Mainstream-Pornographie

Seite 3: Trends und Technik

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Pornographie ist tief verankert in der menschlichen Kultur und Geschichte. Das wird jeder Besucher von Museen der Antike verstehen, in denen Alltagsgegenstände ausgestellt sind wie Töpfe und Becher, die mit derartigen Darstellungen bemalt sind. In der im Jahre 79 unter Vulkanschutt versunkenen Stadt Pompeji, waren ganze Wände in Wohnhäusern mit Pornos verziert; und gut bekannt ist natürlich auch das Kama Sutra aus dem Indien des 2. und 3. Jahrhunderts.

Sehr viel später, seit dem 19. Jahrhundert kam es zu einer massenhaften Verbreitung von Pornographie mit der Erfindung der Photographie. Im 20. Jahrhundert kamen pornographische Bewegtbilder dazu, mit einer besonders starken Verbreitung in privaten Haushalten seit dem Siegeszug der VHS-Videokassette und den DVDs seit den 1970er- und 90er-Jahren; aber auch von Sex-Magazinen und Illustrierten. Seit den 2000er Jahren sind die Inhalte zunehmend digital, ohne physische Datenträger übers Internet verfügbar.

Randbemerkung: Anfang der 2000er-Jahre musste man sich als Familienmitglied eines durchschnittlichen Haushalts vor dem heimlichen Pornokonsum häufig noch mit den anderen Personen des Haushalts darüber auseinandersetzen, ob die Telefonleitung für 30 Minuten belegt sein könne. Um ein Jpeg-Bild geringer Auflösung betrachten zu können, brauchte man mit einem durchschnittlichen 56k-Modem für das Herunterladen schließlich schon mal eine Minute. Randbemerkung zwei: Damals waren noch sogenannte "Passes"-Listen im Netz verbreitet mit illegal erbeuteten Zugangsdaten für kommerzielle Pornoseiten. Die wurden gerne von weniger betuchten Computernerds oder Jugendlichen ohne Kreditkarten verwendet, um an den "Stoff" zu kommen.

Als neue Entwicklung bietet das Internet seither mit seinen Hunderten von Video- und Bilder-Plattformen mit Upload-Funktion natürlich eine sehr effektive Möglichkeit nicht nur für den Konsum, sondern auch für die Verbreitung von Pornographie, insbesondere von Amateurpornographie (sei sie nun im Einzelfall mit oder ohne Einverständnis aller Beteiligten aufgenommen).

Es gibt bekanntlich eine Vielzahl von Kategorien und Tags, unter denen die expliziten Medieninhalte verfügbar sind. Einige Kategorien fokussieren ganz banal auf verschiedene Sexualpraktiken (Anal, Deepthroat, Doggystyle usw.), auf bestimmte Gegenstände (u.a. Dildos, Hände), die in verschiedene Körperöffnungen eingeführt werden oder auf verschiedene Arten von Reizwäsche, Fotos vom Blick unter den Rock anonymer Frauen, Masturbationsvideos - oder dem Sex mit mehreren oder vielen Partnern auf einmal (u.a. "Sandwich", Gangbang).

Seit 2-3 Jahren sind einige Plattformen zwar dazu übergegangen, standardmäßig deutsche und anderssprachige Übersetzungen für sexuelle Praktiken zu verwenden - entsprechend der vom Browser automatisch erkannten Herkunft des Surfers. Viele Standard-Begriffe bleiben aber Englisch.

Ein Paar mehr oder weniger exotische bzw. absurde Kategorien, die nicht unbedingt nur von ihrer (englischen) Wortbedeutung her selbsterklärend sind, seien kurz in einer Tabelle zusammengefasst:

