGate" die Nähe: Es gab McKinsey-Mitarbeiter, die Macron unentgeltlich bei seiner letzten Wahlkampagne unterstützten. Einige wechselten nach dem Sieg Macrons und seiner Partei bei den Wahlen 2017 vom Unternehmen zur Partei La République en Marche und bekamen einflussreiche Positionen, auch in der Regierung.

Es werden auch Wettbewerbsvorteile von McKinsey bei Ausschreibungen erwähnt, aber in der Summe wird von der Zeitung der liberalen Mitte ein Bild gezeichnet, dass den Skandal eindämmt: Es gibt ja schließlich noch andere Beratungsunternehmen, die mit Aufträgen bedacht wurden und dann gibt es ja noch die Regeln der Auftragsvergabe. Dennoch kommt auch die moderate Le Monde nicht umhin, festzustellen, dass die Sache ein politisches Parfüm hat:

McKinsey unterstützte die Regierung auch bei der Vorbereitung mehrerer Reformen von Sozialleistungen: Renten (920 000 Euro), personalisierte Wohnbeihilfen (3,9 Millionen Euro), Bonus-Malus-Regelung für die Arbeitslosenversicherung (327 060 Euro), Unterhaltszahlungen (260 880 Euro) und Beihilfen für die Anpassung von Wohnungen an die Alterung (300 630 Euro).

Theoretisch wurden die Berater nur beauftragt, technische Unterstützung für diese Baustellen zu leisten, nicht aber, um deren politische Inhalte zu inspirieren. Der Bericht des Senats stellte jedoch fest, dass die Linie manchmal schwer zu ziehen ist.

In seinen Empfehlungen an die Regierung zur Wiederauffüllung des strategischen Bestands an medizinischen Handschuhen hat McKinsey beispielsweise klar seine Präferenz für das Szenario zum Ausdruck gebracht, die Verteilung an Pflegeheime punktuell einzustellen, bis der Bestand wieder aufgefüllt ist - was keine neutrale Entscheidung ist.

Le Monde

In oppositionellen Medien wird da härter auf den Zahn gefühlt. In der Zeitschrift Marianne untermauert der Autor eines Buches über die "Infiltration" der Beratungsunternehmen in die Regierungsarbeit, Matthieu Aron, seine These vom enormen Einfluss Mc Kinseys während der Präsidentschaft Macrons: "McKinsey ist so mächtig, weil Macron das Idol der Berater ist."

"Enormer Einfluss"

Aron verweist auf den seiner Meinung nach enormen Einfluss McKinseys auf politische Felder wie "Wirtschaft, Verteidigung, Gesundheit, Bildung" und darauf, dass McKinsey, wie dem Unternehmen vorgeworfen wird, trotz großer Gewinne keine Unternehmenssteuer in den letzten zehn Jahren in Frankreich bezahlt habe.

Macron, sein Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, wehren sich nach Kräften, um die Vorwürfe auszuräumen. Die Aufträge würden nach den Regeln vergeben, sagte Macron. Wer konkrete Beweise für etwas anderes habe, das strafrechtlich relevant sei, der solle das vorlegen: "Man muss ganz klar sagen: Das ist nicht wahr! Wenn es Beweise für Manipulationen gibt, dann soll das strafrechtlich verfolgt werden."

Juristen sehen das nicht ganz so schlicht: "Es stellt sich nicht die Frage nach der formalen Ordnungsmäßigkeit dieser Konsultationen (d. h. der strikten Einhaltung der Verfahren), sondern nach der Zweckmäßigkeit dieser Ausgabe."

Wer Französisch kann, die oder der kann sich mit diesem Videoclip eines oppositionellen Mediums über das Kosten-Nutzenverhältnis von Aufträgen an McKinsey informieren: So gab es für die Berater fast eine Million Euro für das Projekt zur Rentenreform, das offenbar nicht zu verwerten war und aufgegeben wurde (ab 7:06) - "mit einer PowerPoint-Präsentation und einem 50-seitigen Notizbuch als einzigen greifbaren Spuren", so Eliane Assassi, Berichterstatterin des Untersuchungsausschusses des Senats.

Es ist nicht das einzige teure Projekt mit diesem Ende. Die Preise für eine Seite Powerpoint können sich sehen lassen, auch im Land der Luxusmarken.