Mali: Flucht in Zeitlupe
Zum "Einstieg in den Ausstieg" aus dem Einsatz der Bundeswehr im westafrikanischen Krisenland. Ein Kommentar.
Nach zähem Ringen verkündet die Bundesregierung den "Einstieg in den Ausstieg" aus dem Einsatz der Bundeswehr in Mali. Das wird gerne zitiert, weil es so vage ist, wie der Beschluss selbst. Bis Ende 2024 soll die deutsche Beteiligung an der UN-Mission Minusma enden.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht spricht von einem "sehr geordneten Abzug". Die Regierung betont, man wolle den Einsatz "nach zehn Jahren strukturiert auslaufen lassen". Das klingt nach einer erfüllten Aufgabe, nach planvollem Vorgehen.
Alleine die Formulierung vom "Einstieg in den Ausstieg" ist schon irreführend. Das deutsche Minusma-Kontingent kann schon seit Monaten kaum ausrücken, ist eher auf den Schutz anderer Truppensteller angewiesen, seit die Franzosen mit ihrer Operation Barkhane abgezogen sind (siehe: Kampf um Einflusssphären: Was folgt in Mali?).
"Solidarität mit Frankreich"
Die "Solidarität mit Frankreich", mit der einst die deutsche Beteiligung begründet worden war, war entweder eine Einbahnstraße oder Sackgasse. Bereits vor vielen Monaten, mit der Pandemie und dem vorletzten Putsch, wurde eine EU-Trainingsmission zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali) zunächst ausgesetzt, dann eingefroren und zuletzt unauffällig in die benachbarte Republik Niger verlegt.
In den vergangenen Monaten hatten immer weitere, deutlich kleinere Truppensteller der Minusma aus Europa ihren Rückzug angekündigt. Auch "Takuba", eine ziemlich dubiose, gemeinsame Anti-Terror-Operation mehrerer EU-Staaten, hat sich mit Barkhane mehr oder weniger in (heiße) Luft aufgelöst.
So viel zum "Einstieg in den Ausstieg". Vielleicht sollte man eher von einer "Flucht in Zeitlupe" sprechen. Das zurückhaltende Tempo hat zwei, ziemlich unterschiedliche Gründe, die beide nichts z.B. mit der Situation der Zivilbevölkerung oder der Rolle der UN zu tun haben.
Aufräumen
Der erste Grund besteht darin, dass die Bundeswehr und mit ihr die EU gekommen waren, um zu bleiben. Das Feldlager am Flughafen in Gao, die dortigen Hangars für geleaste, israelische Drohnen, das Logistikdrehkreuz Niamey in der benachbarten Republik Niger – all das war auf eine dauerhafte Präsenz ausgelegt, die nun neu organisiert und unter erschwerten Bedingungen mit den Nachbarstaaten ausgehandelt werden muss.
Flankiert wurde das z.B. von Maßnahmen aus der Ertüchtigungsinitiative, mit der Deutschland unter gemeinsamer Führung des Auswärtigen Amtes und des BMVg Ausrüstung und Infrastruktur für die malischen Polizei- und Streitkräfte zur Verfügung gestellt hat, unterstützt durch eine vor Ort ständig präsente Beratergruppe der Bundeswehr.
Ähnliche Programme existieren auf EU-Ebene und natürlich verschiedener Mitgliedsstaaten. Dabei geht es auch viel um Technologien, die nicht "den Russen" in die Hände fallen sollen, die mittlerweile auf Einladung der Putschregierung im Land sind und zu dieser offenbar bessere Kontakte pflegen. Aus deutscher und europäischer Sicht gibt es dementsprechend viel "aufzuräumen". (Man plant etwa ein Jahr für den Abzug des Geräts, heißt es in einem bundeswehrnahen Blog).
Der zweite Grund für den langsamen Abzug ist ein Amalgan aus Vorgaben: Der Einsatz der Bundeswehr stärke die UN, trage zum Schutz der Zivilbevölkerung bei und sei außerdem notwendig, um "Russland nicht das Feld zu überlassen".
Bald zehn Jahre Einsatz der Bundeswehr in Mali haben ziemlich genau das Gegenteil erwiesen.