BBC Steht für "Big Black Cock". Diese Pornographie möchte dem Klischee von schwarzen Männern mit Riesen-Penissen entsprechen.
BBW / Plummer Darstellungen von Sex, bei denen der weibliche Partner extrem übergewichtig ist.
Bukkake Eine ursprünglich aus Japan stammende Pornoart – auch von zweifelhaftem Geschmack – bei der eine Frau von mehreren Männern zugleich an-ejakuliert wird. Diese Pornovariante stammt aus den 1980er Jahren und wird nicht nur in Japan, sondern auch in Nordamerika und Europa produziert – auch im Bereich der Schwulenpornographie, dann aber natürlich ohne Frau.
Celebrities / Fakes Fakes sind Pornos, in denen meist die Gesichter von prominenten Personen (überwiegend Frauen) hineinmontiert werden. "Celebrities"-Bilder sind häufig einfach Paparazzi-Photos von Promi-Frauen.
Cuckold Pornos, in denen ein Partner, meist der Mann, seine Partnerin dazu auffordert oder ermutigt, mit anderen Personen zu schlafen – und den dies erregt. Dabei können zum einen masochistische Motive eine Rolle spielen, also die Lust an der Demütigung. Auf der anderen Seite kann das Motiv auch Machtausübung sein, wenn der Partner bestimmen möchte, mit wem und wie die Partnerin mit einer anderen Person Sex hat (worauf manche so stehen…).
Creampie Dieser Begriff bedeutet eigentlich Sahnetorte. Man kann sich schon denken, dass er übertragen in die Pornosprache etwas mit der weißlichen Flüssigkeit Sperma zu tun hat. Es handelt sich also vor allem um Pornos, in denen Sperma im Mittelpunkt steht. Entweder in Form von "Cum-Shots", also auf Körperteile, Körperöffnungen oder ins Gesicht ejakuliert – oder in anderen befremdlichen bis ekelerregenden Darreichungsformen präsentiert (je nach persönlichem "Geschmack").
Hentai / Anime Hentai bedeutet Comic-Pornographie im japanischen Manga-Stil. Bei Videos heißt das Genre Anime. Die Comics zeichnen sich etwa durch übertrieben groß gezeichnete Augen und sehr kleine Nasen aus. Meist sehen die dargestellten Menschen auch sehr jung aus. Bei weiblichen Figuren wird das sehr junge Gesicht kombiniert mit opulenten Geschlechtsmerkmalen erwachsener Frauen. Sie sehen also im Prinzip aus wie Kinder mit Riesenbrüsten und Riesenhintern.
MILF Bedeutet umgangssprachlich "Mother I'd like to fuck" (Mutter, mit der ich gerne Sex hätte). Es handelt sich eine um ein recht bekanntes Porno-Genre, in dessen Mittelpunkt meist attraktive Frauen zwischen 30 und 50 Jahren stehen. Überdurchschnittlich häufig handelt es sich hier um Amateurpornos. Häufig sind die männlichen Partner in diesen Videos auch jünger als die Frauen, was wohl die (sexuelle) Reife oder das Selbstbewusstsein der Frauen unterstreichen soll.
POV Pornographie, die aus der Perspektive eines der beteiligten Sex-Partner (meist des Mannes) gefilmt wird. POV heißt wörtlich "Point of View".
SFW Bedeutet "Safe For Work". Es handelt sich um nicht ganz ernst gemeinte Pornographie, die mit Bildbearbeitung verändert wurde, um alles zu überdecken, was mit Sexualität zu tun hat. Also vor allem Geschlechtsteile. Häufig werden die Bilder oder Videos verfremdet, indem Comic-Objekte hineinmontiert werden. Eine lustige und ziemlich absurde Mode, die den Uploadfiltern der EU zum Opfer fallen könnte.
Squirting Darstellung von weiblicher Ejakulation in verschiedenen Ausprägungen. Es handelt sich um die Absonderung eines Sekrets bzw. einer "Lustflüssigkeit" durch einige Frauen während des Orgasmus. Es wird davon ausgegangen, dass knapp 5% der weiblichen Körper das tun können. Beim sog. "Squirting" kommt noch ein Anteil von Urin, dazu der abgesondert wird, was z.T. ein richtiges Spritzen ist. Wer's mag...
Quellen: www.urbandictionary.com | Wikipedia.org | www.onlineslangdictionary.com

Wie eine Nutzungsstatistik von Pornhub vermittelt, waren die drei beliebtesten Porno-Suchwörter über alle Geschlechter hinweg im Jahr 2018: Lesbian, Hentai und Milf. Bei Männern allein waren es Japanese, Milf und Hentai. Der ganze Erguss an Statistiken kann auf dem Blog von Pornhub abgerufen werden.

Hervorzuheben ist noch, dass der größte Teil des Pornokonsums heute auf dem Smartphone stattfindet. In vielen Ländern spielen Laptops und PCs kaum mehr eine Rolle, oder haben zusammen einen Anteil von lediglich 5%. Wie beispielsweise in Indien. Hier mögen Armut (kleine Geräte) und beengte Wohnverhältnisse (Pornogucken am Familien-PC unrealistisch) eine Rolle spielen. Interessanterweise werden die Statistiken von Pornhub durch das datenschutzrechtlich höchst fragwürdige Tool Google-Analytics extrahiert - und zwar in Verknüpfung zu privaten Nutzerdaten der Google-Nutzer*innen. Mit Sicherheit weder ethisch, noch DSGVO-konform!

Porno-Kategorien sind stark modeabhängig; es kommen andauernd neue hinzu oder werden alte weniger angeklickt. Pornographie ist zum Leidwesen vieler Kritiker und Opfer der Branche seit der "sexuellen Revolution" der 1960er-Jahre-Jahre in großen Teilen der Gesellschaft zudem zu einer Art Kultthema geworden. Mit hoher medialer Präsenz in Musikvideos, Werbung, Festivals, eigenen Messen usw. Auch werden Pornostars und Idole erschaffen und das Thema ist irgendwie allgegenwärtig (auch wenn man nicht immer Geschlechtsteile im Bild sieht). Von der Mehrheit der Bevölkerung werden die Probleme im Bereich der Pornographie hingegen wenig thematisiert.

Zum Schluss

Pornographie ist in vielen Fällen als sehr problematisch zu bewerten, auch wenn es sich um legale Pornographie handelt. Unterm Stich gibt es mit Sicherheit mehr schlechte, als gute gesellschaftliche und psychologische Auswirkungen durch die starke Verbreitung medialer Sexdarstellungen. Dennoch ist eine Pauschalkritik sicherlich nicht immer angebracht, zumal es, zumindest vereinzelt, auch tatsächlich einvernehmliche, nicht missbrauchsverseuchte Pornographie gibt. Z.B. im Bereich der Amateurpornographie. Wobei anzumerken ist, dass ein Großteil der angeblichen Amateurpornographie professionell gedreht wird und damit die ganzen genannten Probleme der Pornobranche einhergehen. Die relativ große Beliebtheit von Amateurpornographie zeigt, dass viele Porno-Konsument*innen doch gar nicht so an den absolut perfekten Menschen der sogenannten Hochglanz-Produktionen interessiert sind, sondern auch Sex erregend finden mit "echten" Menschen mit Makeln. Dies ist vielleicht gar keine schlechte Botschaft.

Unser politisches System und die Behörden sollten insgesamt weniger Skrupel haben, neben klar illegalen Inhalten, auch gewalttätige "Mainstream"-Inhalte zu blockieren - beispielsweise auch mal ganze Streaming-Plattformen zu sperren, sofern sie sich nicht um geltendes Recht scheren - oder um die Gewährleistung der Menschenwürde für alle. Menschenrechte sollten in der gesellschaftlichen Prioritätenliste immer über den Masturbationspräferenzen anonymer Internetnutzer stehen.

Im Zusammenhang mit Pornographie und Ethik wird meist nur über den Jugendschutz diskutiert; aber dieser wäre ja weniger relevant, wenn die verfügbaren Porno-Inhalte insgesamt harmloser würden.

Im Sinne einer Eindämmung pathologischer Inhalte wäre es sinnvoll, offener über Tabuthemen in der Öffentlichkeit zu sprechen - aber vor allem auch in den Klassenzimmern. Zumindest kann man vermuten, dass die Unterdrückung solcher Themen sowie die Unterdrückung und Tabuisierung nicht-gewalttätiger sexueller Gelüste dazu führt, dass Leute vermehrt nach Pornos suchen. Und möglicherweise nach pathologischeren, als sie es tun würden, wenn sie sexuell ausgeglichen wären und über die Hintergründe der Produktionsbedingungen besser informiert wären. Unterdrückte Lust in prüden Teilen unserer Gesellschaft und die offensichtlich bei vielen vorhandene Unfähigkeit, sexuelle Wünsche in festen Beziehungen zu artikulieren, schaffen zwangsläufig einen Markt für Pornographie oder sogar Prostitution.

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Trotz der radikalen Ablehnung und Verurteilung von Pornographie durch einige Kritiker kann man feststellen, dass es auch eine harmlose Seite medialer Darstellungen von Sex gibt. Und zwar Pornos, die nicht primär aus sadistischer, menschen- oder frauenfeindlicher Motivation heraus hergestellt werden, sondern motiviert durch promiskuitive Verspieltheit oder Exhibitionismus. Es gibt auch Profi-Pornographie mit Darstellern, die freiwillig und ohne Demütigung ihrer Arbeit nachgehen. Leider ist es aber für Konsument*innen schwer bis unmöglich festzustellen, ob es sich im Einzelnen nun um eine im Sinne der Arbeitsbedingungen und der Freiwilligkeit "gute" oder "schlechte" Darstellung handelt.

Auch der Jugendschutz bleibt ein ungelöstes Problem. Wie schaffen wir es, dass Kinder aufgrund der heute unvermeidlichen Möglichkeit des Konsums von Pornographie in die Lage versetzt werden, dennoch eine nicht-toxische, eigene Sexualität zu entwickeln? Und wie kann man Menschen helfen, einen Sinn in ihrem Leben zu finden, um das Entstehen von Pornosucht (und anderen Süchten) zu verhindern?

Zum Schluss sollen drei Forderungen stehen:

  1. Es müssen wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um Missbrauch im Bereich der Produktion von Pornographie einzudämmen. Am besten mit staatlichen Kontrollen und unabhängig kontrollierten Siegeln.

  2. Die Einrichtung effektiver und schneller Möglichkeiten, Porno-Seiten unkompliziert abschalten zu lassen, sofern sie gewalttätige oder auch nur demütigende Pornographie nicht sperren oder löschen möchten. Zugleich die Förderung von Diskussionen im Sexualkundeunterricht der Schulen über Sexualität, Pornographie und Missbrauch.

  3. Plattformen schaffen, die tatsächlich und nachprüfbar nur Porno-Inhalte veröffentlichen, die entweder "fair" hergestellt wurden oder - im Amateurbereich - im garantierten Einvernehmen aller Beteiligten.